Die Soldaten des Pyrrhos waren teils aus angeborener Raubsucht, teils weil sie als Bundesgenossen kamen, sehr aufs Plündern erpicht, zumal sie nur zuzugreifen brauchten und nichts dabei zu fürchten hatten.
Die Epiroten, unwillig darüber, dass sie, unter großen Hoffnungen ausgezogen, nichts als Anstrengungen hatten, plünderten selbst in Freundesland und leisteten dadurch der Sympathie für die Römer großen Vorschub. Denn die Bewohner Italiens, welche der Partei Pyrrhos’ beigetreten waren, wurden ihm entfremdet, da sie sahen, dass sie ohne Unterschied das Gebiet der Verbündeten wie der Feinde verheerten; denn sie richteten ihr Augenmerk mehr auf das, was Pyrrhos tat, als auf das, was er verhieß.
Pyrrhos fürchtete sehr, von den Römern in unbekannten Gegenden eingeschlossen zu werden, 24und als sich seine Bundesgenossen darüber aufhielten, sagte er, er sehe an dem Land selbst, wie weit sie von den Römern abstünden, denn das jenen unterstehende Land habe allerlei Bäume, Weinpflanzungen und kostbare Landbauarbeiten, das seiner Freunde aber sei so verheert, dass man ihm nicht einmal ansehe, dass es jemals bewohnt worden sei.
112. Als er bei seiner Rückkehr das Heer des Laevinus weit stärker als das frühere sah, meinte er, die niedergehauenen Heere der Römer wüchsen wie die der Hydraköpfe wieder nach. Er wagte deshalb keine Schlacht, stellte sich zwar in Schlachtordnung auf, griff aber nicht an.
113. Auf die Nachricht, dass der Gefangenen wegen Gesandte kämen und sich unter diesen Fabricius befinde, schickte er ihnen, um sie vor Misshandlungen der Tarentiner zu schützen, bis an die Grenzen eine Bedeckung entgegen und holte sie dann noch in Person ein. Er führte sie in die Stadt, bewirtete sie herzlich und behandelte sie sehr zuvorkommend; indem er hoffte, sie würden um Frieden bitten und Bedingungen, wie sich von Besiegten erwarten ließ, annehmen.
Als aber Fabricius erklärte: »Die Römer haben uns gesandt, um die Rückgabe der in der Schlacht Gefangenen zu unterhandeln und für sie ein Lösegeld zu zahlen, über welches beide Teile übereinkommen würden, war er sehr verlegen, weil er nicht sagte, sie kämen, um Friedensanträge zu stellen. Er ließ sie abtreten und beriet sich mit seinen Vertrauten, die er beizuziehen pflegte, über die Rückgabe der Gefangenen, hauptsächlich aber über den Krieg und die Führung desselben, ob er ihn mit aller Macht verfolgen oder auf irgendeine Weise […] – »[…] 25zu richten und in ungewisse Kämpfe und Schlachten zu stürzen. Deswegen, Milo, folge mir und meinem erfahrenen Rat, und wende überall, wo es angeht, lieber Weisheit als Gewalt an. Denn Pyrrhos versteht alles, was zu tun ist, aufs Beste und braucht nicht erst von uns darauf gebracht zu werden.« So sprach er, und alle stimmten ihm zu, besonders da sie auf diesem Wege weder zu Schaden noch in Gefahr kamen, auf dem anderen aber beides zu befürchten hatten. Auch Pyrrhos war dieser Ansicht und sprach zu den Gesandten: »Weder habe ich euch früher willentlich bekriegt, Römer, noch tue ich es jetzt. Es ist mir alles an eurer Freundschaft gelegen, und deshalb entlasse ich die Gefangenen alle ohne Lösegeld und schließe Frieden.« Hierauf bezeigte er ihnen noch besonders alle Auszeichnung, damit sie ihm geneigt würden oder wenigstens den Frieden daheim bewirken möchten.
Pyrrhos suchte nicht nur die anderen für sich zu gewinnen, sondern besprach sich auch mit Fabricius auf folgende Weise: »Ich brauche nicht länger mit euch Krieg zu führen, Fabricius; ja ich bereue sogar, dass ich mich von Anfang an von den Tarentinern bereden ließ, hierher zu kommen, obgleich ich euch in einer großen Schlacht besiegt habe. Ich wünschte nun aller Römer Freund, vorzüglich aber der deinige zu werden, denn ich habe in dir einen äußerst wackeren Mann gefunden. Ich bitte dich nun, mir den Frieden zu bewirken und mir dann nach Hause und nach Epirus zu folgen. Denn ich habe einen Feldzug gegen Griechenland vor und bedarf deines Rates und deines Feldherrntalents.«
Fabricius erwiderte: »Ich lobe es, dass du den Feldzug bereust und Frieden wünschst, auch werde ich dir, wenn er uns nützt, dazu behilflich sein; denn gegen mein Vaterland zu handeln, wirst du von mir als einem wackeren Mann, wie du mich nennest, nicht verlangen. Einen Rat und Feldherrn nimm dir aber nicht aus einem Freistaat 26, ich wenigstens habe auch keine Muße dazu. Ich nähme auf keinen Fall dergleichen an, weil es überhaupt nicht ziemen will, dass ein Gesandter Geschenke nimmt. Ich frage dich nun, ob du mich für anständig hältst oder nicht? Denn wenn ich schlecht bin, wie achtest du mich dann der Geschenke würdig? Wenn ich aber anständig bin, wie mutest du mir deren Annahme zu? Wisse denn, dass ich sehr viel besitze und mehr nicht bedarf, denn mir genügt, was ich habe, und ich begehre auch des Fremden nicht. Wenn du dich auch für noch so reich hältst, so bist du doch bitterarm; denn du hättest nicht Epirus noch deine anderen Besitzungen verlassen und wärest hierher übergesetzt, wenn dir jenes genügte und du nicht nach mehr begehrtest. Wenn einer so geartet ist und nimmer satt werden kann, so ist er der ärmste Mann. Warum? Weil er nach allem, was er nicht hat, wie nach einem notwendigen Besitz giert, als ob er ohne Selbiges nicht leben könnte. Wie gerne möchte ich dir, der du dich meinen Freund nennst, von meinem Reichtum abgeben, denn er ist viel zuverlässiger und unsterblicher als der deinige; ihn beneidet, ihn belauert kein Volk, kein Tyrann, und was das Schönste ist, je mehr ich davon abgebe, desto mehr nimmt er zu. Und worin besteht derselbe? Im freudigen Genuss dessen, was man hat, als hätte man an allem Überfluss; in der Enthaltung von Fremdem, als ob es großes Unglück brächte [es zu nehmen]; darin, dass ich niemandem Unrecht, vielen aber Gutes tue, und in tausend anderen Dingen, deren Aufzählung ermüden würde. So wollte ich lieber, wenn mir die Wahl nicht bliebe, durch fremde Gewalt als durch Selbstbetrug zugrunde gehen; denn das eine verlangt oft so das Geschick, das andere geschieht aus Betörung und schmutziger Habsucht. Daher ist es mir noch immerhin lieber, durch die Gewalt höherer Mächte als durch eigene Schlechtigkeit zu fallen; denn in jenem Fall wird der Leib besiegt, in diesem geht auch die Seele mit zugrunde. So wird einer gewissermaßen Selbstmörder, weil er, wenn er sich nicht daran gewöhnt, sich mit dem Vorhandenen zu begnügen, in eine unersättliche Habsucht verfällt.«
114. Und ließen sich aufs Willigste zum Kriegsdienst einschreiben, indem jeder glaubte, was er für sich unterlasse, würde zum Verderben des Vaterlands den Ausschlag geben. Solcher Art ist die Rede und hat solche Kraft, dass sie jene anderen Sinnes machte, mit Hass und Kampfeslust gegen Pyrrhos erfüllte und für die Zurückweisung der Geschenke stimmte.
115. Als der Redner Kineas, welcher von Pyrrhos als Gesandter nach Rom geschickt worden war, bei seiner Rückkehr von dort nach dem Glanz der Stadt Rom und anderem befragt wurde, antwortete er, er habe die Vaterstadt vieler Könige gesehen, indem er damit andeutete, dass alle Römer solche Männer seien, wie er selbst (Pyrrhos) bei den Hellenen seiner Vorzüge wegen geschätzt würde.
116. Wessen Selbstvertrauen unvermutet geschmäht wird, der verliert auch an leiblicher Stärke.
Pyrrhos ließ Decius sagen, dass es ihm, wenn er dies vorhätte, d.h. ohne gefangen zu werden, sich töten zu lassen, es ihm nicht gelingen werde, und er fügte die Drohung hinzu, dass er, wenn er lebendig gefangen werde, eines schimpflichen Todes sterben müsse. Die Konsuln erwiderten, dass sie einer solchen Tat nicht bedürften, denn auf jeden Fall würden sie auch ohne eine solche Tat mit Pyrrhos fertig werden.
117. Als die Lager des Fabricius und des Pyrrhos einander gegenüberstanden, kam bei Nacht ein Arzt oder ein höherer Hofbeamter des Königs zu Fabricius und erbot sich, Pyrrhos durch Gift aus dem Wege zu schaffen, wenn er von ihm eine gewisse Geldsumme erhalten würde. Fabricius aber verabscheute das Anerbieten und schickte ihn Pyrrhos gebunden zu. Pyrrhos soll, voll Bewunderung über diese Tat, ausgerufen haben: »Dies ist Fabricius und kein anderer, den man schwerer von seiner angestammten Tugend als die Sonne von ihrer gewohnten Bahn abbrächte. Pyrrhos aber wurde, nachdem er alles aufs Spiel gesetzt hatte, gänzlich besiegt.
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