•Was kann Schule tun, um eine Kultur der Zufriedenheit (Achtsamkeit) zu entwickeln?
•Was kann die Schulsozialarbeit dazu beitragen?
•Was ist, wenn Schule eine neue Kultur des achtsameren Umgangs gar nicht konkret will, weil vielleicht alles am Ende zu anstrengend ist? (Und wenn doch, wie geht die Schulsozialarbeit damit um?)
Fragen wir weiter:
•Wie genau sieht die Dienstleistung in der Schule aus? Wer sind ihre Kunden, und wie wird sie ihnen gerecht?
•Wie werden Lehrer und Schulsozialarbeiter vor Überforderung geschützt? (Vgl. Just 2004, 2016a, b)
Hubrig und Herrmann (2005, S. 250) stellen weitere Fragen:
»Welche besonderen Verhaltensweisen brauchen wir, um diesen Anforderungen gerecht zu werden (gegenüber der Behörde – gegenüber den Eltern – gegenüber den Schülern – gegenüber der eigenen Mission – gegenüber den Kollegen – gegenüber der Hierarchie)?«
… und gegenüber uns selbst?
Systemisch betrachtet, nehmen wir Schule aus einer interessierten und wertschätzenden Perspektive wahr. Das ist unsere Haltung. Wir sind interessiert an ihrem Funktionieren. Das muss nicht heißen, mit allem einverstanden zu sein. Für die systemische Schulsozialarbeit ist die Sicht, die zum Erkennen des Funktionierens des Systems »Schule« führt, von elementarer Bedeutung. Diese Sicht leugnet nicht die Vielzahl an Problemfaktoren, die sich in der Organisationsstruktur, auf der Schulleitungsebene, im Lehrerkollegium und in Schulgremien (Konferenzen) ergeben, im Gegenteil, sie nimmt sie als Hinweis darauf, dass etwas nicht stimmt. Auch auf der Interaktionsebene – zwischen Schülern und Schülern, Klassengemeinschaften, Peergroups oder bei Elternkontakten mit Lehrern und ohne Lehrer – sind Problemfaktoren erkennbar. Sie sind beobachtbar, erwachsen aus den jeweiligen Systemen und sind durch Wechselbeziehungen und Austausch miteinander verbunden. Aus systemischer Sicht ist das So-oder-so-Funktionieren eines Systems durch die eigene Strukturbestimmung vorgegeben. Die eine Schule hat den einen Ruf, die andere einen anderen. Regeln, Normen und Bestimmungen aus der Umwelt (hier: Bildungspolitik/Schulverwaltung), die das System Schule von außen tangieren, wirken bis in die Spitzen seiner Subsysteme hinein (das betrifft Klassen, Kollegium, Elterngremien, Gruppen, einzelne Personen, nicht zu unterschätzen: Familien), in denen unterschiedliche Interaktionen und Reaktionen stattfinden, die nicht selten bis zur Überforderung (zu Psychosomatik, Burn-out, Familienkonflikten) reichen und in der Folge weiteres Handeln und Verhalten auslösen. Die Haltung des Schulsozialarbeiters wird durch das Wissen darüber gestützt, dass Systeme eigensinnige Strukturen entwickeln, die sich nicht nach »richtig« oder »falsch« beurteilen lassen, und durch das Wissen darüber, dass Verhaltensweisen und die jeweilige Umwelt aus jenen Strukturen heraus wahrgenommen und verarbeitet werden, ebender jeweiligen Systemlogik entsprechend.
Auch Schule ist ein solches System: Schule »denkt, wie sie denkt«, weil sie es in Hunderten von Jahren nicht anders gelernt und ihre eigenen Muster entwickelt hat. Nun kann/soll der Schule ein »Andersdenken« nicht per Rezept verordnet werden. Verändern tut sie sich ständig. Das zeigt ihre Geschichte.
In den folgenden Abbildungen wollen wir versuchen:
•die »Herkunft« von Schule anhand ihrer Entwicklung über fast 600 Jahre zu skizzieren ( Abb. 3)
•die »Basis« Schule metaperspektivisch in ihrer vorgegebenen Ordnung zu skizzieren ( Abb. 4)
•das Schulleben in seinen System- und Umweltdifferenzierungen aus der Perspektive des Individuums zu beschreiben ( Abb. 5)
•das Individuum im Kontext seiner Herkunftssysteme mit Bezug zur Schule darzustellen ( Abb. 6).
Ein Schulleiter sagte einmal, Schule gleiche einer Festung, die ihr Inneres verteidige, und fügte hinzu, aber es gibt auch viele Türen, die zum Mitmachen einladen. Gehen wir mit dem Schulleiter einen Schritt weiter. Wir stellen uns die vorgegebene Ordnung »Schule« an der Basis vor. Hier blickt man aus der Metaperspektive zwar auf geordnete Strukturen, weniger aber auf das Individuum (das Kind, den Jugendlichen, den Lehrer, den Elternteil), das in der Vielfalt von Umwelteinflüssen seine Identität finden muss.
Dieser etwas andere Blick auf Schule lässt unterschiedliche Systeme in einem Wechselwirkungsgefüge vermuten. Der Blick macht deutlich, dass ein System aus zusammengesetzten Elementen, die eine geordnete Ganzheit bilden, besteht. Es kann davon ausgegangen werden, dass jedes System über eine eigene innere Struktur verfügt.

Abb. 3: 600 Jahre Schulwesen (wo bleibt eigentlich das Kind?)
Familie Müller ist anders als Familie Meier und Klasse A anders als Klasse B. Das ist nicht neu. Jedoch kann die Haltung neu sein, unterschiedliche Systeme zu entdecken und Verhalten daran zu orientieren. Konzentrieren wir uns nur auf ein einzelnes kleines Element aus der Abbildung 4, befindet sich jedes System (Einzelner, Gruppe, Organisation) in einer Vielfalt von Umwelten und Beeinflussung, die es nur anhand seiner inneren Beschaffenheit sehen und nutzen kann. Die Abbildung veranschaulicht die unterschiedlichen Systeme und Subsysteme:

Abb. 4: Schulsystem (Systeme und Elemente in Systemen, die jeweils auch Umwelten füreinander darstellen)
•»Andere Systeme« meint außerhalb des Geltungsbereiches Schule vorhandene Gegebenheiten, die bis in Wirtschaft, Politik und Gesellschaft reichen.
•»Umwelt Schule« meint das unmittelbare Umfeld (Kommunen, Behörden, Bildungspolitik, Wissenschaften usw.), die das System »Schule» in unterschiedlicher Form tangieren oder mit ihm zusammenarbeiten.
•»System Schule« meint das Schulleben/den Schulalltag und die innere Organisation.
•»Systeme im System Schule« meint Schulklassen, Jahrgangsstufen, Arbeitsgruppen, sonstige Gruppen.
•Elemente in System und Subsystemen meint alle einzelnen Mitglieder in den jeweiligen Systemen.
•»Der Einzelne im Gesamtsystem« meint die einzelne Person.
Die gestrichelten Grenzen machen deutlich, dass jedes einzelne System von weiteren Systemen umgeben ist, die jeweils wieder Umwelten oder Subsysteme füreinander darstellen.

Abb. 5: Schulleben aus der Perspektive des Individuums (Legende: L = Lehrer, Fl = Fachlehrer, E = Eltern, F = Familien)
Abbildung 5 zeigt den schulischen Kontext im Hinblick auf den Einzelnen in seinem unmittelbaren schulischen Umfeld. Für jeden Einzelnen geht es um die aus seinem Herkunftskontext gelernten Bewältigungsmechanismen, die er in das jeweilige System hineinbringt, mit denen er im Schulalltag gute oder schlechte Erfahrungen macht.

Abb. 6: Herkunftssysteme
Schließlich zeigt Abbildung 6den Einzelnen in seiner Ursprungsfamilie. Mit den dort gelernten Mustern und Erfahrungen besucht ein Kind/Jugendlicher die Schule. Jedes Familiengenogramm hat andere Strukturen. Der Blick auf seine Mikro-, Meso-, Exo- und Makroebene zeigt, dass das soziokulturelle Umfeld das Familienleben in dem Maße beeinflusst, wie die erlernten familiären Werte, Normen und Regeln auf die Entwicklung und Individualität des Kindes/Jugendlichen zurückwirken.
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