Claudia Spahn
Lampenfieber
Claudia Spahn
Lampenfieber
Handbuch für den erfolgreichen Auftritt
Grundlagen • Analyse • Maßnahmen
HENSCHEL
Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek
Die Deutsche Bibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen
Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.ddb.deabrufbar.
E-Book ISBN: 978-3-89487-821-4
© 2012 by Henschel Verlag in der Seemann Henschel GmbH & Co. KG, Leipzig
Die Verwertung der Texte und Bilder, auch auszugsweise, ist ohne Zustimmung des Verlags urheberrechtswidrig und strafbar. Dies gilt auch für Vervielfältigungen, Übersetzungen, Mikroverfilmungen und für die Verarbeitung mit elektronischen Systemen.
Lektorat: Anja Herrling
Umschlaggestaltung: Ingo Scheffler, Berlin
Titelabbildungen: links: eine geschäftliche Vortragssituation,
© Jim Craigmyle/Corbis; rechts: Szenenfoto aus »Der blaue Engel«
(P. Turrini), Insz. am Theater am Kurfürstendamm, Berlin (2011),
© Cinetext C/P
Satz und Gestaltung: Das Herstellungsbüro, Hamburg
E-Book-Herstellung und Auslieferung: Brockhaus Commission, Kornwestheim, www.brocom.de
www.henschel-verlag.de
www.seemann-henschel.de
Inhalt
Vorwort
Grundlagen
Was ist Lampenfieber?
Was passiert bei Lampenfieber?
Warum tritt Lampenfieber auf?
Wie kann sich Lampenfieber äußern?
Wie verläuft Lampenfieber?
Wie häufig ist Lampenfieber?
Analyse
Welche gesellschaftlichen Faktoren beeinflussen Lampenfieber?
Welche individuellen Faktoren beeinflussen Lampenfieber?
Welche situativen Faktoren beeinflussen Lampenfieber?
Maßnahmen
Was kann ich im Umgang mit Lampenfieber erreichen?
Wie kann ich mein Lampenfieber optimieren?
Grundeinstellungen zum Lampenfieber
Ansätze im Überblick
Selbstreflexiver Ansatz
Körperbezogene Ansätze
Kognitive Ansätze
Mentale Ansätze
Settingbezogene Ansätze
Kreative Ansätze
Welche Ansätze im Umgang mit Lampenfieber helfen mir in meiner Situation?
Programmerstellung
Risiken
Phasen in der Lebenszeitperspektive
Kindheit und Jugend
Studium
Berufsjahre
Übungen
Übungen zum Warm-up
Übungen zur Aufrichtung
Übungen zur Bühnenpräsenz
Übungen zur Spannungsregulation
Interview mit Gerd Heinz
Literaturverzeichnis
Über die Autorin
Vorwort
Dieses Buch zum Thema Lampenfieber ist ein Handbuch in mehrerlei Hinsicht: ein handliches Buch aus der Praxis für die Praxis, eine Handreichung für Ratsuchende, ein Begleiter in der eigenen Entwicklung auf Bühne oder Podium und ganz grundsätzlich ein Buch, das man gerne zur Hand nehmen möge. Es richtet sich an alle, die sich mit Lampenfieber auseinandersetzen wollen, sei es vor einem professionellen Auftritt auf Bühne oder Podium oder vor der Festrede auf einer Familienfeier.
Mit Blick auf die praktische Umsetzung werden im ersten Teil des Buches die wissenschaftlichen Grundlagen des Lampenfiebers in verständlicher Form vermittelt. Diese Kenntnisse ermöglichen es, dass wir Lampenfieber als normales und sinnvolles menschliches Phänomen verstehen und in der Lage sind, darüber nachzudenken. Das Ziel sollte sein, Lampenfieber so optimal einzustellen, dass es unsere Bühnenpräsenz und Konzentration verbessert. Welche Faktoren hierbei eine Rolle spielen, wird aus den Blickwinkeln des gesellschaftlichen Hintergrunds, der Person des Auftretenden und des Bühnensettings im zweiten Kapitel analysiert. Im gesamten Buch finden sich Beispiele, welche die Erlebnisse unterschiedlicher Personen und Auftrittssituationen anschaulich wiedergeben.
Ein Schwerpunkt liegt hierbei auf den Berichten von Bühnenkünstlern wie Sängern, Musikern und Schauspielern. Dieser Fokus entsteht naturgemäß aus der Tatsache, dass die genannten Berufsgruppen über eine ganz besonders intensive Erfahrung im Umgang mit Lampenfieber verfügen. Alle, die in ihrem Leben unter anderen Bedingungen oder in ganz privatem Rahmen auftreten, können von diesen Erfahrungen profitieren.
Das vorliegende Handbuch gibt Ihnen als Leser eine klare Orientierung im persönlichen Umgang mit Lampenfieber und lässt Ihnen gleichzeitig eigenen Gestaltungsspielraum in der Nutzung der vielfältigen Ansätze und Übungen, die im Kapitel »Maßnahmen« enthalten sind.
Persönliche Einblicke in die Welt von Schauspiel, Film und Oper gibt uns abschließend der erfahrene Schauspieler, Regisseur und Hochschullehrer Prof. Gerd Heinz in einem Interview.
Wenn Sie die Lektüre des Buches über alle anwendungsbezogenen Überlegungen hinausgehend auch einfach genießen können, so würde mich dies als Autorin ganz besonders freuen.
Claudia Spahn Freiburg im Januar 2012
Grundlagen
Was ist Lampenfieber?
Eine der ältesten literarischen Quellen, in der die Aufregung eines Vortragenden zu Beginn einer Rede beschrieben ist, findet sich 55 v. Chr. bei Marcus Tullius Cicero in seiner Schrift »Über den Redner« (»De oratore«). Hier hören wir aus dem Munde des Redners Lucius Licinius Crassus: »Was mich betrifft, so stelle ich gewöhnlich bei euch fest und mache auch an mir selbst sehr oft die Erfahrung, dass ich bei den ersten Worten einer Rede vor Angst erbleiche und von ganzem Herzen und an allen Gliedern bebe …« (Cicero, 2007, S. 58).
Die Situation, sich vor anderen Menschen zu exponieren, löst in uns allen ein ähnliches Programm aus. Wir spüren dies durch eine erhöhte Körperspannung, eine stärkere Konzentration und Aufmerksamkeit sowie durch ein intensiviertes Gefühlserleben. Es handelt sich dabei um einen ganz eigenen, besonderen Zustand, in dem wir uns sonst kaum befinden. Jeder Mensch erlebt diesen im Laufe seines Lebens, denn Präsentationssituationen wie Referate in der Schule oder Reden und Ansprachen bei festlichen Anlässen sind fester Bestandteil unserer Kultur. Darüber hinaus gibt es Berufsgruppen, die sich regelmäßig und in besonderer Weise vor anderen exponieren und deshalb umfangreiche Erfahrungen im Umgang mit Auftrittssituationen erwerben. Zu diesen zählen insbesondere Künstler in den Bereichen Musik, Schauspiel und Tanz, aber auch in Kommunikationsberufen Tätige wie Lehrer, Pfarrer, Journalisten, Manager, Politiker u.a. Entsprechend verschieden können auch die Auftrittsorte sein: vom Besprechungs- und Klassenzimmer über einen Hörsaal oder eine Kirche bis hin zur Bühne eines Konzertsaals oder Theaters. Ähnlich variabel ist die Zahl und Zusammensetzung der Zuschauer und Zuhörer.
Als eigener Begriff für den bereits bei Cicero beschriebenen Zustand tauchte im 19. Jahrhundert der Begriff »Lampenfieber« im deutschen Sprachraum auf. Etymologisch entstand er aus dem Wort »Lampen«, welches im 13. Jahrhundert aus dem französischen Wort lampe für Beleuchtungsmittel entlehnt wurde, und dem Wort »Fieber«, womit eine »fieberhafte Körperreaktion« gemeint war. In der zusammengesetzten Wortbedeutung beschreibt damit »Lampenfieber« den Zustand, der sich unter der Beleuchtung der »Lampen« auf der Bühne einstellt. Im »Etymologischen Wörterbuch« (Kluge, 1989) finden wir den Eintrag: »Aufregung vor dem öffentlichen Auftreten«.
»Lampenfieber« hat sich bis heute in unserem Sprachgebrauch erhalten. Äquivalente Bezeichnungen sind im Spanischen fiebre de candilejas, im Italienischen febbre della ribalta, im Französischen le trac sowie im Anglo-Amerikanischen stage fright. Die spanische Bezeichnung bezieht sich – wie der deutsche Begriff – direkt auf die Bühnenlampen (candilejas), die italienische auf die Bühne bzw. die Rampe selbst (ribalta). Der französische Begriff soll sich vom Verb traquer ableiten, was »jemanden jagen bzw. hetzen« bedeutet; in der Jägersprache heißt es entsprechend traquer un animal, »ein Tier treiben oder umstellen« (Le Corre, 2006). Kurt Tucholsky griff unter seinem Pseudonym Peter Panter in einem Artikel mit dem Titel »Lampenfieber«, den er 1930 für die Weltbühne verfasste, diesen französischen Begriff auf und formulierte: »Lampenfieber heißt ›trac‹ auf französisch. Der kleine zuckende Laut gibt den Peitschenschlag der Nerven gut wieder (…)«. Die englische Bezeichnung stage fright akzentuiert neben dem Begriff der Bühne den Schrecken und die Angst.
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