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Woran erkennen Sie, ob Ihre Unterfunktion eine Hashimoto Thyreoiditis ist?
Wie kann man anhand der Symptome einer Hypothyreose erkennen, ob es sich um Hashimoto handelt oder nicht? Obwohl ein positiver Serum-Antikörper-Test endgültig Aufschluss darüber gibt, sollte man über einige der klassischen, für diese Krankheit typischen Symptome und Situationen Bescheid wissen.
Am häufigsten trifft man die Patientin an, die gewissenhaft ihre Schilddrüsenhormone einnimmt, den Zustand ihrer Schilddrüse regelmäßig überprüfen lässt, der es aber trotzdem immer schlechter geht und die eine ständig steigende Dosierung der Hormone benötigt, um überhaupt zurechtzukommen. Das ist eigentlich genau der Mensch, der durchaus auch einmal vergessen kann, seine Medikamente einzunehmen und nachträglich dann feststellt, dass die Symptome sich nicht im geringsten verändert haben. Was ist da los? Die meisten Hashimoto-Fälle stellen sich als allmählicher Angriff des Immunsystems auf die Schilddrüse dar, wobei die TSH-Werte und die Unterfunktionssymptome langsam zunehmen. Dank der Hormonpräparate können sich die TSH-Werte zwar normalisieren, doch das zugrunde liegende Problem der immunologischen Fehlsteuerung bleibt unbehandelt, ebenso wie die Symptome.
Eine weitere häufige Situation sind Schwankungen zwischen einer unter- und einer überaktiven Schilddrüse. Das ist die Patientin, die eine ganze Bandbreite von Symptomen hat. In einer Woche passt sie in das klassische Hypothyreosebild, sie fühlt sich müde, klagt über Kopfschmerzen und Verstopfung, hat eine geringe Libido und Depressionen. In der nächsten Woche kann sie dann nicht einschlafen, hat Herzrasen, ist ängstlich und zittert. Macht der Arzt jedes Mal ein Blutbild, zeigt sich, dass die TSH-Werte mal oben und mal unten sind und sich zwischendurch auch kurzfristig normalisieren. Diese nervenaufreibenden Schwankungen können scheinbar ohne ersichtlichen Grund auftreten, und zwischen den jeweiligen Phasen können Tage, Wochen, Monate oder noch größere Abstände liegen. Man kann sie ab und an auch an einem Auslöser festmachen, zum Beispiel einem stressigen Ereignis, Hormonschwankungen oder dem Konsum von glutenhaltigen Nahrungsmitteln.
Ein Grund dafür, dass es bei der Hypothyreose so oft zu einer Fehldiagnose kommt, liegt darin, dass Hashimoto-Patienten durchaus „normale“ TSH-Werte haben können. Diese Tabelle zeigt die monatlichen TSH-Werte eines Patienten, der keine Hormone einnimmt. Mit den Schwankungen der Autoimmunerkrankung variieren auch die TSH-Werte stark. Legt man den Normwertbereich von 0,45 bis 4,5 zugrunde, würde sich dieser Mensch einer Diagnosestellung – mit Ausnahme der Monate Mai und Juni – sogar entziehen. Im März fällt der TSH-Wert des Patienten sogar in den Funktionsbereich von 1,8 bis 3,0. Daher ist es so wichtig, auch Immunantikörper zu bestimmen und die Symptome sowie die Anamnese in die Beurteilung einfließen zu lassen.
Was also ist los? Liegt eine Unter- oder eine Überfunktion vor? Diese Schwankungen werden tatsächlich manchmal als Angststörungen fehldiagnostiziert. Doch in Wirklichkeit präsentiert sich die Hashimoto Thyreoditis einfach auf diese Weise. Wenn ein Autoimmunschub Schilddrüsengewebe zerstört, gelangen in der Schilddrüse gespeicherte Hormone in den Blutstrom. Im nun damit überfluteten Körper kommt es zu einer Beschleunigung des Stoffwechsels, die zu hyperthyreoten Symptomen führt.
Wenn Sie den Verdacht haben, dass bei Ihnen eine Hashimoto Thyreoiditis vorliegen könnte, achten Sie darauf, ob Sie folgende Symptome bei sich feststellen:
Symptome einer Unterfunktion (Hypothyreose)
• Müdigkeits- oder Trägheitsgefühl
• Kältegefühl an Händen, Füßen und ganz allgemein
• übermäßiges Schlafbedürfnis, sonst kann der Alltag nicht bewältigt werden
• Gewichtszunahme trotz kalorienarmer Ernährung
• rasche Gewichtszunahme
• Hartleibigkeit, seltener Stuhlgang
• Depressionen und Antriebsschwäche
• morgendliche Kopfschmerzen, die im Laufe des Tages abklingen
• Ausgedünnte Augenbrauen im äußeren Drittel
• Haarausfall (Kopf, Gesicht, Genitalbereich)
• trockene Haut und/oder Kopfhaut
• geistige Trägheit
Symptome einer Überfunktion (Hyperthyreose)
• Herzrasen
• innerliches Zittern
• beschleunigter Puls, auch in Ruhe
• nervös und weinerlich
• Schlafstörungen
• Nachtschweiße
• erschwerte Gewichtszunahme
Perniziöse Anämie und Gluten-Intoleranz
Zusätzlich zu den klassischen Symptomen gibt es noch eine Reihe weiterer Beschwerden, die Warnsignale für eine Hashimoto Thyreoiditis sind. Wenn Sie die genannten Symptome bei sich beobachten und an perniziöser Anämie 20, einer Gluten-Intoleranz oder Zöliakie 21leiden, kann eine Hashimoto Thyreoiditis für den Zustand Ihrer Schilddrüse verantwortlich sein. Die perniziöse oder B 12-Anämie ist eine Autoimmunerkrankung, bei der der Körper den Intrinsic-Faktor, ein im Magen sezerniertes, für die Resorption von B 12notweniges Glykoprotein, angreift. Gluten-Intoleranz und Zöliakie sind Immunreaktionen auf Gluten, die in zahlreichen Studien mit Hashimoto in Verbindung gebracht werden. Ich komme an anderer Stelle in diesem Kapitel noch einmal ausführlicher auf Gluten zurück.
Diagnose: Hashimoto Thyreoiditis
Für die Einordnung einer Hypothyreose als Hashimoto Thyreoiditis liefern die Symptome wertvolle Informationen, doch die Bestätigung erfolgt durch einen Serumantikörpertest.
Ein Test auf Thyreoidea-Peroxidase-Antikörper (TPO-AK) ist äußerst wichtig, da es bei einem Angriff des Immunsystems auf TPO, einem in der Schilddrüse für die Bildung der Schilddrüsenhormone verantwortlichen Enzym, sehr häufig zu einer Hashimoto Thyreoiditis kommt. 22 , 23Manchmal ist auch ein Test auf Thyreoglobulin-Antikörper (TG-AK) erforderlich, da ein Angriff auf Thyreoglobulin ebenfalls eine Hashimoto Thyreoiditis zur Folge haben kann. 24TG wird in der Schilddrüse gebildet und dient zur Hormonbildung.
Die Bestimmung von Antikörpern des Thyreoidea-stimulierenden Hormons (TSH-Rezeptor-Antikörper, TRAK) kann einen Morbus Basedow (Hyperthyreose) ans Licht bringen, doch auch bei einer Hashimoto Thyreoiditis sind erhöhte TRAK möglich. Bei Blutuntersuchungen wird der TSH-Marker meist als Thyreoidea-stimulierendes Immunglobulin TSI bezeichnet (eine Unterform von TRAK). Bei schwerwiegenden Autoimmunkrankheiten der Schilddrüse können sich selten auch T4- und T3-Antikörper entwickeln. Dieses Muster findet man beim polyglandulären Autoimmunsyndrom (an dem viele Drüsen beteiligt sind; Anm. d. Übers.), bei Lupus erythematodes und anderen Autoimmunerkrankungen, von denen multiple Organe betroffen sind. Klinisch geht es den Betroffenen schlechter, und sie haben mehr Entzündungen, wenn sie bioidentische statt synthetischer Hormone nehmen.
Da kein Immunsystem dem anderen gleicht, gibt es auch Hashimoto-Patienten, die keine Antikörper aufweisen. Mit anderen Worten, wenn es sich um eine inaktive Autoimmunerkrankung handelt und das Immunsystem die Schilddrüse gerade nicht angreift, fällt der Antikörpertest negativ aus. Liegt ein negatives Testergebnis vor, weisen die Symptome und die Anamnese des Patienten jedoch stark in Richtung einer Hashimoto Thyreoiditis, mache ich weitere Untersuchungen und provoziere das Immunsystem damit vielleicht zu einem Schub. Zahlreiche Studien bringen zum Beispiel Gluten, das Protein in Weizen, Dinkel, Gerste, Roggen und ähnlichen Getreiden, mit Hashimoto in Verbindung. 25 , 26 , 27 , 28 , 29 , 30 , 31 , 32Ernährt sich eine betroffene Person bereits glutenfrei, setze ich für die Dauer von zwei Wochen eine Ernährung mit Weizen an und wiederhole den Test, vorausgesetzt, Gluten verursacht keine anderen schwerwiegenden Symptome. Ein positiver Antikörpertest bestätigt eine Autoimmunerkrankung der Schilddrüse und weist darauf hin, dass das Immunsystem, und nicht nur die Schilddrüse, behandelt werden sollte.
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