Insulinresistenz und polyzystisches Ovarialsyndrom
Studien zeigen, dass das polyzystische Ovarialsyndrom (PCOS) eine Hashimoto Thyreoiditis auslösen kann. In den Vereinigten Staaten ist PCOS die häufigste hormonelle Störung bei Frauen, 4 bis 10 Prozent der menstruierenden Frauen sind betroffen, und zugleich die häufigste Ursache von Unfruchtbar- keit. 56 , 57Zu den Symptomen des PCO-Syndoms gehören Gewichtszunahme, Haarausfall, Müdigkeit nach dem Essen, Hormonschwankungen und das Verlangen nach Zucker. Im Blutbild lässt sich PCOS an den Mustern der Insulinresistenz erkennen, zu denen ein Nüchternblutzucker über 100 sowie erhöhte Triglycerid- und Cholesterinwerte gehören, vor allem, wenn die Triglyceridwerte höher liegen als die Cholesterinwerte. Die Insulinresistenz – hier werden die Körperzellen aufgrund einer kohlenhydratreichen Ernährung gegenüber Insulin resistent –, führt zu einer Überproduktion von Testosteron und so zu Zysten in den Eierstöcken. Mit steigenden Testosteronwerten steigt auch die Insulinresistenz, dadurch erhöht sich wiederum der Testosteronwert es kommt zu einem Teufelskreis. 58Die Insulinresistenz fördert ihrerseits Entzündungen und Probleme mit dem Immunsystem, was zur Ausprägung einer Autoimmunerkrankung prädisponiert. 59Die Kombination aller dieser Faktoren kann eine Hashimoto Thyreoiditis auslösen. 60(Mehr hierzu sowie zum Thema Ernährungsumstellung finden Sie in Kapitel 5.)
Sobald man sich über den Berg wähnt, sieht es so aus, als habe man wieder auf einen neuen Vitaminmangel zu achten. Bei einer Hashimoto Thyreoiditis wirkt sich nur wenig so negativ aus wie ein Mangel an Vitamin D, das eigentlich ein Steroidhormon ist. In modernen Ernährungsformen fehlen oft Vitamin-D-reiche Nahrungsmittel wie Leber, andere Innereien, Schmalz, Meeresfrüchte, Butter und Eigelb. Obwohl das Sonnenlicht eine weitere wichtige Quelle für die Bildung von Vitamin D ist, sehe ich selbst hier im sonnigen San Diego bei fast allen meinen Patienten einen Mangel. Je weiter nördlich man kommt, desto gravierender kann der Mangel sein. Die heute übliche Standardempfehlung lautet, einen 25(OH)D-Spiegel zwischen 50 und 80 ng/ml aufrechtzuerhalten und täglich 4000 bis 5000 IE Cholecalciferol (Vitamin D 3) einzunehmen. Ergocalciferol (Vitamin D 2) ist dafür meines Erachtens ungeeignet, da es sich in Bezug auf die Erhöhung des Vitamin-D-Spiegels im Serum als ineffektiv erwies. 61Wer jede Woche auf die Sonnenbank geht oder sich in südlichen Gefilden in der Sonne aufhält, benötigt wahrscheinlich kein zusätzliches Vitamin D, doch je weiter man im Norden lebt oder je dunkler die Haut ist, desto höher ist der Bedarf.
Warum ist Vitamin D so wichtig? Ein Mangel wird mit zahlreichen Autoimmunerkrankungen in Verbindung gebracht, unter anderem auch mit Hashimoto 62 , 63, und in den letzten Jahren ist die Anzahl der Autoimmunerkrankungen in die Höhe geschnellt. Ein adäquater Vitamin-D-Spiegel trägt dazu bei, das Immunsystem im Gleichgewicht zu halten, sodass es nicht außer Kontrolle gerät und auf pathologische Werte absinkt. 64 , 65 , 66
Was die Hashimoto Thyreoiditis betrifft, so wird das Problem eines Vitamin-D-Mangels durch die genetische Veranlagung noch verschärft. Studien ergaben, dass mehr als 90 Prozent der Menschen mit einer Autoimmunerkrankung der Schilddrüse aufgrund eines Gendefekts eine Verwertungsstörung von Vitamin D haben. Daher benötigen viele Menschen einfach mehr Vitamin D, um gesund zu bleiben, selbst wenn der im Blut ermittelte Wert sich noch im Normbereich befindet. Ursache sind die schadhaften Vitamin-D-Rezeptoren in den Zellen, sodass der Nährstoff nicht in ausreichender Menge aufgenommen werden kann. 67 , 68Daher sollte der Vitamin-D-Wert bei Hashimoto-Patienten im oberen Normbereich liegen. Ich empfehle meinen Patienten die tägliche Einnahme von 5000 bis – in Einzelfällen sogar 20.000 IE Vitamin D sowie zusätzlich die Einnahme diverser Cofaktoren (vgl. die in Kapitel 11 erwähnten Nährsubstanzen). Neben zu wenig Sonnenlicht oder einer an Vitamin D armen Ernährung tragen auch eine Darmentzündung, eine Belastung der Nebennieren, Fettleibigkeit 69 , 70 , 71sowie das Lebensalter 72 , 73zu einem Vitamin-D-Mangel bei.
Chronische Entzündungen, Infektionen und Viren
Der Amerikaner mit einem gut funktionierenden Verdauungstrakt hat Seltenheitswert. Denken Sie nur an die vielen Werbespots für Verdauungshilfen im Fernsehen und die Unsummen, die für frei verkäufliche Säureblocker (Antazida), Abführmittel (Laxantien) und Durchfallmittel ausgegeben werden. Eine Barrierestörung der Darmschleimhaut 74, Verdauungsprobleme sowie Infektionen mit Bakterien und Parasiten sind häufige Erkrankungen in diesem Bereich und können zur Ausprägung einer Autoimmunerkrankung führen. 75Bei einem durch Entzündungen und Infektionen angegriffenen Darm kommt es zu chronischen Immun- und Stressreaktionen. Genau wie bei einer Glutenintoleranz können chronische Stressfaktoren, die auf das Immunsystem einwirken, zu Fehlfunktionen führen und folglich eine Autoimmunkrankheit verursachen. Andere Immunstressoren sind chronische virale Belastungen und Infektionen wie Hepatitis C, Epstein-Barr (eine Viruserkrankung), Lyme-Borreliose und Schimmelpilzinfektionen. 76 , 77 , 78 , 79Liegen solche Immunstressoren vor, sollte ihnen bei der Behandlung einer Autoimmunerkrankung immer oberste Priorität eingeräumt werden.
Der übersehene Virusinfekt
Meine Klientin hatte sich schon seit geraumer Zeit nicht mehr wohlgefühlt und wusste, dass sie sich untersuchen lassen sollte. Da sie eine gute Krankenversicherung hatte, suchte sie ihren Arzt auf, der sofort ein allgemeines Blutbild veranlasste. Es umfasste die typischen Werte und war nicht besonders umfangreich. Nach einem kurzen Blick darauf erklärte ihr Arzt, ihre Schilddrüsenwerte und auch alle anderen Ergebnisse seien in Ordnung, sie solle einfach versuchen, sich mehr auszuruhen. Diese Diagnose war sehr frustrierend, schließlich wusste sie ganz genau, dass irgendetwas nicht in Ordnung war.
Ich konnte sie davon überzeugen, ein breiteres und funktionelles Blutbild machen zu lassen. Einer Intuition folgend veranlasste ich auch eine Untersuchung auf TPO-Antikörper. Die Ergebnisse zeigten, dass ihre Schilddrüsenwerte zwar noch innerhalb des Normbereichs lagen, doch von einer gut funktionierenden Schilddrüse konnte keine Rede sein, schließlich lagen alle Werte im unteren Grenzbereich. Zusätzlich ließen sich TPO-Antikörper nachweisen. Mit anderen Worten, sie hatte eine Hashimoto Thyreoiditis. Auch der Marker für die Aufnahme von T3 war extrem niedrig, was mich zu der Frage veranlasste, ob sie die Pille einnahm. „Ja, natürlich“, sagte sie, „mein Arzt hat sie mir wegen meiner PMS-Beschwerden verschrieben." Wir unterhielten uns darüber, wie der Östrogen-Überschuss die Schilddrüsenfunktion unterdrücken und sogar zur Ausprägung ihrer Autoimmunerkrankung beitragen kann. So interessant diese Ergebnisse auch waren, erstaunlich war etwas ganz anderes:
Trotz offensichtlicher Symptome hatte ihr Arzt nicht erkannt, dass sie eine schwere chronische Virusinfektion hatte. Die Werte für Albumin, ein Entzündungsmarker im Körper, lagen in einem bedrohlich niedrigen Bereich.
Im Hinblick auf eine Ernährungstherapie hatte ihre Schilddrüse tatsächlich die geringste Priorität. Zuerst mussten die Virusinfektion und das Immunsystem durch eine Ernährungsumstellung behandelt werden. Außerdem setzte sie die Pille ab und ernährte sich fortan glutenfrei. Obwohl eine Hashimoto Thyreoiditis nicht von alleine ausheilt, sind bei meiner Klientin keine TPO-Antikörper mehr nachweisbar und ihre Schilddrüsenwerte haben sich gebessert. Es gibt auch keinerlei Anzeichen mehr für eine Virusinfektion.
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