Man kann also sagen, dass der Mensch zu viel und zu heftig in die Abläufe der Natur eingreift, sei es aus Profitgier, falsch verstandenem Ordnungssinn, Technokratie, nicht hinreichend verstandenen Zusammenhängen oder schlichtweg Dummheit. Wenn wir über die Zukunft nachdenken und darüber, wie wir sie so gestalten können, dass auch der Mensch in ihr eine Zukunft hat, dann gibt es eigentlich nur zwei Möglichkeiten.
Die eine Möglichkeit führt in eine totale Technokratie, das technologische Paradies, in dem alles mit Energie und Technologie gemacht wird, ohne auf die Natur zu achten: Essen und Kleidung aus Reagenzgläsern, Tanks und Maschinen, die Rohstoffe dazu produziert von maßgeschneiderten, künstlichen Organismen und mit allem aufgepeppt, was das wachsende wissenschaftliche Wissen für notwendig erachtet, die Luft energieaufwändig gefiltert und das Wasser permanent recycelt und gereinigt. Soviel Aufwand kann man natürlich nicht für sechs bis zehn Milliarden Menschen betreiben, aber bis es so weit ist, wird sich die irdische Bevölkerung durch diverse Katastrophen drastisch reduziert haben.
Die andere Möglichkeit besteht darin, die menschlichen Möglichkeiten nicht nur in eine Richtung zu nutzen und zu entfalten, sondern zur Gänze. Der Mensch steht erst am Anfang seiner Entwicklung. Evolutionär gesehen ist er eine noch sehr junge Spezies. Und eine seiner wichtigsten Eigenschaften ist die Fähigkeit zu lernen und zu verstehen, die noch lange nicht ausgereizt ist. Zur Zeit befinden wir uns in einer Epoche, in der es unglaublich viel zu lernen gibt. Wir haben jetzt die Möglichkeit, darüber zu reflektieren, was wir schon alles falsch gemacht haben, wo unser Charakter noch Mängel aufweist und wo wir noch zu triebgesteuert sind. Und wir haben außer dem Mentalwesen noch einen anderen, stark unterschätzten Schatz: Wir haben eine Seele. Das mag manchem zu mystisch sein oder zu verschwommen oder religiös. Aber es ist weder das eine noch das andere, es ist einfach nur ungewohnt, über die Seele zu sprechen, und dann versteht auch noch jeder etwas anderes darunter. Ohne allzu tief in das Thema einzutauchen, kann man sagen, dass sich die Seele in der Liebe äußert, im Mitgefühl, im Wohlwollen, in dem, was man Gewissen nennt, in der Freude und in der Bereitschaft zu geben.
Diese beiden Elemente, das Herz und der Verstand, bilden die Grundlage für diese zweite mögliche Entwicklung, in der es im Grunde genommen um die Schaffung des zweiten Paradieses geht. Das klingt vielleicht sehr ambitioniert, aber wenn man etwas Neues schaffen möchte, dann kann man es nicht wie in der Politik machen, deren Horizont vielleicht eine, in seltenen Fällen auch mal zwei Wahlperioden weit reicht. Es bringt nichts, sich nach jedem Schritt umzusehen und zu überlegen, wohin man sich jetzt wendet; auf diese Weise geht man im Kreis oder in die Irre. Wenn man die Welt aus der gegenwärtigen Bredouille retten will, dann geht das nicht mit Scheuklappen und Begrenzungen. Man braucht ein großes Ziel, eine Vision, auch wenn es womöglich tausend Jahre dauert, sie zu verwirklichen, und je mehr Menschen diese Vision teilen, desto schneller und umfassender kann sie verwirklicht werden. Ohne diese Vision doktert jeder vor sich hin und der Eine macht zunichte, was der Andere angefangen hat, und dann beschäftigen wir uns auch in tausend Jahren noch mit der Reform der Krankenversicherung oder der Pendlerpauschale. Bei dieser Vision dürfen wir uns weniger davon leiten lassen, was wir glauben, verwirklichen zu können, als vielmehr davon, was uns wirklich erstrebenswert erscheint. Und diese Vision muss groß und weit genug sein, um Platz für noch größere zukünftige Träume zu haben. Sie darf nicht eng und begrenzt und sektiererisch sein, denn sonst stirbt sie in den Klauen der Bürokratie oder wird zu Tode diskutiert.
Nun, wie könnte unser Paradies aussehen? Zum Beispiel so: Staatsgrenzen gibt es nicht mehr. Die Menschen empfinden sich als Einheit und leben und arbeiten in Frieden und Freundschaft zusammen. Arbeit ist keine Qual, sondern ein erfüllendes Erlebnis. Jeder kann sich selbst verwirklichen. Man braucht kein Geld. Ansehen bekommt man durch das, was man wie auch immer für die Gemeinschaft leistet. Es gibt keine Umweltverschmutzung und keine Energieprobleme. Die fortgeschrittene Technik unterstützt das Leben und die Kreativität unaufdringlich. Die Lebens- und Arbeitsstätten fügen sich harmonisch in eine üppige Natur ein, ohne diese zu sehr zu belasten. Gartenbau und Landwirtschaft arbeiten nicht mehr gegen die Natur, sondern mit ihr, und der Mensch nimmt einen führenden Platz in einem neuen ökologischen Gleichgewicht ein.
Um all das zu verwirklichen, sind enorme Anstrengungen in wirklich allen Bereichen der Gesellschaft nötig. So etwas geht nicht en bloc, sondern nur in vielen kleinen Schritten. Der erste Schritt ist wie immer, diese Veränderung wirklich zu wollen. Und ehe sich die Gesamtgesellschaft verändert, ist in einem zweiten Schritt die Bildung von kleinen Gemeinschaften, wie etwa das bereits existierende Mirapuri, die Stadt des Friedens und des Zukunftsmenschen in Europa, erforderlich, in denen das zukünftige Leben in all seinen Aspekten praktisch erprobt wird.
In diesen ersten Gemeinschaften bestimmt die Weite des Bewusstseins die Freiheiten, die man zu verwirklichen vermag. In diesen ersten Gemeinschaften bildet deshalb die Bewusstseinsentwicklung die unverzichtbare Kernkompetenz. Ohne diese Bemühung sind Gemeinschaften nicht lebensfähig, sondern gehen bei den ersten offenen Fragen an Kompetenzgerangel, unterschiedlicher Visionsinterpretation und Egoismen zugrunde, wie das Beispiel der im Gefolge der 68er entstandenen Gemeinschaftsbildungen gezeigt hat. Ist diese Bewusstseinsentwicklung gesichert, stehen eigentlich alle Möglichkeiten offen, und man kann darangehen, entsprechend der Gemeinschaftsdynamik alle Punkte der Zukunftsagenda schrittweise zu verwirklichen.
Dabei stellt sich natürlich bald die Frage nach dem Wohnraum, dem Ausgangspunkt der eigenen Betätigung. Anfangs wird man natürlich meist vorhandene Gebäude kaufen und anpassen, aber derzeitige Gebäude entsprechen kaum jemals den Anforderungen an eine nicht nur ökologische Zukunft. Das Konzept, einfach ein Haus in die Landschaft zu stellen, ist inzwischen überholt. Die Zukunft verlangt nach größeren Lebenszusammenhängen. Die strikte Trennung in Arbeitsplatz und Kleinfamilienbiotop ist nicht mehr zeitgemäß. Das Lebensmodell der Zukunft sind – idealerweise – Seelengemeinschaften oder auch Freundeskreise und Interessengemeinschaften, in denen Leben, Ideal, Freundschaft, Liebe, Arbeit und Natur möglichst nahe beisammenliegen. Die dafür nötigen Örtlichkeiten sind Öko-Habitate.
Ein Habitat ist an sich der Lebensraum einer Spezies, wie ein Ameisenhaufen oder Bienenstock, aber auch eine Landschaft, ein Fluss, ein Wald, und auch die Erde ist ein Habitat; außerdem ist es auch eine Wohnstätte, eine Art umfangreicher Wohnkomplex oder ein geschützter Lebensraum, wie etwa ein Aquarium oder eine Raumstation.
Ein Öko-Habitat ist ein Lebensraum für Menschen, eine Schnittstelle oder Begegnungsstätte zwischen den ökologischen Systemen Mensch und Natur, in denen der Mensch das Zusammenspiel mit der Natur lernt und übt. In diesen Habitaten und ihrem näheren Umkreis kann er arbeiten, leben und sich ernähren. Und zwischen diesen Habitaten liegt im Idealfall Natur, die weitgehend sich selbst überlassen werden kann, so dass der Mensch die Möglichkeit hat, sich zu entfalten, ohne die Natur dabei zu schädigen. Gleichzeitig bieten sich ihm damit optimale Möglichkeiten, die Interaktion mit der Natur und die vielfältige Verzahnung aller ökologischen Systeme, einschließlich des Menschen selbst, eingehend zu erforschen.
Architektonisch können diese Habitate eine Vielzahl von Formen annehmen, abhängig von klimatischen und landschaftlichen Gegebenheiten, aber auch von den künstlerischen Fähigkeiten der Gestalter. Jedes Habitat sollte von unverbauter Natur umgeben sein, so dass die Habitate Tüpfelchen in der Natur sind und nicht, wie jetzt, die Natur Tüpfelchen in der Industrielandschaft. Das ist die beste Maßnahme, um die Erholung des natürlichen Ökosystems zu fördern. Der äußere Rand geht mit Pilzkulturen, Obst- und Nussbäumen und Beerensträuchern fließend in die eigentliche Habitatsfläche über. Die Ernährung sollte weitgehend vegetarisch erfolgen, so dass keine großen Flächen für die Viehhaltung benötigt werden, sondern vor allem für Felder zum Anbau von vielfältigen Getreidesorten, Kartoffeln und anderen Wurzelgemüsen, Faserpflanzen sowie Eiweißlieferanten wie Sojabohnen, Dicke Bohnen oder Lupinen. Aufgelockert wird die Landschaft durch Obst- und Wildobsthecken, aber auch kleinen Inseln aus Wiesen und Zierpflanzen aller Art. Wenn man bereit ist, sich von der alten Eintönigkeit zu verabschieden, kann man zu einer heute trotz Globalisierung undenkbaren Vielfalt an Nahrungsmitteln gelangen. In direkter Nähe des baulichen Zentrums befinden sich Anbauflächen für Gemüse und Kräuter sowie Zierpflanzen. Außerdem finden sich hier auch vielfältige Versammlungs- und Entspannungsanlagen, wie Amphitheater, Sportplätze, Pavillons, Parks, Botanischer Garten, evtl. ein Streichelzoo, Badeanlagen und Ähnliches.
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