Hermann Schmidt
WIR KOMMEN WIEDER!
Mit dem FC St. Pauli durch die Bundesliga
VERLAG DIE WERKSTATT
Bibliografische Information der Deutschen Bibliothek:
Die Deutsche Bibliothek verzeichnet diese Publikation in
der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten
sind im Internet über http://dnb.ddb.deabrufbar.
Copyright © 2011 Verlag Die Werkstatt GmbH
Lotzestraße 22a, D-37083 Göttingen
www.werkstatt-verlag.de
Alle Rechte vorbehalten.
Umschlagfoto: Imago
Foto S. 4/5: Witters
Satz und Gestaltung: Verlag Die Werkstatt
ISBN 978-3-89533-833-5
Inhalt
Teil 1 Der Aufstieg Teil 1 DER AUFSTIEG
Der Business-Seat
Ein Traum wird wahr
Sommerpause
Die Reise nach Eutin
Teil 2 Die Hinrunde
Das fängt ja gut an
Knockout in letzter Minute
Ein HSV-Gartenzwerg, ein Zimtstern und ein Abseitstor
Müder HSV am Millerntor
Zum Geburtstag drei Punkte am Bökelberg
Meisterlicher BVB
Die Nacht in Hannover
Stefan Orth sorgt für Irritationen
Niederlage in Stuttgart und Training an der Kollau
Gegen die Eintracht und den Rest der Welt
Wiederaufbauhilfe Schalke
Von nun an ging’s bergab
Ein Gegner ohne Herz und Seele
Im freien Fall
Selig am Millerntor und Führerscheinentzug
Abenteuer im UKE
Wie ein Absteiger
Teil 3 Die Rückrunde
Zu Besuch im Celtic Park
Ein Punkt ist zu wenig
Die verfluchte 89. Minute
Alle Schwarzen heißen Asamoah
Skandal um René Schnitzler und elf lahme Fohlen
Hamburg ist St. Pauli
Allein in Dortmund und eine einseitige Angelegenheit
Eine weite Reise für zwölf Minuten mit dem FC St. Pauli
Debakel in Franken
Am Ende wieder nichts!
Grottenkick am Main
Schwarzer Freitag am Millerntor
Noch einmal ein großes Kampfspiel
Das Ende von etwas
Ein peinlicher Abgang
Wir kommen wieder!
Der Autor
„ Seien wir realistisch .
Versuchen wir das Unmögliche .“
ERNESTO CHE GUEVARA
Für Bjarne Schmidt, Fabian Boll und Thomas
Für Marcel Eger und Florian Lechner, zwei von uns
DAS HERZ VON ST. PAULI
Das Herz von St. Pauli,
Das ist meine Heimat.
In Hamburg, da bin ich zu Haus.
Der Hafen, die Lichter,
Die Sehnsucht begleiten
Das Schiff in die Ferne hinaus.
Das Herz von St. Pauli,
Das ruft dich zurück.
Im Dorf an der Elbe,
Da wartet dein Glück.
Das Herz von St. Pauli,
Das ist meine Heimat.
In Hamburg, da bin ich zu Haus.
Die Elbe, die Mädels, der Kurs ist immer gut.
St. Pauli, die Freiheit,
Das liegt uns schon im Blut.
Und hat das Lebensschiff ein Leck,
In Hamburg bleiben wir an Deck,
In Hamburg, ja, da bleiben wir an Deck.
Fanlied des FC St. Pauli
Musik: Herbert Trantow
Text: Hanns Stani
Gesang: Hans Albers
Teil 1
DER AUFSTIEG
KAPITEL 1
DER BUSINESS-SEAT
Vor der Aufstiegssaison 2009/10 hatte ich versucht, eine zweite Karte für die Haupttribüne am Millerntor zu bekommen, die mir ein Bekannter in der Geschäftsstelle zum Preis von rund 500 Euro in Aussicht gestellt hatte. Dann aber teilte mir mein Kontaktmann mit, dass auf der Haupttribüne nichts mehr frei sei. Stattdessen könne er mir einen Business-Seat auf der Südtribüne anbieten, ausnahmsweise zum Preis vom Vorjahr. Ich machte mir keine Gedanken darüber, was eine solche Karte kosten würde. Es schien sich ja ganz offensichtlich um ein Sonderangebot zu handeln. Ich wollte die Karte für Freunde oder Verwandte nutzen, die mal ein Spiel unseres Vereins sehen wollten. Dass wir dann getrennt voneinander sitzen müssten, war in meinen Augen vertretbar. Vor und nach dem Spiel würden wir ohnehin zusammen ins „Shamrock“ gehen.
Der Kontaktmann vom Verein schickte mir die Karte und die Rechnung. Auf der Karte stand: „Business-Seat, Block S2, Reihe 14, Platz 10“, und ganz fett: „SPONSOR“, und klein darunter: „Hermann H. Schmidt“.
Ehrlich gesagt, ich hatte über meine Mitgliedschaft hinaus nie eine Sponsorentätigkeit beim FC St. Pauli angestrebt. Zwar war ich seit einiger Zeit in den „Freundeskreis des FC St. Pauli“ berufen worden, in dem mehrere Unternehmer und Manager die Geschicke des Vereins wohlwollend begleiteten, doch bei meinen vergleichsweise überschaubaren Vermögensverhältnissen war ich als Sponsor eher nicht geeignet.
Die Höhe des Rechnungsbetrags für die Dauerkarte auf der Südtribüne raubte mir den Atem. Es musste eine Verwechslung vorliegen. Um das mir avisierte Schnäppchen zum einmaligen Sondertarif, dem Dauerkartenpreis vom Vorjahr, konnte es sich nicht handeln. Ich hätte für diese Summe angesichts meiner bescheidenen Ansprüche auf Malle überwintern können. Aber ich nahm es wie ein Mann: Andere Männer meiner Gehaltsklasse besitzen ein Segelboot, fahren einen Porsche oder unterhalten eine Zweitpartnerschaft in Sewastopol. Ich hingegen besaß nun neben meinem Stammplatz auf der Haupttribüne einen Business-Seat im Stadion des FC St. Pauli.
Na gut, weil ich nicht frei von Stolz bin, gebe ich zu: Es wäre mir peinlich gewesen, die Karte an den Verein zurückzuschicken. Womöglich hätten die, die mich dort kannten, gedacht, dass ich verarmt bin, weil ich meine Kohle mit Kumpels versaufe oder verzocke oder mit wildfremden Weibern durchbringe. Nein, diese Blöße wollte ich mir nicht geben.
Ich behielt die Karte, bezahlte die Rechnung und saß beim Saison-Eröffnungsspiel gegen Rot-Weiß Ahlen auf der Südtribüne, während ich meine Haupttribünen-Dauerkarte an einen Kollegen aus einem befreundeten Verlag verliehen hatte.
Der Platz auf der Südtribüne war nicht schlecht, aber die Ultras brüllten von der ersten bis zur letzten Minute, und als das Spiel fertig war, hatte ich gerade mal zwei Bier getrunken, eine Wurst gegessen und Kopfschmerzen von den Gesängen der Hardcore-Fans. Ich begann darüber nachzudenken, wie ich trotz meiner großen Liebe zum FC St. Pauli mit der Business-Karte mal ein richtig gutes Geschäft machen und einen entsprechenden Gegenwert erhalten könnte.
Es war kein Trost für mich, dass ich, wie mir in einem mehrere Seiten umfassenden Begleitschreiben zu Karte und Rechnung vom Präsidium mitgeteilt worden war, nun in der Stadionzeitung und im Treppenflur des Aufgangs zur Südtribüne namentlich als Mitglied der „EHRENWERTEN GESELLSCHAFT“ aufgeführt sein würde und dass außerdem der mit braunem Kunststoff bezogene Klappsitz mit meinem Namen beschriftet werden sollte.
Wenn ich den Preis der Südtribünen-Dauerkarte durch die Anzahl der Punktspiele der kommenden Saison teilte, dann kam ich auf einen Betrag von rund 160 Euro, die ich pro Spiel gelöhnt hatte. Mir war klar, dass ich persönlich diesen Betrag niemals durch freies Essen und Trinken im Ballsaal und auf der Tribüne würde ausgleichen können.
Und dies, obwohl ich in einem Ort geboren und aufgewachsen bin, der in Deutschland nach der bayerischen Landeshauptstadt den zweithöchsten „pro-Kopf-Bierverbrauch“ nachweisen kann. Aber im Gegensatz zu den Münchnern haben wir alles selbst gesoffen, denn Touristen verirren sich nach Biedenkopf an der Lahn so gut wie gar nicht.
Es lag aber auf der Hand, dass ich nicht mehr der Mann war, der im Laufe eines Spiels den Preis der Dauerkarte wegsaufen kann.
Ich beschloss, den zukünftigen Einsatz der Dauerkarte mit meinen Söhnen Kai und Henning zu besprechen. Von beiden lässt sich sagen, dass sie nicht aus der Art geschlagen sind. Kai, der Ältere, kann sehr viel Bier trinken und auch große Portionen essen. Aber irgendwann ist auch bei ihm Schluss. Es steht ihm dann Oberkante Unterlippe. Trinkt er nur ein Glas zu viel, dann wird ihm schlecht. Kai lehnte es also ab, die Gegengerade zu verlassen und testhalber gegen den Business-Seat einzutauschen.
Читать дальше