Husney teilte Ostin zwar seine Zweifel mit, erklärte sich aber dennoch bereit, Prince den Vorschlag zu unterbreiten. Wie erwartet lehnte der ihn glatt ab und schrieb dann ein ausführliches Memo an Husney, in dem er seine Gegenargumente zusammenfasste. Der Sound von Earth, Wind & Fire sei veraltet und nicht authentisch, erklärte er, und Whites Input würde ihn eher von seiner eigenen, überaus originellen Vision ablenken, anstatt sie zu fördern. Als Ostin und Husney sich wieder berieten, gab der Firmenchef nach, was Maurice White betraf, hielt aber daran fest, dass Prince noch zu unerfahren war, um allein die Produktion zu übernehmen. Husney reagierte darauf mit einem Vorschlag, der schon mit CBS so gut funktioniert hatte: Prince sollte im Studio vor Publikum beweisen, dass er das nötige Können besaß. Dieses Mal sollte er jedoch nicht wissen, worum es ging; Husney wollte ihm lediglich sagen, dass Warner ihm ein Wochenende freie Studiozeit boten. Während der Session konnten dann die Warner-Manager hereinschauen und dabei so tun, als hätten sie im Studio noch zu arbeiten.
Ostin stimmte zu, und Prince flog daraufhin nach Los Angeles. Waronker und andere Warner-Mitarbeiter schauten in den Amigo Studios diskret kurz hinein, während Prince eine neue Version von „Just As Long As We’re Together“ einspielte. Husney erinnerte sich: „Er dachte, diese Leute seien die Hausmeister.“ Nachdem das Warner-Team erlebt hatte, wie Prince jedes Instrument spielte und fast den ganzen Tag darauf verwendete, den Song schichtweise aufzubauen, kam man zu dem Schluss, es sei Unsinn, ihm einen Produzenten aufzuzwingen: Ein derartig talentierter und störrischer Musiker würde bei der Arbeit lernen müssen, auf die harte Tour. „Okay, wir werden auf den Kerl eine Platte verschwenden“, sagte Waronker nach der Session brummig zu Husney.
Aber Warner Bros. stellten dennoch eine entscheidende Bedingung: Ein übergeordneter Produzent, jemand mit viel technischer Erfahrung, sollte mit dabei sein, um den Aufnahmeprozess zu überwachen. Prince und Husney merkten, dass sie ihren Verhandlungsspielraum erschöpft hatten und lenkten ein. Die Aufgabe erhielt Tommy Vicari, ein erprobter Aufnahmetechniker, der bereits mit Carlos Santana, Billy Preston und anderen gearbeitet hatte.
Da Prince in Minneapolis aufnehmen wollte, machte er sich zunächst im Sound 80 ans Werk, wo er auch sein erstes professionelles Demo eingespielt hatte. Vicari hätte lieber in einem noch besser ausgestatteten Studio gearbeitet, und als technische Probleme die Sessions unterbrachen, schlug er vor, in ein Nobelstudio in Los Angeles umzuziehen. Husney war dagegen und erklärte, dass ein Neunzehnjähriger – selbst wenn er so diszipliniert war wie Prince – sich nur allzu leicht von der Partyatmosphäre der Stadt würde ablenken lassen. Sie einigten sich auf einen Kompromiss, auf das Record Plant in Sausalito, einer netten nordkalifornischen Stadt in der Nähe von San Francisco. Das Label mietete dem Team ein hübsches Haus im nahe gelegenen Corte Madera, das einen schönen Blick aufs Meer bot, und Prince, Vicari, Husney und dessen Frau Britt zogen dort ein.
Auf Prince, der nun der jüngste Warner-Produzent aller Zeiten war, lastete nun ein recht großer Druck, und als er ins Studio ging, war er von dem Gefühl durchdrungen, eine Mission erfüllen zu müssen. Wie immer nahm er jeden Song allein auf, indem er zunächst eine Basis aus Schlagzeug und Bass schuf und dann die anderen Instrumente hinzufügte. „Er schien zu den Leuten zu gehören, die den ganzen Song schon im Kopf hören können, noch bevor sie ihn gespielt haben“, erinnerte sich der Tontechniker Fontano.
Als zuvor die Demoaufnahmen im Sound 80 entstanden waren, hatte man im Studio noch viel gelacht, aber nun war es Prince todernst. Er arbeitete mit äußerster Konzentration und sorgte dafür, dass jeder Ton richtig saß, bis jeder Song perfekt klang. Die Musik, die dabei entstand, war größtenteils recht typischer R & B und besonders von Balladen geprägt. Er verließ sich dabei vor allem auf einen Oberheim-Synthesizer, der den Tracks oftmals einen stark elektronisch geprägten Sound verlieh. Um sich von anderen R&B-Gruppen abzuheben, die oft mit Trompeten oder Saxofonen arbeiteten, setzte er den Synthesizer vor allem für Elemente ein, die ansonsten von den Bläsern übernommen wurden. Zu Anfang sprach Prince kaum mit Vicari oder Fontano. Er passte jedoch genau auf, wie sie das Equipment im Studio nutzten. Ihnen war zwar bewusst, dass er es letztlich darauf anlegte, sie überflüssig zu machen, aber sie staunten dennoch über seine Konzentration und über sein Geschick, mit dem er sich neue Fähigkeiten blitzschnell aneignete. „Sein größtes Talent ist, dass er einem Schwamm gleicht und alles Mögliche, was er bei anderen beobachtet, einfach so aufsaugen kann“, sagte Husney.
Mit Dave Rivkin wurde ein weiterer Toningenieur aus Minneapolis eingeflogen, um seinen Gesang aufzunehmen. Prince, der sich sehr freute, ein bekanntes Gesicht zu sehen, wurde nun entspannter und freundlicher, und er verbrachte mit Rivkin auch viel Zeit außerhalb des Studios. Als sie eines Abends in einem noblen Restaurant in Sausalito essen waren, kaufte Prince eine Wasserpistole, mit der sie abwechselnd an die Decke schossen. „Noch drei Tische weiter sahen die Leute nach oben und fragten sich, ob da etwas undicht war“, erinnerte sich Rivkin. „Wir versuchten, uns das Lachen zu verkneifen.“
Aber im Studio stellte es sich als schwierig und Zeit raubend heraus, dem Gesang genau die Form zu geben, die Prince vorschwebte, und er nahm seine Vocals immer wieder neu auf. Allmählich begann Rivkin sich zu sorgen, dass sein Perfektionismus jegliche Spontaneität in der Musik zerstörte. Bei „For You“, einem a cappella gesungenen Track, versah Prince seine Stimme mit sechsundvierzig Overdubs. „Er stand so unter Druck, dass er viele Dinge immer wieder und wieder neu einspielte“, sagte Rivkin. Dicke Schichten Overdubs wurden zusätzlich verwendet, um seine Fähigkeiten als Musiker unter Beweis zustellen; das packende „Soft And Wet“ war mit Synthesizerfiguren überfrachtet, die von der eigentlichen Melodie viel zu sehr ablenkten.
Bei dieser kalkulierten Herangehensweise war es wenig verwunderlich, dass das Albumbudget deutlich überschritten wurde. Zwar beschwerten Warner Bros. sich nicht, aber Waronker flog eines Nachmittags ein, um sich selbst vom Fortschritt an der Platte zu überzeugen. Sofort nach seiner Ankunft war zu spüren, dass Prince schon seine bloße Anwesenheit als Einmischung betrachtete. Als Waronker dann noch vorschlug, auf dem Song „So Blue“ mehr Bass einzusetzen, explodierte Prince und bestand darauf, dass der Warner-Chef das Studio verließ. Als Waronker nach Los Angeles zurückkehrte, erkannte er immer deutlicher, dass sein Label hier einen Künstler an Land gezogen hatte, dem nur die völlige Kontrolle über seine Karriere je genügen würde.
Prince war genauso wenig interessiert an den Vorschlägen des übergeordneten Produzenten Tommy Vicari, der darauf gehofft hatte, bei diesem Album eine richtungweisende Rolle übernehmen zu können. Fontano schilderte das Verhältnis so: „Er betrachtete Tommy nach dem Motto: ‚Oh, der Babysitter ist hier, Daddy ist zuhause.‘“ Nachdem er Vicari einige Wochen lang mit speziellen Fragen zur Benutzung des Equipments gelöchert hatte, ignorierte Prince ihn schließlich. Wenn Vicari grundlegende Änderungsvorschläge machte, kamen kurze und ablehnende Antworten. Eines Abends äußerte sich die negative Haltung von Prince in einem bizarren drastischen Streich. Er war allein im Haus in Corte Madera und nutzte die Zeit, um einige Kleidungsstücke von Husney mit Blättern auszustopfen und daraus eine improvisierte Puppe zu basteln, der er dann ein Messer in den Rücken stach, bevor er sie in Vicaris Bett legte. „Vicari kam um vier Uhr früh nachhause und dachte als Erstes, jemand hätte Owen umgebracht“, berichtete Rivkin. „Er fing richtig an zu schreien.“
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