Die einschlägigen Quellen berichten übereinstimmend, dass „Paco” zunächst eine längere Anlaufzeit bei den Madrilenen benötigte. Zeitzeugen nennen seine damalige Verfassung in den ersten Spielen für Real Madrid „eine absolute Katastrophe”. Er sei schneller als der Ball gewesen, habe den Ball aber nicht unter Kontrolle halten können, seine Flanken seien auf halber Strecke verhungert, und für einen satten Torschuss habe es auch nicht gelangt.
Doch wenn der Ball steil auf den Flügel gespielt wurde, überlief „Paco” sie alle. Fachleute haben den entscheidenden Fortschritt von Francisco Gento in seinen Anfängen bei den „Königlichen” überzeugend beschrieben: „Eine Wende für Gento kam mit der Verpflichtung des argentinischen Stürmers Hector Rial. Im Zusammenspiel mit ihm lernte er, den Ball zu kontrollieren, seine Sprints richtig zu timen und seine Ausreißerqualitäten zu perfektionieren.” 5Von sich selbst sagte Gento, er habe fortan beständiger gespielt und von seinen Mannschaftskameraden viel gelernt.
Nun beherrschte er den Ball besser, seine Flanken kamen immer genauer, und schließlich war er, gleichwertig mit Alfredo Di Stefano und Ferenc Puskas, einer der prägnantesten Spieler bei den jahrelang den europäischen Fußball dominierenden Zauberern von Real Madrid.
Alsbald wurde sein jugendlicher Spitzname „Paco” durch eine weitere Bezeichnung ergänzt, die seine Spielweise exakt charakterisiert. Die in seiner Heimat am kantabrischen Atlantik urplötzlich aufkommenden Winde trugen den Namen „La Galerna del Cantabrico” (kantabrischer Sturmwind), und so wurde der Linksaußen der „Königlichen” von nun an in ganz Spanien benannt. Seine Spielweise entsprach genau dem Naturereignis an der Küste der Biscaya: Urplötzlich konnte Gento explodieren, er ging ab wie der Blitz und schlug Flanken, die brandgefährlich vor oder in den gegnerischen Strafräumen einschlugen.
Im Laufe der Zeit hatte Gento seine Fähigkeiten ständig weiterentwickelt. Unter allen erstklassigen Linksaußen der fünfziger und sechziger Jahre wies er inzwischen einen der wohl härtesten Linksschüsse in Europa auf. Oft machte er in einer Saison mehr durch seine Tore von sich reden, als dass er als herausragender Flankengeber in den Kommentaren der Sportjournalisten genannt worden wäre.
Die sportliche Erfolgsbilanz Gentos dürfte wohl bis heute unübertroffen sein. Zwölfmal wurde der Linksaußen spanischer Meister mit den „Königlichen”: In den Jahren 1954, 1955, 1957, 1958, 1961, 1962, 1963, 1964, 1965, 1967, 1968, 1969. In 605 Spielen schoss er 181 Tore für seine Mannschaft. Er war Weltpokalsieger (1960) und Europameister (1960), absolvierte 43 Länderspiele für sein Land und schoss dabei fünf Tore.
Gento nahm als Spieler ununterbrochen fünfzehn Jahre nacheinander am Europapokal teil. Achtmal stand er im Endspiel, allein in den Jahren 1956 bis 1960 ging er fünfmal als Sieger vom Platz. Zum fünften Mal in Folge wurden die Madrilenen Europacupsieger vor 127.000 Zuschauern im Glasgower Hampden Park, nachdem sie die Frankfurter Eintracht mit 7:3 deklassiert hatten. Und auch in diesem Spiel hatte Gento eine großartige Leistung gezeigt.
Einer der Höhepunkte seiner Karriere war dann das Endspiel im Europapokal der Landesmeister 1966 in Brüssel gegen Partizan Belgrad. Nach einem 0:1-Rückstand holten die Madrilenen auf und gewannen das Spiel mit 2:1. Inzwischen waren alle alten Stars der „Königlichen” abgetreten. Die völlig neu formierte Mannschaft im blütenweißen Trikot wurde aber immer noch von Gento als Kapitän zum Sieg geführt. Damit war Gento zum sechsten Mal Spieler und Sieger im Europapokal der Landesmeister geworden.
Francisco Gento im Laufduell mit Georg Stollenwerk, 1. FC Köln - Real Madrid am 13.08.1960.
In der spanischen Zeitung „La Vanguardia” schrieb man über Gento nach diesem Finale: „Paco Gento verkörpert die alte Garde, die glorreichen Zeiten, die funkensprühende Spielkultur eines Rial oder Di Stefano. Kein Team hat jemals wieder so gespielt wie Real Madrid damals […] Gentos wunderbare Fähigkeiten mögen im Laufe der Jahre vielleicht etwas verblasst sein. Seine Dribblings sind etwas langsamer geworden und der Rhythmus seiner Galoppläufe für das bloße Auge besser wahrnehmbar. Er ist immer noch ein Gewitter.”
1966: Da war Gento 33 Jahre alt. Noch weitere fünf Jahre hat es gedauert, bis er die Treter auszog und sich vom aktiven Fußballerdasein verabschiedete. Nach Beendigung seiner Karriere als aktiver Fußballer sagte Gento über sich selbst: „Die Leute sagten immer, ich liefe so schnell, dass ich vom Spielfeld rasen und den Ball hinter mir zurücklassen würde. Aber alles hat mit Willensstärke und Leidenschaft zu tun. Man muss sehr gern Fußball spielen und immer das Beste wollen.”
In Spanien, und hier ganz besonders bei den Fans von Real Madrid, ist Gento bis heute sehr wahrscheinlich die größte Legende aller spanischen Fußballer. In der Zeit, in der Real Madrid den Weltfußball dominierte, war Gento der einzige Spanier in diesem überragenden Sturm, der von den Argentiniern Rial, Di Stefano, dem Franzosen Kopa und dem Ungarn Puskas gebildet wurde. Fast zwei Jahrzehnte lang war Gento einer der offensivstärksten Linksaußen der Welt.
Flügelflitzer
Heinz Hornig, 1. FC Köln
Der Flügelflitzer Heinz Hornig erlernte das Fußballspielen bei Eintracht Gelsenkirchen. Über die Zugehörigkeit zur Amateur-Nationalmannschaft machte er die Verantwortlichen von Schalke 04 auf sich aufmerksam. Dort konnte sich der schmale und nur 1,68 m große Außenstürmer jedoch nicht durchsetzen. Über den Umweg bei Rot-Weiß Essen kam er in der Saison 1962/63 zum 1. FC Köln und avancierte hier innerhalb weniger Spiele zum Flankengott der Geißböcke. Heinz Hornig verkörperte wie kaum ein anderer Stürmer das herzerfrischende, kreative Spiel der Geißböcke zu Beginn der sechziger Jahre. Der Dribbelkönig und extrem schnelle Linksaußen überlief und überspielte seine Gegner und schlug geniale Flanken aus vollem Lauf in den Sechzehner. Der brasilianische Zehner, Pelé, machte dem Jungen aus dem Ruhrpott das Kompliment, dass er zu den besten Linksaußen gehöre, die er je gesehen habe.
Zwischen 1962 und 1970 spielte er in 246 Begegnungen für die Geißböcke und schoss 45 Tore. 1964 wurde er Meister mit den Rheinländern. Zu den damaligen Jahren sagte Heinz Hornig: „Die Mannschaft der sechziger Jahre hatte mit Spielern wie Wolfgang Overath und Wolfgang Weber eine hohe individuelle Klasse, aber damals stand vor allem der Mannschaftsgeist im Vordergrund. Das Team zeigte Leidenschaft und Zusammenhalt. Mit dieser Mannschaft wäre auch noch mehr drin gewesen.” Ohne jeden Zweifel war das Team der Geißböcke in den sechziger Jahren die qualitativ beste Fußballmannschaft im deutschen Berufsfußball.
Heinz Hornig gehörte auch zu der legendären Elf des 1. FC Köln, die im Viertelfinale des Europapokals der Landesmeister nach zweimaligem Unentschieden und einem weiteren Entscheidungsspiel ohne Sieger in Rotterdam durch Losentscheid ausschied, weil es damals noch kein Elfmeterschießen gab. Die Münze war beim ersten Wurf im Rasen steckengeblieben und musste ein zweites Mal geworfen werden. Dann kam der FC Liverpool aufgrund des Münzwurfes eine Runde weiter.
Heinz Hornig spielte siebenmal in der Nationalmannschaft. Er gehörte zum WM-Kader 1966 in England, wurde dort aber nicht eingesetzt. Im Jahr 1970 ging er für kurze Zeit zu „Daring Brüssel” nach Belgien, machte den Trainerschein und trainierte Fortuna Köln und die Amateure des FC. Zwanzig Jahre lang arbeitete Heinz Hornig als Trainer. Dann machte er sich mit Fanartikeln selbstständig, wurde Geschäftsführer der Marketingabteilung der Geißböcke und arbeitete zusätzlich als Scout für den 1. FC Köln.
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