»So entwickelt hat, Rick? Was denn?«
Sie wollte streiten, suchte immer nach Reibungspunkten. Rick presste die Lippen zusammen und hoffte, dass es wie ein Lächeln aussah. Er wusste, dass es das nicht tat. »Ich sag dir Bescheid, was sich aus der Konferenz ergibt.«
»Tu das.«
Rick küsste seinem Sohn den Kopf.
»Dada«, sagte er.
»Bis heute Abend, Kleiner.« Er wollte seine Frau küssen. Sie senkte den Kopf und stach mit der Gabel auf die Eier ein. Rick strich sich die Krawatte zurecht und richtete sich auf. Ohne ein weiteres Wort verließ er das Haus und ging grübelnd zu seinem Auto.
Es war schwierig, den genauen Zeitpunkt zu bestimmen, an dem die Ehe ins Schleudern geraten war. Fakt war, dass Karen seinen Job hasste. Als sie sich kennenlernten, war Angeln sein Hobby gewesen, und er hatte auf Nachtschicht in einer Fabrik geschuftet. Nachdem er einen Angelwettkampf nach dem anderen gewonnen hatte, bemerkten ihn die Sponsoren. Schließlich wurde ihm eine Fernsehsendung angeboten: Catch & Release with Rick Stone .
Vielleicht war das der Moment gewesen, ab dem es abwärts gegangen war. Obwohl sie gewusst hatte, dass es immer sein Traum war, sich mit etwas, das ihm Spaß machte, den Lebensunterhalt zu verdienen, glaubte er nicht, dass sie es je für möglich gehalten hatte – und so fand sie sich damit ab, ihn, einen einfachen Fabrikarbeiter, zu heiraten.
In zwei Monaten würde es Winter sein. Im Winter arbeitete er nicht. Pro Saison wurden vierundzwanzig Folgen gedreht. Er wurde wöchentlich bezahlt, sodass die Schecks trotz seiner Arbeitslosigkeit von Dezember bis April über zweiundfünfzig Wochen verteilt waren.
Vielleicht störten sie die viereinhalb Monate jeden Jahres, die er daheim war. Sie sagte oft, dass sie sich fühlte, als ob sie ersticken würde, weil er ständig da sei, und dass sie keine Zeit für sich selbst habe. Das tat weh. Vor ihrer Heirat hatten die Tage nicht genügend Stunden gehabt, die sie gemeinsam verbringen konnten. Aber alles veränderte sich. Menschen veränderten sich.
Brent Halperin trug seine Haare lang und zu einem Pferdeschwanz gebunden. Er kleidete sich in dunkle teure Anzüge mit Seidenkrawatten. Alle wussten, dass sie aus Seide waren, da Halperin es nicht nur jedem erzählte, der zuhörte, sondern auch den Menschen, die ihn ignorierten. Insgesamt war er kein schlechter Typ, nur etwas zu sehr von sich vereinnahmt. Er sah sich weniger als jemand, der eine Angelsendung produzierte, die samstagmorgens nach den Zeichentrickfilmen ausgestrahlt wurde, sondern eher wie ein Hollywood-Filmproduzent.
»Stone, wie geht’s?« Sie schüttelten sich die Hände. Sie befanden sich im obersten Stock eines achtstöckigen Gebäudes in der Innenstadt. In den ersten beiden Stockwerken befanden sich ein paar Filmkulissen und ab dem dritten Stock die Büros. Mr. Harry Krantz, der Präsident des Senders, hatte ein Eckbüro, das den Genesee River überblickte.
»Ich will nicht lügen – ich bin etwas nervös. Außer den monatlichen Sitzungen wüsste ich nicht, dass ich jemals zu einer Konferenz mit nur Ihnen und Mr. Krantz eingeladen worden wäre«, sagte Rick. Besorgt fragte er sich, ob er schwitzte. Er meinte, Schweißperlen auf seiner Stirn zu spüren, wollte aber nicht dadurch sorgenvoll wirken, dass er sie sich abwischte. Stattdessen lächelte er und zeigte auf Halperins Brustkorb. »Eine neue Krawatte?«
»Das ist Satinseide. Hat so gut wie gar kein spürbares Gewebe. Wollen Sie mal fühlen?« Halperin hielt ihm die Krawattenspitze hin. Rick fuhr mit der Hand über das Material und nickte.
»Schön, was?«
»Sie haben die besten Krawatten«, sagte er. Es klang lahm. Jeder andere Mensch hätte es für einen komischen Kommentar gehalten, aber Halperin genoss das Kompliment.
»Danke«, sagte er. »Wirklich. Danke.«
»Bitte«, sagte Rick.
»Nun denn, warum kommen Sie nicht rein? Harry ist schon da. Wir können gleich anfangen. Wie hört sich das an? Und vertrauen Sie mir, Stone, ich denke, Ihre Nervosität ist ganz unbegründet. Völlig unbegründet. Wir haben nämlich eine … ach, kommen Sie, gehen wir in Harrys Büro. Wir wollen mit der Besprechung schließlich nicht inoffiziell ohne ihn im Flur anfangen. Oder?«
Halperin klopfte leicht an die Tür und drückte sie auf, ohne auf Krantz’ Aufforderung zu warten. »Nach Ihnen«, sagte er.
Rick betrat das Büro. Zwei Eckwände bestanden aus Fenstern. Die anderen waren mit gerahmten Fotos dekoriert, viele davon signiert, auf denen Harry Krantz mit diversen Stars zu sehen war.
Krantz erhob sich, als sie eintraten. Sein Haar war weiß und dicht. Älter als fünfzig konnte er nicht sein. Die gut geschnittene graue Hose und das dunkelblaue sportliche Jackett mit passender Krawatte waren seine übliche Kleidung. »Rick. Rick, wie schön, Sie zu sehen.« Er kam hinter seinem Schreibtisch hervor, um ihm die Hand zu schütteln. »Bitte setzen Sie sich doch.«
Rick nahm in einem der zwei Stühle vor dem Schreibtisch Platz. Halperin setzte sich auf die Tischkante und trommelte sich mit einem Radiergummi aufs Bein.
»Möchten Sie einen Kaffee oder Wasser oder sonst etwas?«, fragte Krantz, der wieder Platz genommen hatte. Er faltete die Hände.
»Nein, gar nichts, danke sehr«, sagte Stone.
»Gut, dann kommen wir doch gleich zur Sache.«
Rick atmete tief ein. Seit er von der Konferenz gehört hatte, versuchte er herauszubekommen, worum es sich wohl handeln könnte. Jetzt, wo es zur Sache ging , war er sich nicht mehr so sicher, ob er bereit war, es zu hören.
»Es wird Sie ja nicht weiter erstaunen, dass wir sowohl gute als auch schlechte Neuigkeiten haben«, sagte Krantz. Mit seinen verschränkten Fingern sah Krantz wie ein Mann aus, der betete. »Wir haben die Einschaltquoten von Catch and Release bekommen, und um ehrlich zu sein – gut sehen sie nicht aus. Die Zahlen sind gesunken.«
»Und zwar dramatisch.« Halperin legte den Radiergummi weg. Sein Lächeln war wie fortgewischt. Das war es also – daher die Konferenz. Die Sendung war ein sinkendes Schiff. Sie waren unzufrieden.
»Wir haben gerade das fünfte Jahr beendet. Es ist fast, als ob niemand auch nur eine einzige Episode gesehen hat.«
Rick rutschte auf seinem Stuhl herum, setzte sich weiter nach vorn, lehnte sich zurück. Es ging hier um seine Karriere, seinen Lebensunterhalt. Die Wahrheit war, dass er eher damit leben konnte, wenn die Show abgesetzt wurde, als es seiner Frau zu sagen. Sie würde ihm sofort ein Ich-hab’s-ja-gewusst ins Gesicht schleudern. Er würde es immer wieder zu hören bekommen. Wie konnte er noch weiter mit ihr leben? Er legte eine Hand über seinen Bauch, beunruhigt, dass ihm schlecht werden könnte und die paar verbrannten Eier, die er zum Frühstück hatte runterwürgen können, hochkommen würden. »Und, was wollen Sie damit sagen?« Er setzte sich auf und legte einen Ellbogen auf die Armlehne des Stuhls. »Was soll das bedeuten?«
Krantz hob die Hand. »Immer mit der Ruhe, Rick, kein Grund zur Sorge. Das waren nur die schlechten Neuigkeiten.«
»Es gibt ja noch die guten Nachrichten«, sagte Halperin. Sein Grinsen kehrte zurück, als er aufstand und hinter den Schreibtisch ging. Halperin stand mit den Händen in den Taschen neben Krantz.
Rick wollte zurücklächeln, aber sein verkrampfter Magen ließ es nicht zu. »Dann immer her damit – mit den guten Neuigkeiten. Denn im Moment werde ich das Gefühl nicht los, dass ich gleich gefeuert bin. Werde ich das nicht … gefeuert?«
Die Produzenten lachten, sahen sich an und lachten weiter. »Gefeuert«, sagte Halperin. »Nein. Ganz und gar nicht.«
Rick lehnte sich wieder vor und drückte seine Fingerspitzen gegeneinander. »Dann verstehe ich das nicht. Wenn die Show keinen Erfolg mehr hat und ich nicht gefeuert werde – was ist dann der, äh, Plan?«
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