1 ...6 7 8 10 11 12 ...21 Viel später, sie hatten das vom Pulverdampf geschwängerte Schlachtfeld längst hinter sich gelassen, dachte Swearengen oft darüber nach, was letztendlich den Unterschied zwischen den Grausamkeiten der Bürger und denen der Bushwhackers ausmachte. Er fand darauf keine Antwort, weil es keinen Unterschied gab. Die Kriegsmaschine hatte ihre Menschlichkeit zu feinem Staub zermahlen, den der Wind in alle Himmelsrichtungen verwehte.
Im Getümmel des Gefechts hatte er gesehen, wie Bloody Bill Anderson getroffen wurde und stürzte. Kurz entschlossen sprang er vom Pferd und nutzte den staubigen Nebel, der Freund mit Feind verschmelzen ließ, um ihn auf ein anderes Pferd zu ziehen. Im Dunst verwandelten sie sich in geisterhafte Schemen. Nur eine Handvoll Männer entkamen dem Zorn Gottes, der in apokalyptischer Form auf sie niedergegangen war.
Was aus dem Staub ersteht, zerfällt zu Staub …
Jetzt ritt er zusammen mit Jack McCall und dem schwer verletzten Bloody Bill Anderson nach Norden, tief hinein ins verhasste Land der Yankees. Ein anderer Ausweg hatte sich ihnen nie geboten.
Eins war jedenfalls sicher: Bloody Bill würde sterben. Das Blei steckte wie ein abgebrochener Stachel in seinem harten Schädel. Es grenzte an ein Wunder, dass die Kugel den Knochen nicht gänzlich durchschlagen hatte. Anderson spuckte Blut und redete eine Menge wirres Zeug. Dennoch hielt er sich im Sattel. Für den harten Mann war die Wunde kaum mehr als ein lästiger Kratzer.
Die Cox-Miliz folgte ihnen dicht auf den Fersen. Swearengen schlug vor, nach Norden zu reiten. Dort gab es weite, gesetzlose Landstriche, in denen man nicht nach ihnen suchen würde. In den Black Hills hatte man Gold gefunden. Swearengen fand, dass es keinen besseren Platz gab, um unterzutauchen und nebenbei eine Menge Geld zu machen. Das brauchten sie dringend, um ihren Standard zu halten, wie er meinte. Nicht wie die im Dreck wühlenden Goldsucher, die tagein, tagaus bis zu den Hüften im Schlamm standen. Al Swearengen hatte vor, das erbeutete Geld aus dem Centralia-Zug in einen Saloon zu investieren. Alkohol, Nutten und Spiele liefen immer, ganz gleich, wie dreckig es den Menschen ging. Was er vorhatte, sollte größer werden. Er wollte seinen Traum von einem Varieté Theater verwirklichen.
Bloody Bill hob die Hand und stoppte sein Pferd. Er schwankte im Sattel, drohte zu stürzen, fing sich aber, bevor er gänzlich das Gleichgewicht verlor. Anderson spuckte einen Klumpen geronnenes Blut in den Staub und sah sich zu seinen beiden Begleitern um. »Ab hier trennen sich unsere Wege.«
Swearengens Pferd schnaubte, schüttelte sich unter dem kalten Wind. Er strich sich über seinen buschigen Schnauzbart, warf McCall einen fragenden Blick zu und sah zu Bloody Bill. »Dachte, wir reiten zusammen in die Black Hills, bauen uns was auf …«
McCall nickte. »Ja, Mann. Oder wir jagen Indianer. Die verdammten Skalps an unseren Sätteln sind trocken. Zudem zahlen ’ne Menge Leute harte Dollars für Rothautschöpfe.« Was er meinte, waren die Skalps der Unionssoldaten, die sie getötet hatten. Jetzt hingen die vertrockneten Hautlappen wie Trophäen an ihren Sätteln, dienten Maden und Käfern zum Fraß und stanken zum Himmel.
Bloody Bill schüttelte nachdenklich den Kopf. Er trieb sein Pferd an und ritt an Swearengen heran, legte seinem Weggefährten die Hand auf die Schulter, um ihn an sich heranzuziehen. »Wir folgen den Pfaden der Hölle, mein Freund. Dort, hinter den Hügeln, ist der Scheideweg … dort kreuzen sich die Pfade, durchziehen wie kranke Adern das Land, krampfend, verderbend.« Während er sprach, sah er an Swearengen vorbei ins Nichts. »Letztendlich folgt alles einem uns schleierhaften Plan. Joshua Carr, du und selbst McCall sind Rädchen eines ineinandergreifenden Uhrwerks, das unaufhaltsam tickt …«
Swearengen schluckte. Ihm war anzusehen, dass ihm in seiner Haut unwohl war, mit Bloody Bills Lippen an seinem Ohr. Dennoch sprach er ihm zu. »Was immer du willst, Bloody Bill.«
Der packte seinen Kumpan im Genick und sprang mit ihm zusammen aus dem Sattel. Blut spritzte aus Bloody Bills Loch im Kopf, bildete im kalten Staub schwarz schillernde Kügelchen, die der Wind verwehte. Schwer prallten seine Stiefel neben Swearengens Kopf in den Dreck, wirbelten Staub auf, während er sich hinkniete. Er packte ihn mit beiden Händen, riss ihn nach oben und öffnete dessen Mund.
»Empfange die Saat und verzweifle!«, schrie er den vollkommen überraschten Swearengen in Stimmen an. Er öffnete seinen Mund und ergoss einen Schwall aus stinkendem schwarzen Teer in Swearengens zwanghaft aufgerissenen Schlund. Die klebrige, nach Kloake stinkende Masse füllte ihn dampfend und zischend aus, lief über seine Lippen, verbrannte Haut und Kleidung. Selbst den Sand um ihn herum versengte es zu schwarzen Klümpchen.
Gurgelnd nahm Swearengen den Höllenteer in sich auf. Er strampelte und schlug verzweifelt um sich, doch Bloody Bills Griff blieb eisern. Die schwarze Masse füllte seinen Bauch, am anderen Ende entleerte sich durch den Druck die Blase. Der Aftermuskel versagte ihm den Dienst und öffnete sich unter Zuckungen. Fäkalgestank vermischte sich mit kochendem Höllensud, dampfend, zischend, ätzend und insbesondere erniedrigend.
Swearengens Widerstand brach in sich zusammen. In einem letzten, verzweifelten Akt schlug er Anderson auf die hervorstehende Kugel und trieb diese durch den verbliebenen Rest der Schädeldecke.
Anderson jaulte wie ein getretener Hund und ließ von ihm ab, doch da war es längst zu spät. Er hatte bereits zu viel Höllenteer in sich aufgenommen, um es rückgängig machen zu können. Swearengen kam auf die Beine und taumelte auf den entsetzt dreinblickenden McCall zu, doch das zersetzende Werk des schwarzen Todes war nicht mehr aufzuhalten. Ätzend und schmorend fraß es sich glühenden Messern gleich in seine Gedärme, schmolz und brannte. Swearengen öffnete den Mund, rang verzweifelt nach Luft, doch letztendlich hustete er nur den blutigen Dampf seines verbrannten Ichs.
McCall riss sein Pferd herum, trieb ihm die Sporen in die Flanken und galoppierte, ohne sich umzusehen, über die weite Ebene davon.
Swearengen streckte die Hand Hilfe suchend nach seinem flüchtenden Gefährten aus, brach in die Knie, kippte vornüber und fiel mit dem Gesicht in den Staub. Zäher, schwarzer Schleim ergoss sich aus dem Mund und kroch wie ein vielfüßiges Gliedertier in die Öffnungen seines Herrn zurück, der höhnisch grinsend auf ihn herabsah.
Die Seidenschnur mit den zweiundfünfzig Knoten glitt einer Gebetsschnur gleich durch Bloody Bills Finger. »Zweiundfünfzig Seelen, geopfert den Mächten der Hölle …« Bloody Bill lachte und pulte sich mit den schmutzigen Fingern die Kugel aus dem Loch in seinem Schädel, sah sie sich lange an, leckte sie sauber und steckte sie sich in die Hemdtasche.
»Das Netz des Bösen senkt sich über das Land, erstickend und schwer …«
»Der ist voll süß«, kicherte Cherryl albern.
Hope konnte durch die Maisstauden hindurchsehen, wie sie sich durch ihre haselnussbraunen Locken strich und ihr megakurzes Kleidchen glatt nach unten zog, damit wenigstens ihr runder Hintern bedeckt war. Cherryl stand auf. »Mädels, wie seh ich aus?«, wollte sie wissen.
Hope machte Cherryls Verhalten traurig, weil sie sich selbst nur über Äußerlichkeiten definierte. Zu alldem gehörte eine Geschichte, die man kennen musste, um sie zu verstehen. Die Cops hatten sie bei einer Razzia in einem Stripladen aufgegriffen, da war sie fünfzehn gewesen. Kein Wunder also, dass sie den Kontakt zu Männern mit Sex gleichsetzte. Was sie Hope darüber erzählt hatte, glich einer abstoßenden Sammlung von im Waisenhaus verbotenen Worten und geistig erwachsenden Bildern, die ihr die Tränen in die Augen trieben. Und es lag auf der Hand, dass Cherryl diese Worte nicht nur in der Theorie beherrschte. Sie war ohne Zweifel durch eine harte Schule gegangen, aber letztendlich waren sie das auf ihre jeweils eigene Art alle. Hope mochte sie total gerne, doch sobald Jungs in der Nähe waren, wurde Cherryl zu einer sexbesessenen Bestie, die keine Hemmungen mehr kannte.
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