Liebes Klima, du hast dich verändert. Melania wird immer kälter zu mir. Ich friere Tag und Nacht. Von wegen steigende Temperaturen. Es herrscht Eiszeit! Selbst mein Twitter-Vögelchen ist schon ganz blau. (Aus Donald Trump, Tagebuch , unveröffentlicht.)
Es ist schwer zu sagen, ob ein Land, das pro Jahr 611 Milliarden Dollar fürs Militär ausgibt, ein besonders reiches oder ein besonders armes Land ist. Vielleicht ist es einfach beides. Und noch ein Drittes dazu: ein schizoides, schisszoides, schießzoides Land.
Die Wahl Donald Trumps hat gezeigt, wie groß die Differenz zwischen politischer und kultureller Macht in einer westlichen Demokratie ist. Aber diese Erkenntnis hat auch etwas Gutes, um nicht zu sagen etwas Befreiendes. Sie macht nämlich (hoffentlich!) Schluss mit dem elenden Glauben, dass Schriftsteller, Musiker, Theaterschaffende, Künstler oder sonstige »Kulturintellektuelle« politisch etwas zu sagen hätten. Das haben sie nämlich nicht. Aber das soll mir nur recht sein. Zumal die ganze Angelegenheit auch ihren Witz hat. Denn, dass die Selbstüberschätzung der kulturellen Eliten von einem Mann beendet wurde, der sich mehr als jeder andere selbst überschätzt und mit Kunst und Kultur nichts, aber auch gar nichts am Hut hat, zeigt, dass die Ironie der Geschichte unter dem gegenwärtigen Getrumpel am besten gedeiht.
Es gibt keine Entwicklung in diesem Tagebuch. Es ist eine Coming-of-Page-Geschichte, die jeden Tag aufs Neue beginnt.
USA vs. Nordkorea, Trump gegen Kim Jong-un, Frisur 1 gegen Frisur 2. Der Tag der Entscheidelung naht. Dem Seitenscheidel sind alle Mittel recht, und der Mittelscheidel erklärt, sich von seiner schlimmsten Seite zu zeigen. Wer verliert, wird frisiert. Der andere nimmt den Hairway to Heaven.
Die deutschen Reformatoren heißen Luther und Melanchthon, die amerikanischen Mnuchin und Cohn. Ihre Kirche ist die Finanzindustrie, ihr Katechismus das Steuergesetz. Für die Präsentation ihrer Thesen aber brauchten sie heute nur ein einziges Blatt. Ihre einfältige Trinitätslehre definiert sich als: »Wachstum, Jobs und Profite«, und das Heil findet sich nicht oben im Himmel, sondern unten, in den niedrigen Abgaben. Firmen sollen in Zukunft jedenfalls statt 35 % nur noch 15 % Unternehmenssteuer bezahlen und können ihre Gewinne aus Auslandsgeschäften gleich mit verrechnen. Wenn alles so kommt wie geplant, würden Trump und andere Milliardäre massiv entlastet werden. Aber das hat seinen Sinn. Die Sachs’schen Goldmänner wissen, wem sie ihre Karriere verdanken. Ihr Wittenberg heißt Washington, ihr Glaube buchstabiert sich als Gier.
Alle berichten über meine 100 ersten Tage und wie chaotisch, verrückt und aufregend sie waren. Aber niemand schreibt über meine 100 letzten Nächte, und dass ich sie in trauriger Einsamkeit verbracht habe. Überall nur noch Fake, nirgends mehr Fuck News. Ungerecht!
(Aus: Donald Trump, Tagebuch, unveröffentlicht)
In den USA hat die Umweltschutzbehörde EPA ihre eigenen Analysen zum Klimawandel aus dem Netz genommen. Sie werden, so heißt es, überarbeitet. Draußen, vor dem klassizistischen Riesengebäude der EPA, fernab der gut gekühlten Räume, in denen die frisch geleerten Server stehen, überarbeitet der Klimawandel unterdessen die Realität. Für Washington D. C. werden morgen 28 Grad erwartet, und auch danach wird’s nicht kühler. Die monatliche Durchschnittstemperatur für den April liegt schon jetzt bei knapp 18 Grad. Das ist ein Grad über dem bisherigen Höchstwert aus dem Jahr 1994. Und außerhalb der Hauptstadt sieht’s nicht anders aus. Die ganze Ostküste schwitzt. Überall purzeln die Rekorde in die Höhe.
Die US-Demokraten setzen auf die Macht von Graswurzelbewegungen beim Widerstand gegen Trump und bei der Erneuerung der eigenen Partei. Unterdessen steigen die Verkaufszahlen für Rasenmäher im ganzen Land stark an, und ein Ende dieser Entwicklung ist nicht in Sicht. Laut der Studie Power Lawn & Garden Equipment Market in the U.S. der Freedonia Group wird die Zahl der Rasenmäher bis 2021 »signifikant wachsen«.
Trump will heute mit Putin am Telefon sprechen. Wie ist das möglich? Gelten Telefonate zwischen zwei Egomanen nicht eigentlich als Selbstgespräche?
Nach über einhundert Tagebucheinträgen ist es mir endlich gelungen, eine definitive Definition der USA zu liefern. Also: Die USA sind ein Land, in dem die Gouverneure reich sind und irgendwie immer machen, was sie wollen. Sie sind Repukraten oder Demokaner, sehen aus, als seien sie einer Simpsons -Folge entsprungen, besitzen dutzende Firmen, haben früher mal viel Sport gemacht und später den Geruch von Schweiß als Basketballtrainer genossen, essen gern Mayonnaise-Sandwiches und geben ihren Kindern Namen wie Jay und Jill, weil sie heimlich Alliterationen lieben und sich selbst Jim Justice nennen, auch wenn die Leute in ihrem Bundesstaat häufiger als irgendwo sonst im Land an Gewalt und Drogen sterben, aber hey, das ist das Leben, das ist Amerika, aber das ist okay …
Barack Obama schreibt ein Buch.
Hillary Clinton schreibt ein Buch.
Ivanka Trump schreibt ein Buch.
Ich schreibe – kein Buch.
Ich schreibe nur Tagebuch.
Ich schreibe, wie andere Bücher schreiben.
Ich bin ein Mann fremden Geletters.
Ich bin ein Schrifthintenansteller.
Ich bin ein von den Tagen Entlöhnter.
Die Republikaner im Repräsentantenhaus haben entschieden: Obamacare soll in Teilen abgeschafft werden. Die Versicherer dürfen künftig älteren Menschen höhere Beiträge aufbürden als jungen, der Schutz für Patienten mit Vorerkrankungen wird deutlich beschnitten, das Budget des Gesundheitsfürsorgeprogramms für sozial Schwache massiv zusammengekürzt und stattdessen Steuererleichterungen für Besserverdienende eingeführt. Die Abstimmung war denkbar knapp. Die 193 Demokraten haben komplett dagegen gestimmt, 20 Republikaner haben sich ihnen angeschlossen, ein Republikaner war nicht da, und vier Sitze im Haus sind vakant. Am Ende hieß es 217:213 für die Republikaner. Ob ihre Vorlage im Senat durchkommen wird, ist allerdings offen. Es ist noch nicht mal sicher, ob sie dort überhaupt angenommen wird. Zwar haben die Republikaner im Senat die Mehrheit, inzwischen aber eine Vielzahl eigener Reformvorschläge erstellt, die seit Wochen über die Flure geistern. Ob sich einer von ihnen in den Hinterzimmern der Macht zu einer Gesetzesvorlage auswächst, die anschließend im Senat eine Mehrheit bekommt, weiß niemand zu sagen. Die Demokraten aber sind sich einig: Was immer die Republikaner machen, wird den Gesundheitsschutz von Millionen Menschen schwächen und dazu führen, dass viele ihre Krankenversicherung verlieren. »Ich habe in meinem ganzen Leben noch nie einen solchen politischen Selbstmord gesehen«, sagte eine demokratische Abgeordnete, die passenderweise Louise Slaughter heißt.
Das Weiße Haus hat heute ein Foto veröffentlicht, das zeigt, wie Trump mit den republikanischen Vertretern des Repräsentantenhauses und Mitgliedern seiner Regierung den gestrigen Abstimmungssieg feiert. Das Bild wurde im Garten des Weißen Hauses aufgenommen. Trump steht am Rednerpult, dreht sich zu den hinter ihm wartenden Republikanern um und breitet die Arme aus, um zu zeigen: Ich hab’s geschafft! Die Republikaner heben den Daumen, lachen und jubeln ihm zu. Auf dem Foto sind 49 Männer und 1 Frau zu sehen. Aber die ist vom Vizepräsidenten verdeckt. Die Zahl der Afroamerikaner auf diesem Bild beträgt null.
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