Lena Schätte
RUHRPOTTLIEBE
Roman
Bibliografische Information Der Deutschen Nationalbibliothek
Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie;
detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über www.d-nb.deabrufbar.
ISBN 978-3-865067-58-6
Originalausgabe 2014
© 2014 MARLON
Ein Imprint der Joh. Brendow & Sohn Verlag GmbH,
Gutenbergstr. 1, 47443 Moers
www.marlon-verlag.de
Alle Rechte vorbehalten. Das Werk ist urheberrechtlich geschützt.
Jede Verwertung außerhalb der gesetzlich geregelten Fälle muss vom Verlag schriftlich genehmigt werden.
Umschlaggestaltung: Brendow Verlag, Moers
Titelfoto: fotolia© Fernando Cortés, fotolia© Ji Sign
Satz: Brendow Web & Print, Moers
1. digitale Auflage: Zeilenwert GmbH 2014
„Wenn so viele einsam sind, wie einsam zu sein scheinen,
wäre es unentschuldbar egoistisch, allein einsam zu sein.“
Tennessee Williams
Cover
Titel Lena Schätte RUHRPOTTLIEBE Roman
Impressum Bibliografische Information Der Deutschen Nationalbibliothek Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über www.d-nb.de abrufbar. ISBN 978-3-865067-58-6 Originalausgabe 2014 © 2014 MARLON Ein Imprint der Joh. Brendow & Sohn Verlag GmbH, Gutenbergstr. 1, 47443 Moers www.marlon-verlag.de Alle Rechte vorbehalten. Das Werk ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung außerhalb der gesetzlich geregelten Fälle muss vom Verlag schriftlich genehmigt werden. Umschlaggestaltung: Brendow Verlag, Moers Titelfoto: fotolia© Fernando Cortés, fotolia© Ji Sign Satz: Brendow Web & Print, Moers 1. digitale Auflage: Zeilenwert GmbH 2014
Zitat „Wenn so viele einsam sind, wie einsam zu sein scheinen, wäre es unentschuldbar egoistisch, allein einsam zu sein.“ Tennessee Williams
Kapitel I
Kapitel II
Kapitel III
Kapitel IV
Kapitel V
Kapitel VI
Kapitel VII
Kapitel VIII
Kapitel IX
Kapitel X
Kapitel XI
Kapitel XII
Kapitel XIII
Kapitel XIV
Kapitel XV
Kapitel XVI
Die Liebe in der Postmoderne
„Ich höre auf diesen Bauch seit meinem 14. Lebensjahr,
und so langsam glaube ich,
dass mein Bauch nur Scheiße im Kopf hat.“
Nick Hornby
Mein Kleiderschrank ist zum Bersten gefüllt, doch kann ich nichts Brauchbares finden. Auf der Suche verteile ich alles auf dem Fußboden, Slatko scheint verlockt, sich in das riesige Nest aus frischer Kleidung zu kuscheln, aber ich scheuche ihn immer wieder weg. Seine weißen Hundehaare kleben so auf den schwarzen Sachen. In der schicken blauen Jacke vom letzten Sommer fühle ich mich wie eine Darstellerin aus einem dieser BBW-(Big-Beautiful-Women-)Pornos. Ein kurzer Blick in den Spiegel, und ich weiß: Ich fühle mich nicht bloß so.
„Wie kommst du darauf?“, habe ich gefragt, als mir meine Cousine Marie beteuerte, Johannes und ich müssten uns unbedingt treffen. Wir hätten so viel gemeinsam. Als sie ihn in einer Vorlesung an der Uni sah, habe sie direkt an mich denken müssen, wir seien beide so herrlich szenig, wie sie meinte.
Die heiße Jeans mit der gestickten Krone auf der Arschbacke geht nur zu, wenn ich mich auf den Rücken lege und ganz tief einatme. Deprimierend. Letztendlich entscheide ich mich für einen weiten braunen Zipper mit ausladendem Kragen und riesigen Taschen. Dazu eine schwarze Leggings und meine Lieblingschucks. Hundertprozentig glücklich bin ich nicht, doch ist das zumindest das kleinste Übel. Das Schminken im Bad kommt mir vor wie eine aufwendige Vorbereitungsprozedur, während der ich versuche, mich in Laune zu bringen.
Johannes und ich haben telefoniert. Nächtelang. Er ist geistreich, witzig, doch stellte sich heraus, dass sein Szenigsein darin besteht, ein antifaschistischer Skinhead in Markenklamotten zu sein, und meines darin, Buttons mit frechen Sprüchen auf meine alte Lederjacke zu pinnen.
Mit jedem Schritt in Richtung Bahnhof werde ich ein wenig nervöser. Als ich an Matheos Kneipe entlanglaufe und er mir durch die dreckige Fensterfront grinsend zuwinkt, überlege ich kurz, einfach reinzugehen und mir einen schönen Abend mit ihm in der Kneipenküche zu machen, ein paar Kakao mit Schuss einzuverleiben und Johannes einfach abzusagen. Aber ich würde es bereuen, so viel ist klar. Vielleicht ist Johannes die Liebe meines Lebens, und ich versäume seine Bekanntschaft wegen Billig-Rums in Kakao in der engen Durchgangsküche meines metrosexuellen besten Freundes. Das könnte ich mir nie verzeihen. Also schmeiße ich Matheo ein Luftküsschen zu und laufe weiter.
Der Zug wartet schon am Gleis, als ich durch die Unterführung renne. Das Abteil ist leer – bis auf ein paar Männer, die aussehen wie ehrgeizige Informatikstudenten und über einem Laptop mit Riesendisplay große Augen machen. Wie lange habe ich mich auf diesen Tag gefreut? Wann immer ich mit Prickeln im Bauch in meinem heizungswarmen Schlafzimmer hockte und gebannt das Telefon an mein Ohr presste, habe ich mich gefragt, wie es sein würde. Aber jetzt gerade vergeht mir all die Vorfreude und lässt nur Platz für Nervosität und Schiss. Was, wenn er ganz anders ist, als ich ihn mir vorstelle? Und noch viel wichtiger: Was, wenn ich ganz anders bin, als er sich mich vorstellt? Gelogen habe ich nicht, höchstens hier und da die Wahrheit ein bisschen strapaziert. Na gut, hin und wieder, wenn er von einer hippen Band anfing, googelte ich schnell und warf dann Sätze aus Musikkritiken ein. Das könnte sich jetzt rächen. Auch dieses ganze Skinhead-Ding habe ich noch nicht völlig verstanden. Ich habe mir sogar ein Buch zum Thema gekauft, wirke mittlerweile recht eloquent, aber warum alle Skins gleich herumrennen, die einen aber rechts und die anderen links, andere Antifas und wieder andere unpolitisch sind und man nur an den Schnürsenkeln erkennt, wer zu wem gehört, habe ich noch immer nicht durchschaut.
Von Haltestelle zu Haltestelle wird es endgültiger. Als der Zug am schwarz-gelben Stadion hält, das über den kleinen Bahnhof ragt, pocht mein Herz wie wild. Noch eine Haltestelle. Ein letzter Blick in den kleinen Handspiegel aus meiner Tasche, mit dem ich mir beinahe tussig vorkomme, und ich fahre in den Großstadtbahnhof ein. Dortmund liegt im Scheinwerfer der Laternen ungewohnt ruhig da, nur das Trampeln der Füße meiner Mitreisenden, wie ein stiller Trommelwirbel, ist zu hören. Auf dem überfüllten Bahnsteig legt mein Herz beim Pochen noch einen Zahn zu. Boom, boom … Durch die Unterführung in die Bahnhofshalle. Boom, boom, boom … Ich husche an all den Zeitschriftenläden vorbei, in denen Touristen aberwitzige Postkarten mit rußbeschmierten Zechearbeitern kaufen, in der einen Hand eine Grubenlampe, in der anderen eine Pulle Bier, dickbäuchig einen flachen Spruch in eine Sprechblase drückend. Die dümmlichen Blicke der Frau am Brötchenstand, wo es Käsestullen so teuer wie Goldklunker gibt, folgen den Vorbeilaufenden. Mein Blick schweift durch das Gebäude. Viele Jugendliche mit Einkaufstüten schwirren umher. Boom, boom, boom … Ein Rentnerpärchen steht mit riesigen schwarzen Koffern vor den Abfahrtsplänen. Boom, boom … Als ich inmitten der Menschenmenge stehe und etwas Mühe habe, mich nicht mitziehen zu lassen, sehe ich sein Gesicht. Er sticht heraus, sein Kopf liegt einige Zentimeter über dem Getümmel.
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