Chelsea Manning ist frei. Endlich! Aber vergessen wir nicht all die anderen, die wegen ähnlicher »Vergehen« noch immer in Haft sitzen: Jeremy Hammond, der die kriminellen Machenschaften von Stratfor öffentlich machte, Ryan Johnson, der sich dem Einsatz im Irak widersetzte, oder Jeffrey Sterling, der als geheim eingestufte Informationen weitergab und damit politische Skandale aufdeckte. Ein Sprichwort sagt: Ehrlich währt am längsten. In diesen Fällen muss es wohl eher lauten: Ehrlich sitzt am längsten. Allerdings nicht am politischen Hebel, sondern im amerikanischen Knast.
Trump auf großer Auslandsreise. Heute ist er in Saudi-Arabien, morgen in Israel – ziemlich verzwickte Interessen, komplizierte Materie, reichlich vermintes Gelände, überhaupt nicht sein Ding. Danach geht’s weiter zum Papst in den Vatikan, da gibt’s bestimmt auch nur Mecker. Aber dann, dann geht’s endlich nach Belgien – und mit Belgien kennt er sich aus, zu Belgien wusste er schon letztes Jahr im Wahlkampf etwas zu sagen. »Also, Belgien«, hat er gesagt, »Belgien ist eine wunderschöne Stadt.«
Trump tütet den größten Rüstungsdeal der US-Geschichte ein und verkauft den Saudis amerikanische Waffen im Wert von 110 Milliarden Dollar. Gefragt, wozu er so viele Waffen brauche und ob er zufrieden mit dem Geschäft sei, sagte Kronprinz Mohammed Bin Salman: »Yeah, man.«
Und es ist Sonntag in Amerika, und Donald ist nicht im Land, und alle atmen auf und aus und ein und durch, denn es ist der erste Tag seit Monaten, der ihnen eine Ahnung davon verschafft, wie es mal gewesen ist, damals, als das Lachen über den Clown noch Teil der Aufführung war und er es ihnen nicht täglich zurück in die Hälse gestopft hat, eine Ahnung, wie es einst war und irgendwann wieder sein wird, dann, wenn alles ganz anders ist und das Luftholen in den Unbemerktheiten des Tages verschwindet, wenn es in ihm aufgeht wie ein Teig voller Hefe, den irgendjemand – ein Zauberer vielleicht? – vor aller Augen in eine Schüssel gelegt und unter seinem Tuch zum Verschwinden gebracht hat.
Trumpel in Israel.
Trouble is real.
Trump schnappt sich SNAP, das Supplemental Nutrition Assistance Program, hierzulande auch gern mal Lebensmittelhilfe genannt. Schnappt sich einfach das Budget und schnabuliert’s auf. 192 Milliarden Dollar weniger, verkündet sein Schnabel. Eine Schnapsidee? Ein Grund für Schnappatmung? Nur für Schnappschwänze und Schnäppchenjäger. Aber die zählen für ihn nicht, denn er zählt sich nicht zu ihnen. Er ist schließlich Donnie »The Snapper«, und während sie im Westen nach Luft schnappen, schnäbelt er im Osten Steaks mit Säbelscheichs.
Trump beim Papst, Gott beim Therapeuten. Und Melania, was macht die? Greift beim Ausstieg aus dem präsidialen Himmelsfahrzeug in Rom nicht nach der Hand, die Donnie ihr reicht. Ein Skandal? Ach was, ein christliches Gebot! Eine im Jahr 2017 in einer heiligen Stadt erbrachte Referenz auf Johannes 20,17, ihr ganz persönliches noli me tangere.
Nur so ein Gedanke … Ein Schriftsteller lebt in Fiktionen und lässt sie mit seinen Worten zu Realitäten werden. Donald Trump lebt in der Realität und macht mit seinen Worten Fiktionen daraus.
Donald Trump ist ein Dollarscheinheiliger.
Trump beim G-7 Gipfel in Sizilien. Es ist sein erster Auftritt beim Treffen der sieben ehemals wichtigsten Industrienationen. Das unausgesprochene Motto lautet: Trump gegen die anderen. Wobei die anderen schon glücklich sind, dass sich Trump überhaupt mit ihnen abgibt. Frankreichs Präsident Macron erklärt jedenfalls, er sei froh, dass Trump ihre Argumente in der Klima- und Handelspolitik angehört hat. Nur wird das nicht viel bringen. Trump kann mit der Rationalität anderer Leute nichts anfangen. Und das bisschen, was er versteht, merkt er sich nicht. Trumps Aufmerksamkeitsspanne ist kürzer als die durchschnittliche Amtszeit italienischer Ministerpräsidenten. Was bei Trump links reingeht, ist rechts schon wieder draußen. Der Mann hat ein Gehirn wie ein Sieb, da bleibt nicht mal eine Insel von der Größe Siziliens drin hängen. Die Folge: Trump widersetzt sich den Forderungen der anderen. Den Rest ignoriert er. Die alte Einheit der G7 bröckelt. Statt zu siebt ist man jetzt zersiebt.
Wieder zu Hause. Verdammte Europäer! Bin froh, dass der Atlantik zwischen mir und denen liegt. Immerhin, hab eine neue Idee, was Mexiko betrifft. Werde den Mauer-Plan aufgeben und den Golf von Mexiko verlängern lassen. Aufbruch zu neuen Ufern, Durchbruch bis zum Pazifik. Diese Europäer werden schon sehen, was Inselationismus heißt.
(Aus: Donald Trump, Tagebuch , unveröffentlicht.)
Eine kleine Statistik der Statisten: Bisher hat Donald Trump in seiner Funktion als Präsident rund 1.300 Personen getroffen. Unter ihnen waren mehr Geschäftsleute (273) als republikanische Politiker (258). 79 % seiner Dates hatte er mit Männern, die wiederum zu 80 % weiß waren. Bei Golfbällen lag diese Quote sogar bei 100 %.
Merkel hält Trump für unzuverlässig.
Melania hält ihn für unverlassbar.
Trump selbst hält sich für unverletzlich.
Und ich? Ich halte ihn für unerlässlich.
Für dieses Tagebuch, dessen Ende ich mir unablässig wünsche.
Saudi-Arabien will 20 Milliarden Dollar in den USA investieren. Partner vor Ort ist der New Yorker Finanzdienstleister Blackstone. Wie passend: Schwarzer Stein in Mekka, Schwarzer Stein in New York. Und der Vorsitzende der Blackstone Group heißt – wie soll es anders sein – Schwarzman und ist Trumps persönlicher Freund und Berater. Wem das an dunklen Mächten noch nicht genug ist, d. h., wer jetzt noch immer nicht schwarzsieht, dem sei gesagt, dass sich der saudische Kronprinz und Jemen-Kriegstreiber Mohammed bin Salman mit Schwarzman zusammengetan hat und das Investment persönlich mit ihm bespricht. Gute Nacht.
Großer Wahnsinn lässt mittleren Irrsinn wie kleinen Unsinn aussehen, und auch wenn es nicht unmittelbar sinnfällig ist, trägt Trumps stumpfsinnige Politik dazu bei, dass Merkel im Herbst wiedergewählt wird. Im Schatten desjenigen, der wie von Sinnen handelt, schlüpft sie in die Rolle der Besonnenen.
Ein Kreuz macht die Hand, und unter ihr wandern Millionen nach rechts. Sinnlos zu hoffen, sie täten es nicht.
Ohne Pariser ist’s heißer!
(Aus: Donald Trump, Tagebuch , unveröffentlicht.)
Scott proved it again! Scott Pruitt, Chef der amerikanischen Umweltzerstörungsbehörde, hat sich einmal mehr als Idealbesetzung erwiesen und gestern in Washington mit einigen Getreuen den Austritt aus dem Pariser Klimaschutzabkommen gefeiert. Aber nicht irgendwo und irgendwie, sondern mit einem Abendessen in einem furznoblen französischen Restaurant, das den Namen Le Diplomate trägt. Ich hoffe, die Schnecken haben ihm in den Salat geschissen.
Terror in London. Drei Islamisten haben gestern sieben Menschen ermordet. Es ist der dritte Anschlag binnen acht Wochen. Londons Bürgermeister Sadiq Khan hat daraufhin heute Morgen in einem Statement erklärt, dass sich die Menschen in London nicht verunsichern lassen sollen. Er meinte damit aber nicht den Terror, sondern bezog sich mit seiner Aussage explizit auf die anhaltend hohe Zahl an Polizisten in den Straßen. Im Wortlaut heißt es: »Die Menschen in London werden heute und in den kommenden Tagen eine erhöhte Polizeipräsenz feststellen. Das ist kein Grund, alarmiert zu sein – eine der Sachen, die die Polizei und alle von uns tun müssen, ist, dafür zu sorgen, dass wir so sicher sind wie nur möglich.«
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