Inhaltsverzeichnis
Kapitel 1
Kapitel 2
Kapitel 3
Kapitel 4
Kapitel 5
Kapitel 6
Kapitel 7
Kapitel 8
Kapitel 9
Kapitel 10
Kapitel 11
Kapitel 12
Kapitel 13
Kapitel 14
Kapitel 15
Personen
Glossar
Zur Autorin
Alle Rechte vorbehalten, insbesondere das Recht der mechanischen, elektronischen oder fotografischen Vervielfältigung, der Einspeicherung und Verarbeitung in elektronischen Systemen, des Nachdrucks in Zeitschriften oder Zeitungen, des öffentlichen Vortrags, der Verfilmung oder Dramatisierung, der Übertragung durch Rundfunk, Fernsehen oder Video, auch einzelner Text- und Bildteile.
Copyright © 2021 bei Edition Aglaia, ein Imprint von Bookspot Verlag GmbH, Planegg
1. Auflage 2021
Lektorat: Jara Dressler
Korrektorat: Andreas März
Satz/Layout: Martina Stolzmann
Covergestaltung/Einband: Nele Schütz Design
Covermotiv unter Verwendung von: © shutterstock/faestock, Yulia Blonska, Morphart Creation
E-Book: Jara Dressler
Druck: CPI – Clausen & Bosse, Leck
Made in Germany
ISBN 978-3-95669-138-6
www.bookspot.de
Für Marlen Haushofer, mein großes Vorbild
U
nd es klappte nicht. Vertraut blickte Duc Raphael de Valois seine Gemahlin an. Sie lächelte.
»Komm, Liebster!«, flüsterte sie, streichelte über seine Wange, küsste ihn zart auf den Mund. »Du bist schön und wirst mit jedem Tag schöner, mit jeder Freundlichkeit, mit all den Freiheiten, die ich genieße. Ich sehne mich nach dir!«
»Madame, ich bitte Euch! Ihr reizt mich zum Lachen, wenn Ihr so übertreibt, und dann – ach, Ihr wisst schon.«
Er umschlang sie, zog sie an sich. Sie wirkte zart und zerbrechlich, war aber wendig wie eine junge Katze.
»Na warte!«
Sie lachte hell auf, schwang ihr Bein und drehte sich samt ihm herum, sodass sie nun oben zu liegen kam. Mit den Händen auf seinen Schultern saß sie auf ihm.
»Ich will dich wirklich!«
Wieder küsste sie ihn auf den Mund, wollte seine Zunge kosten, hielt ihn am Schopf fest, als er sich abwenden wollte.
»Ich ergebe mich! Lasst mich frei, ich bin Euer ergebenster Diener!«, lachte er und streichelte ihr übers Haar, über den Rücken.
»Warum so förmlich? Wir vergnügen uns in ehelicher Gemeinschaft und du sprichst mich mit ›Ihr‹ und ›Euer‹ an.«
»Ich werde nie begreifen, wie ein Weib, das nach strengsten Ordensregeln erzogen worden ist, so frei und frech sein kann wie Ihr, meine liebe Agnès.«
Er nahm ihr Gesicht in beide Hände, schloss die Augen und schenkte ihr einen zärtlichen Kuss auf den Mund.
»Hmmm! Mehr!«, flüsterte sie. Fast unmerklich bewegte sie sich auf ihm.
»Du, mein starker Held, kann es sein, dass du mich heute besuchst, bei mir bist und mir schenkst, was alle Welt schon so lange erhofft?«
»Ich will mein Bestes geben, glaubt mir, teuerste Agnès! Helft mir ein wenig auf die Sprünge.«
Neugierig glitt sie an seine Seite herab, streichelte über seinen Oberkörper, dem Seidenhemd entlang, streichelte über seinen Bauch und weiter. Er griff ihr an das Hinterteil, schloss die Augen. Bald schon glaubte sie zu bekommen, wonach sie sich sehnte, setzte sich erneut auf ihn, fühlte drängende Leidenschaft und bemühte sich, ihn zu empfangen. Doch da war der Zauber wieder vorbei.
»Warte, die Nacht ist noch jung«, flüsterte sie tröstend, als er sich abwandte. »Ich liebe dich so sehr, Raphael! So sehr! Wende dich nicht ab, bleib bei mir liegen. Schenke mir deine Nähe.«
»Schweigt, bitte!«
Sie schmiegte sich an seinen Rücken, genoss die Wärme, seinen Geruch, seinen schönen Körper. Doch dieser bebte verhalten. Er wollte nicht weinen, rollte sich wie ein Neugeborenes ein. Die kleinen Küsse seiner Gemahlin am Rücken, ihre Hand, die tröstend über seine Hüfte streichelte, all das liebte er, liebte ihre Nähe, ihre Fröhlichkeit, ihre freimütige Klugheit. Jeder andere hätte dieser vortrefflichen Gefährtin bestimmt jährlich einen Sohn geschenkt und sie jede Nacht mit ehelichen Freuden beglückt. Nur er konnte es nicht. Das war die Strafe Gottes für seinen Frevel, Julien de Bonarbre so sehr zu lieben, wie er eigentlich nur seine Gemahlin lieben sollte. Er hatte die Strafe verdient, hier als Mann nicht bestehen zu können. Doch sie sollte nicht auf eheliche Freuden verzichten müssen. Warum nur konnte er ihr das nicht geben? Es war doch seine Pflicht.
»Ihr wisst, wie hoch ich Euch schätze, meine Teure, meine über alles Geliebte. Ihr wisst es, nicht wahr?«
Endlich wandte er sich zu ihr um. Auch sie hatte Tränen in den Augen.
»Kein Gatte könnte liebevoller sein als Ihr. Auch Eure Förmlichkeiten, sogar hier auf der Liege, mag ich an Euch. Ihr schenkt mir und Claudine alles, was eine glückliche Familie braucht. Grämt Euch nicht. Ich liebe Euch, so wie Ihr seid, und es wird der Tag kommen, da Gott uns einen Erben schenkt.«
»Auf Umwegen vielleicht? Ihr habt es nicht verdient, ohne Lust und Liebe zu leben, nur weil ich Euch das nicht zu schenken vermag.«
»Sprecht nicht so, ich bitte Euch! Niemand außer Euch soll mich berühren. Ungeachtet dessen wäre die Gefahr zu groß, entdeckt zu werden. Als ich aus Paris hierher nach Chartres kam, sah ich Verfolgung, Verleumdung und Grausamkeiten, die mich noch immer in bösen Träumen verfolgen. Hier bei Euch fühle ich mich sicher, hier kann unser Kind frei heranwachsen. Das würde ich niemals aufs Spiel setzen, indem ich einen anderen als Euch in meine Arme schließe.«
Agnès legte das Ohr auf sein Herz.
»Wie schön, dass es dich gibt!«
»Ich bin es, der gesegnet ist, Euch als Gemahlin zu haben.«
Er umarmte sie, genoss ihre Nähe, ihre Wärme, ihre Liebe.
»Schöpfer des Himmels und der Erde. Du schenkst uns das Leben. Ich flehe Dich an, schenke uns auch den ersehnten Erben. Schenke ihn uns auf verschlungenen Wegen, wenn es Dein Ratschluss ist, aber niemals unter Gram und Schmerz für meine Gemahlin, niemals mehr!«, betete er flüsternd.
»Weil du Claudine ein liebevoller Vater bist, ist längst jeder Schmerz ihrer Zeugung getilgt. Du hast mich davon befreit, du und Claudine selbst. Gott schreibt auch auf krummen Wegen gerade. Er wird uns mit einem Erben segnen, davon bin ich überzeugt.«
Das sagte sie und meinte es auch so, doch tief verborgen blieb die andere Seite der Wahrheit wartend übrig; der Ekel und die Angst, welche sich damals auf dem Turm der Notre-Dame in Paris in ihr eingenistet hatten.
»Ihr verwandelt Scham in Trost, Not in Freude, Agnès.«
Noch enger umschlang er sie, ihr Schenkel rieb gegen seine Lenden, doch er spürte nichts als unendliche Zuneigung, wie man sie für die eigene Schwester empfinden könnte.
Als Agnès de Valois am folgenden Morgen erwachte, lag sie noch auf dem breiten Lager im Gemach ihres Gemahls. Er jedoch war nicht mehr da. Sie hatte lang geschlafen, ihn im Traum an ihrer Seite gespürt und Sehnsucht nach seiner Umarmung erlebt. Doch da war auch ein anderer Traum gewesen: Entsetzen, Schreie, die ihr in der Kehle stecken blieben. Im Erwachen spürte sie ihr Herz rasen. Sie sah die schreckliche Szene wieder vor ihrem inneren Auge. Wie so oft beim Erwachen, drückte sie der Dämon nieder, zwang ihre Beine auseinander, rammte ihr das Unaussprechliche in den Leib, rammte immer wieder, keuchte und wollte nicht enden. In qualvoller Wiederholung schändete sie der Dämonenpriester, tanzte den Satanstanz auf und in ihr. Ihr wurde bei diesen Gedanken übel, sie wollte einen Schluck Aufguss trinken, der morgens an ihrem Lager bereitstand. Doch ins Gemach des Duc wurde der beruhigende Trank nicht gebracht. Agnès de Valois wollte vor ihren Erinnerungen fliehen, sich den Aufguss selbst aus der Küche holen. Durch die Gänge zu laufen, die Treppen nach unten zu nehmen, würde ihr rasendes Herz beruhigen. Aber sie lag wie in einem Bann und konnte sich nicht rühren. Das Entsetzen ließ sie nicht los, sie konnte den Albdruck nicht abschütteln. Erst als sie von Ferne die Stimme ihrer Zofe hörte, atmete sie ruhiger und entkam endlich ihrem Traumbild.
Читать дальше