Karoline von Günderrode
Saga
Melete Coverbild / Illustration: Shutterstock Copyright © 1806, 2020 Karoline von Günderrode und SAGA Egmont All rights reserved ISBN: 9788726544381
1. Ebook-Auflage, 2020
Format: EPUB 2.0
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Schütze, o sinnende Muse! mir gnädig die ärmlichen Blätter!
Fülle des Lorbeers bringt reichlich der lauere Süd,
Aber den Norden umziehn die Stürme und eisigte Regen;
Sparsamer spriessen empor Blüten aus dürftiger Aue.
Ich habe Dir in ernsten stillen Stunden,
Betrachtungsvoll in heil’ger Einsamkeit,
Die Blumen dieser und vergangner Zeit,
Die mir erblüht, zu einem Kranz gewunden.
Von Dir, ich weiss es, wird der Sinn empfunden,
Der in des Blütenkelchs Verschwiegenheit
Nur sichtbar wird dem Auge, das geweiht,
Im Farbenspiel den stillen Geist gefunden.
Es flechten Mädchen so im Orient
Den bunten Kranz; dass vielen er gefalle,
Wetteifern unter sich die Blumen alle.
Doch Einer ihren tiefern Sinn erkennt,
Ihm sind Symbole sie nur, äussre Zeichen;
Sie reden ihm, obgleich sie alle schweigen.
Die Göttin sinkt in namenlosem Leide;
Den Jäger traf des Tieres wilde Wut;
Die Rose trinkend von des Jünglings Blut,
Glänzt ferner nicht im weissen Lilienkleide.
Das Abendrot der kurzen Liebesfreude
Blickt traurig aus der Blume dunklen Glut;
Adonis tot im Arm der Göttin ruht;
Das Schönste wird des kargen Hades Beute.
Verhasst ist ihr des langen Lebens Dauer,
Das Götterlos wird ihrer Seele Trauer,
Die sehnsuchtskrank den süssen Gatten sucht.
Und still erblühet heisser Tränen Frucht;
Den stummen Schmerz verkünden Anemonen,
Den ew’gen Wunsch im Schattenreich zu wohnen.
Den Lilienleib des Purpurs dunkler Schleier
Dem irren Blick der Göttin halb entzieht;
Der Trauer Bild, die Anemone, blüht
So weiss als rot zur stillen Totenfeier.
Erloschen ist in ihm des Lebens Feuer,
Sein totes Aug’ die Blume nimmer sieht. —
Doch plötzlich schmilzt der Göttin Leid im Lied,
Die Klage tönt, die Seele fühlt sich freier.
Ein Kranker, der des Liedes Sinn empfunden,
Durch ihrer Töne Zauber soll gesunden. —
Der Andacht gerne Liebe sich vertraut.
Und glaubig einen Tempel er sich baut,
Auf dass er pflege in dem Heiligtume
Der Sehnsucht Kind, die süsse Wunderblume.
Wehe! dass der Gott auf Erden
Sterblich musst geboren werden!
Alles Dasein, alles Leben
Ist mit ihm dem Tod gegeben.
Alles wandelt und vergehet,
Morgen sinkt, was heute stehet;
Was jetzt schön und herrlich steiget
Bald sich hin zum Staube neiget;
Dauer ist nicht zu erwerben,
Wandeln ist unsterblich Sterben.
Wehe! dass der Gott auf Erden,
Sterblich musst geboren werden!
Alle sind dem Tod verfallen,
Sterben ist das Los von allen.
Viele doch sind die nicht wissen,
Wie der Gott hat sterben müssen;
Blinde sind es, die nicht sehen,
Nicht den tiefen Schmerz verstehen,
Nicht der Göttin Klag und Sehnen
Ihre ungezählten Tränen,
Dass der süsse Leib des Schönen
Muss dem kargen Tode fröhnen.
Lasst die Klage uns erneuern!
Rufet zu geheimen Feiern,
Die Adonis heilig nennen,
Seine Gottheit anerkennen,
Die die Weihen sich erworben,
Denen auch der Gott gestorben.
Brecht die dunkle Anemone,
Sie, die ihre Blätterkrone
Sinnend still herunterbeuget,
Leise sich zur Tiefe neiget,
Forschend ob der Gott auf Erden
Wieder soll geboren werden!
Brechet Rosen; jede Blume
Sei verehrt im Heiligtume,
Forscht in ihren Kindermienen,
Denn es schläft der Gott in ihnen;
Uns ist er durch sie erstanden
Aus des dumpfen Grabes Banden.
Wie sie leis hervor sich drängen
Und des Hügels Decke sprengen,
Ringet aus des Grabes Engen
Sich empor verschlossnes Leben;
Tod den Raub muss wiedergeben,
Leben wiederkehrt zum Leben.
Also ist der Gott erstanden
Aus des dumpfen Grabes Banden.
GEBET AN DEN SCHUTZHEILIGEN
Den Königen aus Morgenlanden
Ging einst ein hell Gestirn voran,
Und führte treu sie ferne Pfade
Bis sie das Haus des Heilands sahn.
So leuchte über meinem Leben,
Lass glaubensvoll nach dir mich schaun,
In Qualen, Tod und in Gefahren
Lass mich auf deine Liebe traun.
Mein Auge hab ich abgewendet
Von allem was die Erde gibt,
Und über alles was sie bietet
Hab ich dich, Trost und Heil, geliebt.
Dir leb’ ich, und dir werd’ ich sterben,
Drum lasse meine Seele nicht,
Und sende in des Lebens Dunkel,
Mir deiner Liebe tröstlich Licht.
O, leuchte über meinem Leben!
Ein Morgenstern der Heimat mir,
Und führe mich den Weg zum Frieden,
Denn Gottes Friede ist in dir.
Lass nichts die tiefe Andacht stören,
Das fromme Lieben, das dich meint,
Das, ob auch Zeit und Welt uns trennen,
Mich ewig doch mit dir vereint.
Da du erbarmend mich erkoren,
Verlasse meine Seele nicht,
O Trost und Freude! Quell des Heiles!
Lass mich nicht einsam, liebes Licht!
Zum Flammentode gehn an Indusstranden
Mit dem Gemahl, in Jugendherrlichkeit,
Die Frauen, ohne Zagen, ohne Leid,
Geschmücket festlich, wie in Brautgewanden.
Die Sitte hat der Liebe Sinn verstanden,
Sie von der Trennung harter Schmach befreit,
Zu ihrem Priester selbst den Tod geweiht,
Unsterblichkeit gegeben ihren Banden.
Nicht Trennung ferner solchem Bunde droht,
Denn die vorhin entzweiten Liebesflammen
In einer schlagen brünstig sie zusammen.
Zur süssen Liebesfeier wird der Tod,
Vereinet die getrennten Elemente;
Zum Lebensgipfel wird des Daseins Ende.
Wie ist ganz mein Sinn befangen,
Einer, Einer anzuhangen;
Diese Eine zu umfangen
Treibt mich einzig nur Verlangen;
Freude kann mir nur gewähren,
Heimlich diesen Wunsch zu nähren.
Mich in Träumen zu betören,
Mich in Sehnen zu verzehren,
Was mich tötet zu gebären.
Widerstand will mir nicht frommen,
Fliehen muss ich neu zu kommen,
Zürnen nur, mich zu versöhnen,
Kann mich ihrer nicht entwöhnen,
Muss im lauten Jubel stöhnen;
In den Becher fallen Tränen,
Ich versink in träumrisch Wähnen;
Höre nicht der Töne Reigen,
Wie sie auf und nieder steigen,
Wogend schwellen Well’ in Welle;
Sehe nicht der Farben Helle
Strömen aus des Lichtes Quelle.
Mich begrüssen Frühlingslüfte,
Küssen leise Blumendüfte,
Doch das all ist mir verloren,
Ist für mich wie nicht geboren,
Denn mein Geist ist eng umfangen
Von dem einzigen Verlangen,
Eine, Eine zu erlangen.
Hungrig in der Zahl der Gäste
Sitz ich bei dem Freudenfeste,
Das Natur der Erde spendet;
Frage heimlich, obs bald endet?
Ob ich aus der Gäste Reigen
Dürf’ dem eklen Mahl entweichen,
Das verschwendrisch andre nähret:
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