1 ...8 9 10 12 13 14 ...30 Als das Team nach Minneapolis zurückgekehrt war, klingelte bei Husney das Telefon. RSO und ABC hatten zwar dankend abgelehnt, aber die anderen drei Labels waren weiterhin interessiert und wollten über ein Angebot nachdenken. Husney formulierte nun die Forderungen, auf die er und Prince sich geeinigt hatten. A&M wollten lediglich einen Vertrag über zwei Alben anbieten, und damit waren sie schon aus dem Rennen. Warner Bros. und CBS boten beide lukrative Dreialbendeals, aber beide äußerten Bedenken, Prince selbst produzieren zu lassen. CBS kamen schließlich mit einer Idee, die sie für ganz wunderbar hielten: Verdine White, der Bassist der beliebten R&B-Band Earth, Wind & Fire, sollte das erste Album produzieren. „Damit war die Möglichkeit, dass Prince bei CBS unterschrieb, vom Tisch“, erinnerte sich Husney.
Also blieben nur noch Warner. Dort ging man allenfalls so weit, dass man es Prince gestatten wollte, beim ersten Album als Koproduzent zu fungieren, aber viele andere Umstände sagten Prince und Husney sehr zu. Das Unternehmen hatte in den Siebzigern unter der Leitung von Mo Ostin und Lenny Waronker den Ruf erworben, interessante Künstler unter Vertrag zu nehmen und deren Kreativität sorgfältig zu fördern. Zudem waren Prince und Husney beeindruckt von der Art, mit der Russ Thyret an die Treffen herangegangen war. „Während uns alle anderen groß ausführten, in schicke Restaurants schleppten und uns Häuser in Beverly Hills versprachen, lud uns Russ zu sich nachhause ein, setzte sich auf den Boden und redete mit uns über Musik“, sagte Husney. „Dabei entstand eine echte Verbundenheit.“
Doch bevor er seine Entscheidung fällte, machte Prince die Warner-Angestellten noch auf eine Sache aufmerksam, die ihm am Herzen lag: Er wollte nicht ausschließlich als R&B-Künstler vermarktet werden. „Ich bin Künstler und mache Musik aus ganz verschiedenen Richtungen“, betonte er. „Ich bin kein R&B-Künstler, ich bin kein Rocker.“ Zur damaligen Zeit hatten die meisten Labels, so auch Warner, eigene Abteilungen für „Black Music“, und Prince wollte auf keinen Fall seine kreativen Möglichkeiten eingrenzen.
Die Warner-Manager gaben die richtigen Antworten, und Prince unterschrieb am 25. Juni 1977 – er war gerade neunzehn geworden – einen Vertrag mit Warner über drei Alben. Damit begann eine Zusammenarbeit, die sich zu einer der fruchtbarsten und lukrativsten – und gleichzeitig zu einer der frustrierendsten und peinlichsten – in der Geschichte des ehrwürdigen Labels entwickeln sollte. Zu jener Zeit waren Ostin und Waronker optimistisch, ein Talent unter Vertrag genommen zu haben, wie es jede Generation nur einmal hervorbringt. Hätten sie innegehalten und nachgedacht, dann hätten sich die Warner-Chefs vielleicht Gedanken darüber gemacht, wie ein derart auf seine Unabhängigkeit bedachter Mensch wohl auf die Zwänge reagierte, die sich bei der Arbeit innerhalb eines amerikanischen Großkonzerns unweigerlich ergaben. Welches Maß an Kontrolle würde jemand wie Prince fordern?
Als man zur Feier des Vertragsabschlusses gemeinsam essen ging, wirkte Prince schüchtern und steif. Nach dem offiziellen Essen kommunizierte er jedoch auf seine eigene Weise mit den Warner-Managern, indem er einen Song aufnahm, der den Titel „We Can Work It Out“ trug. Der Text des unveröffentlichten Songs kann nur als Ausdruck der Hoffnung interpretiert werden, dass die Geschäftsbeziehung zwischen Prince und Warner Bros. glücklich und fruchtbar sein würde. Stattdessen sollte sie eines Tages mit einem großen Knall zu Ende gehen.
2.: Im Alleingang
Nur wenige Wochen nachdem Prince seinen Vertrag mit Warner Bros. unterzeichnet hatte, stellte sich erstmals konkret die Frage, wer in dieser Arbeitsbeziehung tatsächlich den Ton angeben würde. Zwar hatte die Firma zugestimmt, dass er sein erstes Album zumindest koproduzieren durfte, aber es war noch nicht geklärt, wer der andere Produzent sein würde, und vor allem nicht, wie stark Prince den Sound seines Albums selbst würde bestimmen dürfen. Seiner Ansicht nach war die Antwort ganz einfach: Die Entscheidungen lagen in seinen Händen. Dadurch, dass drei Firmen um seine Unterschrift konkurriert hatten, hatte sich bei ihm die Vorstellung noch mehr verfestigt, dass ihm ein derartiger Einfluss zustand, und er begann nun weitere Forderungen zu stellen. „Er legte es definitiv darauf an, die Botschaft zu übermitteln: ‚Ich kann das alles allein, und ihr könnt mich am Arsch lecken‘“, sagte Steve Fontano, der als Toningenieursassistent an der Platte mitarbeitete.
Dennoch zögerten Warner Bros., den Forderungen des jungen Künstlers ganz und gar nachzugeben. Die Firmenköpfe Mo Ostin und Lenny Waronker waren zwar von seinem Talent überzeugt, aber sie waren sich nicht sicher, ob sie ihm diese komplizierte und kostspielige Aufgabe anvertrauen konnten, die sowohl technisches Wissen als auch jene große unbekannte Qualität voraussetzte – die Gabe, einen Sound zu erschaffen, der bei den Radios gut ankommen würde. Während der Siebziger und bis weit in die Achtziger hatte der Produzent eine Schlüsselstellung inne, und bei neuen Künstlern wurde fast immer ein erfahrener Profi engagiert, um das Werk in die richtige Richtung zu bringen. Männer – es waren fast immer Männer – wie Nile Rogers, der Kopf der Band Chic, James Anthony Carmichael, der häufig für die Commodores tätig war, und Giorgio Moroder, der Hitfabrikant von Donna Summer und anderen, regierten am Mischpult mit eiserner Hand. Einem Neunzehnjährigen diese Verantwortung zu übertragen, so etwas hatte es in der Warner-Geschichte noch nie gegeben.
Aber die Firmenchefs standen vor einem Dilemma: Ihnen wurde klar, dass sie möglicherweise ihren Ruf als künstlerfreundliches Label gefährden würden, wenn sie jetzt zu autoritär auftraten. Genau dieser Ruf hatte Prince ja auch zu ihnen geführt. Ostin und Waronker, für die beide die Mission des Labels darin bestand, Kreativität zu fördern, zogen es vor, lediglich ein gewisses Maß an Kontrolle auf Prince auszuüben, statt es sich mit ihm oder seinem Manager völlig zu verderben. Die Karrieren der beiden Firmenchefs waren bereits seit 1966 miteinander verbunden, als Ostin, der damals neununddreißigjährige Vizepräsident von Reprise Records, den sechsundzwanzigjährigen Waronker für sein A&R-Team anheuerte, jene Abteilung, die sich um die Entdeckung neuer und die Förderung bereits etablierter Künstler kümmert. Als Ostin Anfang der Siebziger Firmenchef von Warner wurde, brachte er Waronker als leitenden Angestellten mit. Beide Männer bauten sich innerhalb der Branche einen fantastischen Ruf auf – man betrachtete sie als umgänglich, ehrlich und enorm geschickt dabei, Musiker fürs Label auszuwählen. Beide waren persönlich zudem recht zurückhaltend und vermieden Publicity, und sie waren es gewöhnt, mit brillanten, schillernden und fordernden Künstlern umzugehen.
Ostin trat ganz sanft auf, als er Husney im Sommer 1977 anrief, um mit ihm über die Frage des Koproduzenten zu sprechen. Er schlug dabei zunächst einen der größten Namen in der R&B-Szene vor: Maurice White, den Chef und Schlagzeuger von Earth, Wind & Fire, einer Supergroup, die in den Siebzigern eine ganze Reihe erfolgreicher Alben herausgebracht hatte. Die tanzbaren Songs der Band ließen großes Songwritergeschick erkennen, und der glatte Sound prägte maßgeblich die Radiolandschaft seiner Zeit. Singles wie „Serpentine Fire“ und „Shining Star“ wurden große Charterfolge und übten großen Einfluss auf andere R&B-Produzenten aus. Ostin betrachtete White als jemanden, der einerseits dafür sorgen würde, dass die Platte eine gewisse Richtung bekam, und der andererseits ein idealer Mentor für einen jungen Künstler werden konnte. Husney hingegen wusste genau, dass Prince von der Idee entsetzt sein würde – er hatte ja schon den Vorschlag von CBS Records abgelehnt, dass Whites Bruder Verdine seinen Erstling produzieren sollte. Prince war felsenfest entschlossen, es allein zu schaffen, und er wollte bei niemandem auf dem Trittbrett mitfahren. Zudem fielen Earth, Wind & Fire für ihn in die Disco-Kategorie, eine Untergruppierung des R & B, die auf einfach gestrickten Melodien, neumodischen elektronischen Effekten und leichtgewichtigen Tanzrhythmen basierte. Er war überzeugt, dass diese Mode schnell überholt sein würde, und er wollte auf keinen Fall mit den dazugehörigen Gruppen in einen Topf geworfen werden.
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