g. Die Konzessionsvergabeordnung (KonzVgV).Mit der Verordnung über die Vergabe von Konzessionen 60wurde eine weitere Vergabeordnung für die Vergabe von Konzessionen geschaffen, deren Aufbau ebenfalls den anderen Vergabeordnungen im Wesentlichen nachgebildet ist. Anwendungsfelder sind die Baukonzessionen(§ 105 Abs. 1 Nr. 2 GWB) über die Erbringung von Bauleistungen sowie Dienstleistungskonzessionen(§ 105 Abs. 1 Nr. 2 GWB), also die entgeltliche Übertragung öffentlicher Aufgaben, z. B. der Müllabfuhr, der Prägung von Kfz-Kennzeichen oder des Bestattungswesens, auf private Unternehmer. Das Verfahren entspricht in den meisten Punkten dem Ablauf des Vergabeverfahrens, soll in diesem Buch aber nicht behandelt werden.
h. Landesrecht.Auf Grundlage von § 55 Abs. 1 BHO 61i. V. m. § 30 HGrG haben die Bundesländer eigene Regelungen zum Vergaberecht geschaffen, die das nationale Vergaberecht konkretisieren und bestimmte Vergabeverfahren schon bei geringeren Auftragswerten vorschreiben oder ausführlichere Regelungen zum Verfahren und den Dokumentations- und Rechenschaftspflichten der Auftraggeber regeln. Oft ist dies in eigenen Vergabegesetzen, zum Teil im Wege von Erlassen und Richtlinien geschehen. Darüber hinaus haben die Länder eine Reihe von Regelungen geschaffen, die durch z. B. Einführung von Wertgrenzen für bestimmte Vergabearten eine erleichterte und schnellere Auftragsvergabe ermöglichen sollten. In § 129 GWB ist den Bundesländern eröffnet worden, besondere Anforderungen an die Ausführung der Leistungen eines öffentlich vergebenen Auftrags i. S. v. § 128 Abs. 2 GWB durch Parlamentsgesetze regeln zu dürfen.
Schema::Nationale Rechtsvorschriften bei EU-weiter Ausschreibungspflicht
Der nachfolgende Teil stellt die Grundlagen der Ausschreibung dar: den persönlichen und sachlichen Anwendungsbereich des Vergaberechts (Kreis der Auftraggeber, Begriff des öffentlichen Auftrags), die Zweiteilung des Vergaberechts infolge der Schwellenwerte, die Arten der Vergabe, Teilnehmer am Wettbewerb, Inhalt und Umfang der Vergabeunterlagen, insbesondere der Leistungsbeschreibung sowie die wesentlichen Fristen, die im Rahmen des Verfahrens zu beachten sind.
Entsprechend der Hierarchie der vergaberechtlichen Vorschriften geht die Darstellung im Schwerpunkt von den gesetzlichen Bestimmungen des GWB aus und bezieht im jeweiligen Zusammenhang die wesentlichen Normen der VgV und der Vergabe- und Vertragsordnungen ein. Auf die Besonderheiten der SektVO soll nur am Rande eingegangen werden.
I.Öffentliche Auftraggeber
Adressat und Verpflichteter des Vergaberechts ist der öffentliche Auftraggeber. Die Definition des öffentlichen Auftraggebers findet sich in § 99 GWB, der den persönlichen Anwendungsbereich des GWB-Vergaberechts festlegt.
§ 99 GWB liegt ein funktioneller Auftraggeberbegriffzugrunde, d. h. die Auftraggebereigenschaft wird – anders als beim institutionellen Auftraggeberbegriff, der auf die Pflicht zur Beachtung haushaltsrechtlicher Bestimmungen abstellt – nicht an eine öffentlich-rechtliche Organisationsform, sondern an die Wahrnehmung hoheitlicher Aufgaben angeknüpft. Der öffentlichen Hand sollen zur Aufgabenerfüllung alle Organisationsformen, auch privatrechtliche, zur Verfügung stehen, ohne dass die Beschaffungstätigkeit dieser u. U. auch privatrechtlichen Einrichtungen dem Vergaberecht entzogen ist.
1.Gebietskörperschaften als „klassische“ Auftraggeber
Zur Anwendung des GWB-Vergaberechts sind zunächst Gebietskörperschaften wie Bund, Länder und Gemeindenund deren öffentlich-rechtliche Sondervermögen 62sowie weitere juristische Personen des öffentlichen Rechts (Anstalten, Stiftungen) verpflichtet. Die genannten Rechtssubjekte werden auch als „klassische Auftraggeber “bezeichnet; sie bereiten selten Schwierigkeiten bei der Einordnung als öffentliche Auftraggeber.
Fall 5:Merkels Vorschlag
Sachverhalt:
Die Stadt Holzhagen beschließt, ihre Gebäude und deren Inventar versichern zu lassen. Sie beauftragt daraufhin den Makler Merkel, eine Ausschreibung der Versicherungsleistungen vorzubereiten und durchzuführen, wobei die Maklervereinbarung mit Vorlage eines Vergabevorschlages für die Gebäudeversicherung der Stadt endet. Merkel schreibt im Namen der Stadt die Versicherungsleistungen im Supplement des Amtsblattes der EU im Offenen Verfahren aus. Es gehen acht Angebote ein, unter denen Merkel nach eingehender Prüfung dasjenige der Heureka Brandkasse als Vorschlag auswählt. Die Stadt möchte dem Vorschlag folgen und informiert die Bieter über die beabsichtigte Zuschlagserteilung. Die unterlegene K & O-Versicherung beantragt daraufhin die Einleitung eines Nachprüfverfahrens. War die Ausschreibung rechtmäßig?
Lösung:
Auftraggeber ist die Stadt. Auch wenn sie das Verfahren durch einen Makler durchführen lässt, soll sie Vertragspartnerin des Versicherungsvertrages werden; ihr Versicherungsbedarf soll gedeckt werden. Grundsätzlich hat der Auftraggeber die Möglichkeit, sich Dritter bei der Durchführung der Ausschreibung zu bedienen, um sich deren Sachverstand zunutze zu machen. Diese Verfahrensweise entspricht etwa der gängigen Praxis bei der Vergabe von Bauleistungen, bei der Ingenieurbüros der betroffenen Fachrichtung die Ausschreibung vorbereiten und die Angebotsauswertung mit dem Erstellen eines Vergabevorschlages übernehmen. Die Einschaltung eines Maklers in die Ausschreibung begegnet daher keinen rechtlichen Bedenken. Sie beseitigt aber nicht die Verpflichtung zur EU-weiten Ausschreibung. Diese Verpflichtung hat der Makler erfüllt. Die Ausschreibung erfolgte somit rechtsfehlerfrei.
Problemtisch könnte sein, wenn die Vergütung des Maklers von einer möglichst niedrigen Prämie abhängt (i. S. eines Erfolgshonorars), während im Vergabeverfahren für die Wertung der Wirtschaftlichkeit der Angebote neben dem Preis auch qualitative Kriterien, wie Service und Versicherungsumfang, berücksichtigt werden sollen. Dann könnte ein Interessenkonflikt beim Makler entstehen. Besser ist es in diesem Fall, mit dem Makler eine Festvergütung zu vereinbaren.
2.Andere juristische Personen als funktionelle Auftraggeber
Da der Staat sich zur Wahrnehmung seiner Aufgaben zunehmend privatrechtlicher Organisationsformenbedient, muss der Auftraggeberbegriff dieser Erscheinung Rechnung tragen, um eine Flucht des Staates in das Privatrecht zu verhindern. So umfasst der Kreis der öffentlichen Auftraggeber gem. § 99 Nr. 2 GWB alle juristischen Personen sowohl des öffentlichen als auch des privaten Rechts, die zu dem besonderen Zweck der Erfüllung von nichtgewerblichen Aufgaben im Allgemeininteressegegründet worden sind und die durch die öffentliche Hand aufgrund von Beteiligungen oder überwiegender Finanzierung beherrscht werden (sog. funktionelle Auftraggeber).
Praxistipp:Bei der Einordnung bestimmter Rechtssubjekte unter den Begriff des öffentlichen Auftraggebers kann der Anhang III der Vergabekoordinierungsrichtlinie zur Hilfe genommen werden, der eine Auflistung der in Deutschland zur Anwendung des Vergaberechts verpflichteten Rechtssubjekte bereithält.
Da diese Auflistung nicht abschließend ist, ist eine Definition der Rechtsbegriffe des Allgemeininteresses sowie der nichtgewerblichen Art notwendig.
Ausgehend von den Richtlinien wird der Begriff „Allgemeininteresse “funktionell verstanden. Hiernach sind Einrichtungen – ungeachtet der Rechtsform – im Allgemeininteresse tätig, wenn sie nach ihrer rechtlichen ZweckbestimmungAufgaben im gesamtgesellschaftlichen Interessewahrnehmen. Hierzu sind Satzungen, Verordnungen, die Gründungsakte u. Ä. heranzuziehen. Dem Europäischen Gerichtshofzufolge kommt es darauf an, dass die Einrichtung Aufgaben wahrnimmt, die sie als besondere Pflicht zu erfüllen hat und die eng mit dem institutionellen Funktionieren des Staates verknüpft sind 63, also staatliche Aufgaben, die als „angeboren“, „ursprünglich“ bzw. „echt“ zu bezeichnen sind. 64Die Definition bezieht sich damit auf Aufgaben, die auf andere Art als durch Angebot von Waren oder Dienstleistungen auf dem Markt erfüllt werden und die hoheitliche Befugnisse bzw. die Wahrnehmung der Belange des Staats und damit letztlich Themen betreffen, die der Staat aus Gründen des allgemeinen Wohles selbst erfüllen oder bei deren Erfüllung er entscheidenden Einfluss behalten möchte 65– die zu bewältigende Aufgabe also nicht im privaten Interesse Einzelner liegt. Dabei ist unbeachtlich, dass derartige Aufgaben auch von Privaten erfüllt werden oder erfüllt werden können. Hiernach wurden z. B. die Herstellung von Reisepässen und Personalausweisen, das Abholen und Behandeln von Hausmüll, der Betrieb einer Universität, Tätigkeiten im Bereich des sozialen Wohnungsbaus sowie Tätigkeiten einer privatrechtlichen Gesellschaft im Rahmen eines Stadtentwicklungsprojekts als Sachverhalte qualifiziert, die grundsätzlich dem Interesse der Allgemeinheit dienen. 66
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