Auch wenn ich Trump weder mit Hitler noch mit irgendwelchen Bakterien gleichsetzen oder auch nur damit vergleichen will, so scheint mir, dass Jaspers Aussage genau jene dünne Linie skizziert, auf der jedes noch so dicke Buch über Trumps Präsidentschaft entlang wandern muss.
»Nordkorea, wir kommen. Unsere Kriegsschiffe öffnen das Land wie unsere Matrosen in den Häfen die Schenkel der Frauen. Wir sind geübt in diesen Dingen, denn wir haben das schon einmal getan. Damals, 1853, in Japan, als unsere Kanonenboote ihre Mörser nach Osten hin drehten und das Land vom Isolationismus befreiten. Jetzt kommen wir wieder. Wir sind der Stoßtrupp der Freiheit, wir sind der Türöffner zu unserer Welt.«
(Kleine Kollektivfantasie der Mitglieder des Historical Advisory Committee im amerikanischen Außenministerium, spontan verfasst unter dem Eindruck nordkoreanischer Raketen, die schreiend übers Meer in Richtung Amerika ziehen und aufgrund fehlender Reichweite in den Fluten des Pazifik versinken.)
»Man muss den Worten auch Daten folgen lassen.« Das könnte ein zeitgemäßes Motto für Journalisten sein. Und das hätte auch seinen guten Sinn, denn wenn Trumps Protz- und Prahl-Präsidentschaft etwas Gutes hat, dann ist es die Tatsache, dass immer mehr Berichterstatter die Kraft ihrer Worte mit der Eingängigkeit interaktiver Karten und der Tiefenschärfe riesiger Zahlenmeere verbinden. Der Datenjournalismus der linksliberalen Medien feiert Hochzeit in der Scheidung mit Trump. Der unzeitgemäße Selbstdarsteller im Amt hat die zeitgemäße Form der Informationsdarstellung befeuert.
Hiobsbotschaft für Konservative. Der republikanische Gouverneur von Alabama ist wegen einer Sex-Affäre zurückgetreten. Ist er ein Sünder? Ach was, er ist ein Sieger! Bei dem seit 1776 laufenden Wettkampf um die meisten Sex-Affären amerikanischer Bundespolitiker liegen die Republikaner dadurch jetzt mit 39:25 in Führung. Ich habe das – der »List of federal political sex scandals in the United States« bei Wikipedia sei Dank – eigenhändig ausgezählt. Und es passt auch sonst. In Hiob 39,25 steht schließlich geschrieben: »Sooft die Trompete klingt, ruft es: Hui!«
Donald Trumps Sohn Eric behauptet, die Bombardierung eines syrischen Militärflughafens durch die Amerikaner zeige, dass es keine Verbindungen zwischen seinem Vater und Russland gebe.
Als wenn das dröhnende Gegeneinander beim öffentlichen Material- und Menschenschlachten nicht seit jeher die Basis für das stille Miteinander der großen Geschäftemacher wäre.
Auf die Politisierung der Öffentlichkeit reagiert Trump mit der Privatisierung der Politik.
Oh, all ihr Hobos und Eisenbahn-Tramps, eure Freiheit liegt in den letzten Zügen. Das ländliche Amerika wird entkoppelt und der Bahnen beraubt, auf denen ihr zieht. Meile um Meile verrostet zur Sesshaftigkeit. Wer hätte das gedacht? Die Kunst der Bewegung und des Sich-Treibenlassens endet im zusammengestrichenen Budgetplan des amerikanischen Verkehrsministeriums, in einer Handvoll Büros, in denen die einzigen Reisebeschreibungen die Dienstanweisungen von Sesselfurzern sind.
Würde ich in den USA leben, ich könnte dieses Tagebuch nicht schreiben. Je größer die Distanz zu den Dingen, Ereignissen und Menschen, über die ich berichte, umso besser. Die Unmöglichkeit des Erlebens ist die Bedingung der Möglichkeit meines Schreibens. Mein Zugang ist einer des Fernbleibens.
Was Donnie nicht gelungen ist, hat Bini geschafft: Sie hat das zerrissene Amerika geeint. Alles, was Bini Adamczak dafür tun musste, war, ein Buch zu veröffentlichen. 100 Seiten haben gereicht, um die entzweiten zu vereinigten Staaten zu machen, denn nichts eint mehr als ein gemeinsamer Feind. Ein Blick in die Zeitschriften, Blog-Beiträge und Online-Foren zwischen Seattle und Miami macht’s deutlich: Seit Tagen stehen Millionen Amerikaner Seite an Seite, bereit, vom Text- ins Schlachtfeld zu ziehen, um den Kampf aufzunehmen mit dem, was sie bedroht: Eine deutsche Autorin und ihr Buch mit dem Titel Communism for Kids .
Wenn ich gestern schon mal beim Kommunismus war, kann ich heute gleich weitermachen damit. Die Sache ist nämlich die: Marx wollte die permanente Revolution, Trump dagegen will die permanente r e-election . Sein Kampagnen-Team hat schon 13 Millionen Dollar gesammelt, damit er 2021 wiedergewählt wird. Eine halbe Million Dollar Spendengelder ging allerdings mehr oder weniger direkt an Trump, da die Kampagneros in seinen Immobilien Büros angemietet haben und dafür kräftig zahlen. Aber auch der Secret Service und seine Agenten sollen, wenn schon nicht bluten, so doch zumindest blechen. Zum Beispiel für die Golfcarts, die sie auf Trumps Platz in Mar-a-Lago mieten müssen, um den Präsidenten beim Ballspielen zu beschützen. Allein mit dem Verleihen der Golfcarts hat Trump bisher über 35.000 Dollar verdient. Und sie rollen weiter. Wochenende für Wochenende. In Permanenz. Und das müssen sie auch, denn statt Revolution und Reduktion zählen für Trump nur r e-election und Rendite. Oder, um es mit Trumps eigenen Worten zu sagen, die er im Jahr 2000 in einem Interview mit dem Wirtschaftsmagazin Forbes zum Besten gab: »Es ist ziemlich wahrscheinlich, dass ich der erste Präsidentschaftskandidat sein könnte, der sich um das Amt bewirbt und damit auch noch Geld verdient.«
In den USA hat Innenminister Ryan Zinke verkündet, dass die Mitarbeiter seines Ministeriums demnächst testweise ihre Hunde mit ins Büro bringen dürfen, um die interne Zusammenarbeit zu verbessern und die Arbeitsmoral zu erhöhen. Ein Mehr an Mitarbeit und Moral wird auch dringend nötig sein, denn Präsident Trump plant, das Budget des Innenministeriums um 12 % zu senken. Mit anderen Worten: Der Innenminister ist auf den Hund gekommen, weil sein Ministerium auf den Hund gekommen ist.
In der Psychogeografie Trumps führen alle Wege direkt auf ihn zu. Er ist seine eigene To-Do nald-Liste.
An der mexikanisch-amerikanischen Grenze wurden im März knapp 17.000 Menschen festgenommen. Im Dezember waren es noch 60.000 gewesen. Bei Eltern mit Kindern sank die Zahl von 16.000 auf 1.100 ab. Ein 17-Jahres-Tief. In seinen Ausläufern, südlich der großen Schicksalslinie, warten unterdessen noch immer zahllose Menschen auf ihre Chance, unbemerkt ins gelobte Land reinzukommen, derweil andere umkehren und zurück ins Hinterland irgendeines Hinterlandes gehen, das nicht nur keine Erfüllung, sondern auch keinen Glauben mehr kennt.
Melania hüllt sich in Hervé Pierre und Christian Louboutin.
Ich hülle mich darüber nicht länger in Schweigen,
denn in meines Tagebuches Akten
zählen nur die nackten
Fakten.
World Earth Day. Überall wird heute gegen die wachsende Umweltzerstörung protestiert. Auch in den USA, dem Land, das den Weißkopfseeadler in seinem Wappen trägt. Das Tier war in den 1960er-Jahren fast ausgestorben und wurde 1973 mithilfe des Gesetzes zum Schutz bedrohter Arten gerettet. Jetzt aber ist das Gesetz selbst bedroht. Ein paar republikanische Weißköpfe im Kongress wollen ihm die Flügel stutzen und eine Reihe von Tierarten von der Liste streichen. Zu viele Tiere, zu viel Schutz, zu viel Regulierung, sagen sie. Der Weißkopfseeadler ist allerdings nicht unter den Streichkandidaten, denn den hat die Bush-Administration bereits 2007 von der Liste genommen, da sich die Bestände erholt hatten und ein spezielles Gesetz aus dem Jahre 1940 das Tier weiterhin schützt. Von den meisten anderen Arten, die jetzt ihren Schutzstatus verlieren sollen, kann man das dagegen nicht behaupten. Aber die sind auch keine Nationalsymbole. Wobei das mit der Symbolik so eine Sache ist. Benjamin Franklin jedenfalls erklärte 1784 in einem Brief an seine Tochter Sarah: »Was mich betrifft, so wünschte ich, man hätte den Weißkopfseeadler nicht zum Repräsentanten unseres Landes gemacht; er ist ein Vogel von schlechtem moralischen Charakter. Er verdient seinen Lebensunterhalt nicht auf ehrliche Weise.« *Mit Blick auf Trump passt das immerhin wieder.
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