Das Blau deiner Füße, Geliebter
»Liebst du mich eigentlich noch?«
»Dumme Frage! Natürlich liebe ich dich noch.«
»Aber das zweite Ei, das du gelegt hast, war so viel kleiner als das erste …«
»Na ja, deine Füße waren ja auch nicht mehr so blau …«
»Also liebst du mich nur wegen meiner Füße und nicht wegen meiner schönen Seele?«
»Klar mag ich das Blau deiner Füße, Geliebter, und wie du sie mir beim Balzen entgegenstreckst! Das ist nun mal das Reiz-Reaktions-Schema unserer Spezies, wenn wir uns paaren … aber deine schöne Seele liebe ich natürlich auch.«
»Aber gesprochen hast du wieder nur von den Füßen …«
»Nun hör mal, das verstehst du doch bestimmt. Als Mutter muss man schließlich für seinen Nachwuchs vorsorgen! Du könntest dir doch inzwischen Parasiten eingefangen haben … oder dein Ernährungszustand ist vielleicht schlechter geworden …« Sie blickte nach unten. »Und deine Füße sind wirklich nicht mehr so blau, wie sie mal waren, das musst du zugeben. Eher so … blass graublau.« Ihr Blick wurde noch ein wenig kritischer, bevor sie nach einer unmerklichen Pause hinzufügte: »Aber wie du schon ganz richtig gesagt hast: Darauf kommt es ja nun wirklich nicht an. Hauptsache, wir lieben uns, und das tun wir doch, oder nicht?« Und damit pickte sie noch einmal geistesabwesend nach ihm, ehe sie sich umwandte und davonwatschelte, um auf Nahrungssuche zu gehen.
Als sie außer Sichtweite war, seufzte er ein paarmal tief und tauchte seine Füße dann unauffällig einen nach dem anderen in die nächste Pfütze, um den Kreidestaub abzuwaschen, mit dem er sie sich heller gefärbt hatte. Plötzlich kam ihm diese Idee ziemlich dumm vor. Ach, hätte er doch nur auf seine Kumpels gehört!
»Was ist denn schlimm daran, wenn ein Mädel vor allem deine Füße liebt?«, hatten sie gefrotzelt, als sie sich beim Fischfang über dieses Thema unterhielten. »So ist das nun mal auf der Welt: Wenn einer blaue Füße hat, dann kriegt er auch die Weiber. Und was haben wir? Richtig: Blaue Füße! Also, wo ist da das Problem?« Wie recht sie damit hatten! Und wer war er denn, ihnen zu widersprechen?
Jetzt noch ein bisschen mit den Zehen gewackelt, damit auch die Schwimmhäute dazwischen richtig sauber wurden. So, jetzt würde seine Liebste nichts mehr an ihm auszusetzen haben! Schöne Seelen wurden ohnehin sehr überschätzt …
Mit einem wehen Gefühl im Herzen und nun wieder blitzeblauen Füßen schlurfte er zum Nest zurück, um die beiden so ungleichen Eier zu bebrüten, die sie ihm vor und nach seinem unseligen Experiment geschenkt hatte. Dabei fühlte er sich mehr denn je wie ein Blaufußtölpel – was er ja schließlich auch war.
Von: »Karl-Ulrich Burgdorf«
Betreff: Fröhliche Weihnachten!
Datum: 24. Dezember 2016 12:00:07 MESZ
An:
Liber uhli,
ecclés gerate inn alleruhr dee finnegans=wehg=toyle fhumber schäms=scheuß=beeogravie (nathürleck maird anschloisender ausfuhrlechzer pipiloografih!) dèz ritschart helman – main chatt, detzis jaahr fuerwahn ui zick=ill vonan boork! Wass dwars alls ondtheld! Obtouse kæhnst?
Frôlicke weinnachen & a liffey noce yeahr winscht tir so, rhein oberjoyced
tyne kahn=u
Pest Scrotum ain=s: Ärgst memel ohnmaas, dann ach! wættaar eyeskald.
PeeS zwhy: Ahnbay märene anlaken.
Von: »Karl-Ulrich Burgdorf«
Betreff: Fröhliche Weihnachten?
Datum: 24. Dezember 2016 19:10:47 MESZ
An:
Scheitze! Bay Anna Livia, ij drau nock duck! Jetze ise main komm!Puter scheun dätz zwittau mail von sommem gardnet neissen schäms=scheuß=wieruß befoulen fjorden! Todtales phäsaken vann fierwohl & viehrennskenner! Allier mulde wörnitz und wiedhau nicks! DILL IT!!! Unz schone geiht dese jangtse techst wiedhau ijnmail »übel-sätzt« ahrn Deich!
Münster, 24.12.2016, spät abends
Lieber Uli,
wahrscheinlich wirst du einigermaßen verwundert gewesen sein, als meine erste E-Mail auf Heiligabend bei dir eintraf. Du kannst mir glauben: Ich war nicht weniger verblüfft, als ich auf »Senden« geklickt habe und sich der Text vor meinen Augen in das verwandelt hat, was dann hinterher bei dir ankam! Kurz gesagt, hat mein Computer sich offenbar den James-Joyce-Virus eingefangen. Als Literaturfreund wirst du sicherlich schon davon gehört haben: Hat man bestimmte Schlüsselworte eingegeben – James Joyce, Ulysses, Finnegans Wake, Anna Livia Plurabelle oder sogar nur den Namen des James-Joyce-Biografen Richard Ellmann – dann übersetzt dieser Virus den gesamten Text in eine Art »Joyce-Sprech«, sobald man bei einer E-Mail auf »Senden« und bei einem Brief auf »Speichern« oder »Ausdrucken« klickt. Wobei ich im Übrigen der Auffassung bin, dass dem Programmierer dieses verfluchten Virus auch eine gehörige Portion Arno Schmidt und ein bisschen Alfred Jarry mit in sein Übersetzungsprogramm hineingerutscht ist … aber das nur am Rande.
Natürlich habe ich sofort versucht, den Virus mithilfe des aktuellsten Virenscanners, den ich im Internet finden konnte, wieder von meiner Festplatte herunterzubekommen. Geklappt hat es leider nicht, wie du an meiner zweiten E-Mail erkennen kannst.
Folglich bleibt mir jetzt bloß noch eine einzige Möglichkeit: nämlich, dir ganz altmodisch mit der Schreibmaschine (!) einen Brief zu schreiben, den ich dann zum Briefkasten trage und mit der Schneckenpost abschicke, sodass er dich wahrscheinlich irgendwann zu Silvester erreichen wird. Das, was in den beiden E-Mails steht, werde ich allerdings nicht noch einmal im Klartext wiederholen. Ich denke, du bist James-Joyce-erfahren genug, um es auch so zu dechiffrieren, vulgo: in verständliches Deutsch zurück zu übersetzen (»übel-sätzen«).
Ich hoffe, du hattest ein schöneres Weihnachtsfest als ich!
Dein
Karl-Ulrich
P. S.: Aber wenn ich den Dreckskerl erwische, der diesen Virus programmiert hat, dann wird er auf eine ganz und gar nicht plurabelle Art und Weise erfahren, warum das Buch in der deutschen Übersetzung von Dieter Stündel »Finnegans Wehg« heißt!
mönsterlandsk platt van Hannes Demming
So, Hiärm, nu geit mi van dienen besten Dubbelkorn äs üörndlick enen in! Nä, nich so’n minn Pinnken! Niëhm män forts en richtigen Hüüldopp orre, no biätter, dat Waterglas dao! Dann vertell ick di, wat mi up den Weg nao hierhen passeert is, un ick kann di säggen: Sowat häs du silliäwe no nich haort.
Also: Ick gaoh aohne Arg an den Kamp van den aollen Tönne Farwick längs; meteens häör ick in de Lucht so’n gediegen Geluud: en fien Brummen, äs wäör en helen Imm unnerweggens, blaots dat et dao jä gar keine Immen mähr giëwen kann, sietdem dat Tönne sienen Mais alltied met düt nieë Pestizid besplentert. Un äs’k nao buowen kiekem wat seih ick dao? En … Ding, dat blänkert un schiëmert un kümp ümmer daiper un daiper. Ick denk: Dat sall wull ene van düsse niemodernen Drohnen sein, de vandage üöwerall harümflaigt. Aower Pustekoken! Dat was keine Drohne, dat was en echt flaigend Unnerschäölken, äs m’ iähr uut Filme un uut’t Färnseihen kennt. Un de lannde direkt vüör mi up den Patt. Naja, »lannen« is vlicht nich de päössige Uutdruck. Eenfack in de Lucht staohnbliëwen is et, äs wäör’t uphangen an en Faam, den m’ nich seihn kann. Jä, un dann geiht buowen an den runnen Dack van dat Dingen ‘ne Klappe up, un drei lüttke, gröne Kärlkes stiegt uut un smiet’t sick up den Rand von dat flaigend Unnerschäölken vüör miene Augen in Posentur: diärtig Zentimeters haug, Klöör äs en Kohschiëtt orre, wann’k en lück vüörneihmer küern sall, äs den Wackelpeter met den künstlicken Ruukmüsekensmack, den wi fröher sunndags van Moder äs Naoiätsel kregen. Vader moch den pattu nich, aower wi fief Blagen häbt us ümmer üm siene Portion fochten.
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