• der freie Warenverkehr(Art. 28 ff. AEUV), der das Verbot von Zöllen und Abgaben gleicher Wirkung sowie das Verbot mengenmäßiger Ein- und Ausfuhrbeschränkungen enthält,
• der freie Personenverkehr, insbesondere die Freizügigkeit der Arbeitnehmer (Art. 45 AEUV) und die Niederlassungsfreiheit (Art. 49 AEUV),
• der freie Dienstleistungsverkehr(Art. 56 AEUV) und
• der freie Kapitalverkehr(Art. 63 ff. AEUV).
von Bedeutung. Wesentliches Merkmal aller Grundfreiheiten ist deren unmittelbare Anwendbarkeit, d. h. jeder Unionsbürger kann sich auch ohne eine Umsetzung ins nationale Recht auf sie berufen.
b. Die EU-Vergaberichtlinien.Richtlinien der Europäischen Gemeinschaft gelten gem. Art. 288 Abs. 3 AEUV in den Mitgliedstaaten nicht unmittelbar; erforderlich ist vielmehr eine Umsetzung in nationales Recht .Dabei verbleibt den Mitgliedstaaten jedoch hinsichtlich der Form und der Mittel ein gewisser Spielraum, um nationale Besonderheiten zu berücksichtigen. Lediglich das Ziel der Richtlinien ist für alle Mitgliedstaaten verbindlich. 33
Bis 2004 gab es drei Richtlinien für die Vergabe von Bau-, Liefer- und Dienstleistungsaufträgen („klassische Vergaberichtlinien“) 34, die sog. Sektorenrichtlinie sowie zwei Rechtsmittelrichtlinien. Mit Inkrafttreten des Legislativpaketsam 31.3.2004 wurden die bisherigen Vergaberichtlinien überarbeitet und in der Vergabekoordinierungsrichtlinie 35zusammengefasst. Die Sektorenkoordinierungsrichtlinie 36ist ebenfalls überarbeitet worden. Diese führten u. a. die Nutzung elektronischer Medien, den wettbewerblichen Dialogsowie die Möglichkeit der Berücksichtigung ökologischer und sozialer Kriterien in das Vergaberecht ein.
Hiermit blieb die Entwicklung jedoch keineswegs stehen. Das EU-Parlament hat am 15.1.2014 neue Richtlinien für die öffentliche Auftragsvergabe verabschiedet – zum einen Neufassungen der Vergaberichtlinie (RL 2014/24/EU) 37für klassische Auftragsvergaben und der Richtlinie für Sektorenvergaben (RL 2014/25/EU) 38 ,zum anderen eine neu geschaffene Konzessionsrichtlinie (RL 2014/23/EU). 39
Die Vergaberichtlinieenthält Bestimmungen für Bau-, Liefer- und Dienstleistungsaufträge. Die Schwellenwerte werden von der Kommission alle zwei Jahre überprüft und gem. Art. 6 der Vergaberichtlinie neu festgelegt.
Sie ist – wie die Sektorenrichtlinie – in ihrer Struktur am logischen Ablauf des Vergabeverfahrens orientiert.
Die neue Vergaberichtlinie führt neben bislang der Rechtsprechung überlassenen Themen, wie der In-house-Vergabe und der interkommunalen Zusammenarbeit, u. a. die vergaberechtliche Beurteilung von Vertragsänderungen und einen Vorrang der elektronischen Kommunikationsmittel ins Vergaberecht ein.
Die materiellen Vergaberichtlinien wurden durch zwei Rechtsmittelrichtlinien flankiert: die (eigentliche) Rechtsmittelrichtlinie (RMR) 40, die sich auf die Anwendung und Durchführung von Nachprüfungsverfahren im Rahmen öffentlicher Liefer-, Bau- und Dienstleistungsaufträge bezieht, sowie die Sektorenrechtsmittelrichtlinie (SRMR) 41für den Bereich der Sektoren. Beide Rechtsmittelrichtlinien sind durch die Richtlinie 2007/66/EG 42erneuert worden. So wurden die Vergabestellen verpflichtet, vor Abschluss eines öffentlichen Auftrags eine gewisse Anzahl von Tagen verstreichen zu lassen. Wurde diese sog. Stillhaltefristnicht eingehalten, schreibt die Richtlinie den nationalen Gerichten unter bestimmten Voraussetzungen vor, einen unterzeichneten Vertrag für unwirksam zu erklären. Ein weiteres Ziel der Richtlinie war die Bekämpfung der freihändigen Vergabe öffentlicher Aufträge ( „De-facto-Vergabe “).
a. Überblick, Vergaberechtsreform 2016 und 2019.Die Umsetzung der europäischen Richtlinien zum Vergaberecht ist in Deutschland durch die §§ 97 ff. GWB, die VgV, die SektVO und die Vergabeordnungen der VOB/A und UVgO erfolgt. Letztere stellen im Gegensatz zum GWB sowie der SektVO und VgV keine Gesetze im formellen oder materiellen Sinne dar, sondern werden von Ausschüssen erarbeitet und verabschiedet, in denen Vertreter der öffentlichen Hand (Bund, Länder, Kommunen) und der Spitzenverbände der deutschen Wirtschaft vertreten sind.
Am 18. April 2016 sind durch das Vergaberechtsmodernisierungsgesetz umfangreiche Änderungen im Vergaberecht in Kraft getreten. Im Zuge dieser wurden die VgV 43, SektVO 44und VSVgV 45neu gefasst und eine Konzessionsvergabeordnung (KonzVgV) 46geschaffen, welche der Umsetzung der Konzessionsrichtlinie dienen sollte. Die VOL/A fiel im Oberschwellenbereich ebenso weg wie die VOF; im Unterschwellenbereich wurde sie durch die UVgO ersetzt.
b. Gesetz gegen Wettbewerbsbeschränkungen (GWB).Die wesentlichen Bestimmungen des Vergaberechts finden sich im Vierten Teil des Gesetzes gegen Wettbewerbsbeschränkungen (GWB). Sie gliedern sich in zwei Kapitel; das Kapitel 1 unterteilt sich in drei Abschnitte:
• Im Ersten Abschnitt (§§ 97–114 GWB)sind im Wesentlichen die Grundsätze des Vergabeverfahrens, der Anwendungsbereich des Gesetzes sowie die wichtigsten Begriffe dargelegt. Er enthält zudem Ermächtigungsgrundlagen zum Erlass von Verordnungen und Vorschriften.
• Der Zweite Abschnitt (§§ 115–135 GWB)regelt den Ablauf des Vergabeverfahrens.
• Gegenstand des Dritten Abschnitts (§§ 136–154 GWB)sind Sonderregelungen zu den besonderen Anwendungsgebieten (Wasser, Energie, Verkehr; Verteidigung und Sicherheit; Konzessionen).
In Kapitel 2 (§§ 155–186)befinden sich Regelungen zum Rechtsschutz und sonstige Regelungen, z. B. spezielle Anspruchsgrundlagen zum Schadensersatz und zu einem Korrekturmechanismus der EU-Kommission, sowie die Übergangsbestimmungen, aus denen sich der zeitliche Anwendungsbereich der neuen Vorschriften ergibt.
c. Verordnung über die Vergabe öffentlicher Aufträge (VgV).Die Vergabeverordnung dient der Konkretisierung von Vorgaben des GWB, wobei sie für die Vergabe von Liefer- und Dienstleistungsaufträgen sämtliche Regelungen enthält, während sie für die Vergabe von Bauaufträgen ganz überwiegend statisch auf die anzuwendende Vergabe- und Vertragsordnung für Bauleistungen, Teil A (VOB/A) verweist (vgl. § 2 VgV). Hinsichtlich der Bauleistungen kommt ihr damit vor allem eine Scharnierfunktionzwischen den allgemeinen bundesrechtlichen Regelungen des GWB und den detaillierten Vorschriften der Vergabe- und Vertragsordnungen zu.
Wesentlicher und für alle Auftragsvergaben sog. klassischer öffentlicher Auftraggeber gültiger Inhalt der VgV sind Bestimmungen zur Schätzung der Auftragswerte (§ 3 VgV), zu Organisationsfragen auf Seiten des Auftraggebers (§ 4 VgV gemeinsame Auftragsvergabe, zentrale Beschaffungsstellen – in Ergänzung der Regelungen des § 120 Abs. 4 GWB), § 5 VgV Wahrung der Vertraulichkeit, § 6 VgV Vermeidung von Interessenkonflikten – Stichwort: „Projektantenproblematik“ –, § 7 VgV Mitwirkungsverbote), Dokumentationspflichten (§ 8 VgV), Regelungen zur (grundsätzlich elektronischen) Kommunikation (§§ 9–12 VgV) und zu besonderen Instrumenten (§ 21 VgV Rahmenvereinbarungen, §§ 22–24 VgV dynamische Beschaffungssysteme, §§ 25–26 VgV elektronische Auktionen, § 27 VgV elektronische Kataloge).
Im Abschnitt 2 sind Regelungen zum Vergabeverfahren im Allgemeinen für die Vergabe von Liefer- und Dienstleistungsaufträgen enthalten, ihre Systematik folgt dem Verlauf des Vergabeverfahrens. Die Abschnitte 3 bis 6 enthalten abweichende Spezialregelungen für die Beschaffung von energieverbrauchsrelevanten Leistungen und Straßenfahrzeugen (§§ 67–68 VgV), für Planungswettbewerbe (§§ 69–72 VgV) und für die Vergabe von Architekten- und Ingenieurleistungen (§§ 73–80 VgV, die „Reste“ der ehemaligen VOF). Es folgen Übergangsbestimmungen zum zeitlichen Anwendungsbereich des neuen Rechts (§ 81 VgV) und eine Regelung zur Fristberechnung (§ 82 VgV).
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