Deshalb sind Unterstützung und Beratung nötig und verständlich, denn es geht nicht nur um Methoden und Projekte oder Technik und Methodik, so Rolff, sondern die Einstellung zum Menschen gibt den Ausschlag für Wachstum und Entwicklung. Eine Zusammenarbeit mit Beratern ist daher wünschenswert und unerlässlich. So sprechen Huber et al. (2014) von einem weitverbreiteten Bemühen in Expertenkreisen, die Qualität an Schulen weiterzuentwickeln bis hin zum einzelnen Schüler. In Krisen geht es nicht nur um die Organisation »Schule«, wo Menschen miteinander kommunizieren, auch auf allen anderen Ebenen des Schullebens, wo Schüler, Lehrer und Eltern miteinander kommunizieren, kann es zum Ungleichgewicht kommen, zu Kritik, zu Ärger, zu Enttäuschung, zu Frustration, wenn die Balance gestört ist. Deshalb ist nicht nur die Orientierung am System »Schule«, sondern die an jedem einzelnen Schüler und Lehrer erforderlich, wenn man die Motivation und die Bereitschaft zu Lernen und Lehren erhöhen will (Just 2016b). Schule muss sich entwickeln, zielorientiert und strukturiert. Fachleute nennen dies Organisationsentwicklung (OE). Das muss jede Schule für sich selbst tun. Dabei kann sie auf eine Schulentwicklungsberatung zurückgreifen als ein
»offenes, planmäßiges und langfristiges Vorgehen im Umgang mit Veränderungsforderungen und Veränderungsabsichten in sozialen Systemen« (Rolff 1993, S. 153).
Bei der Schulentwicklungsberatung tätig sind einschlägig ausgebildete Schulentwicklungsberater. 3Ein Schulentwicklungsberater moderiert den Entwicklungsprozess der Schule, beginnt bei Problemen im Alltag und setzt bei Stärken und Bedürfnissen aller Beteiligten an. Durch die Beratung soll eine Übereinstimmung von Werten und Zielen erzeugt und eine konstruktive Kommunikationsstruktur bewirkt werden. Sie soll die Bereitschaft zur Kooperation erhöhen, damit Schulen sich besser veränderten gesellschaftlichen Bedingungen und Bedürfnissen ihrer Mitglieder anpassen können. Nicht zuletzt soll die Problemlösungsfähigkeit erhöht werden (Rolff et al. 2000). Da systemisches Denken als ein Grundprinzip der Organisationsentwicklung verstanden wird, ist auch der systemische Beratungsansatz in der Schulentwicklungsberatung eingebunden.
Doch funktioniert das in der Praxis? Schulentwicklungsberater und interessierte Schulen stellen Kontakte her, um schulinterne Prozesse oder Projektvorhaben zu unterstützen. Das geschieht vornehmlich auf der Erwachsenenebene. Nach dem systemischen Denkansatz sollten sich Veränderungen dort, wo sie auf einer Projektebene (je nach Setting) entstehen, immer auch auf den nächstgelegenen Lehrer-, Eltern- und Schülerebenen widerspiegeln, als Rückkopplungseffekt sozusagen. Ohne dass wir näher darauf eingehen, stellt sich hier die Frage, wie es unseren Schülern in der Schule geht, den einzelnen mit individuellen Schwierigkeiten, Stress in der Klasse, Ausgrenzung oder anderen Belastungen. Was ist für Schüler vorgesehen, wenn »Früchte« der Schulentwicklungsberatung auf dieser Ebene nicht ankommen? Schüler sollen sich wohlfühlen, nicht unnötigem Druck ausgesetzt sein, damit sie individuell gefördert werden und ihre Potenziale entfalten können. Häufig werden jedoch Defizite beklagt und »Kritik an der Schule ist an der Tagesordnung«, so Huber (2011, S. 67). Er geht von einem pädagogischen Veränderungsansatz aus. Einerseits muss Schule sich verändern wollen, andererseits kann der individuelle Einsatz eines jeden bereits ein Anstoß für Verbesserung sein. Schließlich geht es um einen Prozess, bei dem für Veränderungsmaßnahmen auf jeder Ebene günstige Bedingungen geschaffen werden müssen, die sich an den Zielen ausrichten und diese Ziele fördern. »Dafür müssen externe Unterstützung und Hilfe zur Verfügung stehen« (ebd., S. 84).
Mit einem Blick auf die Schulsozialarbeit und die dichten Berührungen im Schulalltag müssen also nicht nur effektive Kommunikationsbarrieren überwunden werden, sondern zur Gestaltung des beruflichen Alltags bedarf es der Anerkennung der unterschiedlichen beruflichen Grundpositionen und ihrer jeweils eigenen Entwicklungen. Wenn Schulentwicklungsberatung auf der Grundlage des systemischen Ansatzes durchgeführt wird, also Entwicklungsprozesse mit Blick auf den Einzelnen (Schüler, Lehrer) gestärkt werden, dann ist es umso wichtiger, dass auch die Schulsozialarbeit im gleichen Hause diesen Weg mitgeht.
Da die Identität einer Schule sich stetig verändert, muss sie sich wie jedes System immer wieder neu reflektieren. Wenn Ziele vorhanden sind, können auch Alltagsbelastungen bewältigt und Hürden und Hindernisse gemeistert werden. So spricht Schley von einer sogenannten Situationslogik, die darauf verweist,
»dass Aufgaben, Ziele und Konzepte immer kontextgebunden zu verstehen sind und aus der Logik der jeweiligen Situation ihren Sinn beziehen« (1998, S. 26).
Es lohnt sich daher, die in einer Schule
»bestehenden Bilder der Organisation Schule einmal aufzunehmen und zum Gegenstand der Reflexion zu machen, um die darin enthaltenen Werte und Leitgedanken zu entschlüsseln« (ebd., S. 15).
Wenn etwas gut funktioniert, sollte man es beibehalten, wenn nicht, sollte man es ändern; und wenn man es beibehält, weil es eben funktioniert, sollte man es dennoch weiterentwickeln. Jedoch scheinen Veränderungsprozesse oft nicht ausreichend vorbereitet zu werden. Schulentwicklung ist immer ein Prozess, der von Dauer und Bewegung, Nähe und Distanz getragen wird, wobei diese Kräfte ein Gleichgewicht bilden (ebd. 1998, S. 28 f.). Auf dem Weg hin zu den einzelnen Beteiligten im Schulsystem, zu Schülern, Lehrern und Eltern wie auch zur Organisation »Schule« macht Schley dieses Gleichgewicht an verschiedenen Kräften und Qualitäten deutlich, nämlich an:
•Dauer als Bedürfnis nach Verlässlichkeit, Zuverlässigkeit und Sicherheit
•Bewegung als Bedürfnis nach Entfaltung, Entwicklung und Wachstum
•Nähe als Bedürfnis nach Kontakt, Bestätigung, Lob, Austausch, Unterstützung und Verständnis
•Distanz als Bedürfnis nach Eigenständigkeit, Eigenverantwortung, Unabhängigkeit und Selbstannahme.
Viele unterschiedliche Persönlichkeiten befinden sich in der Schule. Es gibt die Lebendigen, die Skeptiker, die Überforderten, die Ideenreichen, die Langsamen, die Schnellen, die »Faulen«, die Kritiker u. v. m. Sie alle ins Boot zu holen bedarf einer hohen Kunst (systemischer Kompetenz und Haltung), weil alle jeweils auf ihre Weise dazu beitragen, die Qualität von Schule und das Wohlbefinden von Schülern, Lehrern und Eltern zu sichern. Systemische Beratung und methodische Intervention werden im schulischen Alltag nachvollziehbarer und dem Kollegium vertrauter, wenn sie zur Regel werden – auf allen Ebenen, auch in der Schulsozialarbeit an der Basis mit den Schülern.
Der etwas andere Blick auf Schule ist für die Schulsozialarbeit ein wichtiger, da es weniger um Diskussion als vielmehr um Verstehen geht. Der etwas andere Blick auf Schule soll im Folgenden ( Abb. 3– 6) die bestehenden Bilder der Organisation »Schule« (s. o., Zitate Schley) aufnehmen und bei allen Beteiligten die Bereitschaft zur Entdeckung von Wirklichkeit wecken, damit sie verstehen, neu sehen und hinterfragen.
Insofern meint der Begriff »Schule« nicht das Schulgebäude, nicht die Ausstattung, nicht die Schulpolitik, sondern das Leben, das alltägliche Gewusel nach vorgegebenen Regeln und Normen, das recht übersichtlich abläuft, solange jeder mitspielt. Das gilt für alle Beteiligten.
In komplexen Systemen wie der Schule muss nicht nur der äußere Organisationsaufbau, sondern muss auch die gelebte Kultur mitgedacht werden. Sie ist in jeder Schule anders. Sie wird getragen von internen individuellen Beziehungen. König und Volmer (2008, S. 451) beschreiben eine Organisationskultur als das von den Beteiligten eines sozialen Systems geteilte Kommunikationssystem, das Denken, Fühlen und Handeln der Personen in diesem System. Beratung in komplexen Systemen ist daher auch immer mit ihrer gelebten Kultur und dem Grad der Zufriedenheit mit ihr verbunden. Auch hier stellen sich Fragen, was man beispielsweise tun kann, um die Kultur einer Schule zu verändern. Wir können konkreter fragen:
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