Katharina kramte in ihrer Umhängetasche nach ihrem Hausschlüssel. »Das klingt nach einer Beziehungskrise.«
»Ich glaube, nach dem, was Chrissi da gelesen hat, hat sich das mit der Beziehung erledigt«, sagte Heide zerknirscht und strich einige imaginäre Falten ihres rotgrün gepunkteten Minikleides glatt. Heide trug ausnahmslos selbstgenähte Kleidung. Sie war Schneiderin und betrieb ein kleines Atelier im Hafenviertel. Dort fertigte sie Kleider und Röcke an, denen sie Namen gab wie Alpenmädel-Dream-Dress und Funny-Honey-Super-Skirt .
»Oh! Okay.« Katharina steckte den Schlüssel ins Schloss. Wäre sie nicht so geschlaucht von ihren Schmerzen im Knie, hätte sie Heide noch reingebeten. So sagte sie nur: »Das tut mir sehr leid. Vielleicht renkt es sich ja doch wieder ein. Danke für deine Hilfe.«
Das war ja mal eine Neuigkeit. Sie hatte immer gedacht, dass Heide und Chrissi rundum glücklich miteinander seien.
Katharina schob eine Tiefkühlpizza in den Ofen, legte sich einen Salbenverband an und schlüpfte in eine bequeme Jogginghose. Die Schmerztabletten durfte sie erst nach dem Essen einnehmen.
Sie war gerade dabei, den wunderbar altmodischen, aber völlig unbequemen Sessel am Fußende ihres Bettes von einem Kleiderberg zu befreien, da klingelte ihr Handy. Es war ihre Mutter. Edith wollte wissen, wie es ihnen im Sauerland gefallen habe, und Katharina erzählte ihr, dass es bis zum Sonntagmorgen sehr schön gewesen sei. »Du bist über eine schwarze Katze gestolpert?«, vergewisserte sich Edith, nachdem Katharina von ihrem Pech erzählt hatte. Sie meinte, in Ediths Stimme einen Anflug von übertriebener Besorgnis zu hören.
»Ja, genau. Aber bitte fang jetzt nicht an wie Eva. Es bringt kein Unglück, wenn man über schwarze Katzen stolpert!«
Edith räusperte sich. »Kannst du dich an Tante Trautchen erinnern? Die Schwester von Oma Alwine?«
»Ja, natürlich. Ich war ja schon zehn, als sie gestorben ist. War sie nicht immer etwas … speziell …?«
»Ja, das kann man sagen. Heute würde man so jemanden wohl als Esoterikerin bezeichnen. Damals galt sie einfach als eine spleenige alte Jungfer.«
»Und wie kommst du jetzt auf sie?«, fragte Katharina, obwohl sie es sich denken konnte. Sie hatte sich das Telefon zwischen Schulter und Kinn geklemmt und begutachtete einen Pulli, den sie mit ausgestreckten Armen vor sich hielt.
»Ach, ich musste nur gerade an sie denken. Sie ging uns mit ihrem abergläubischen Gefasel häufig auf die Nerven. Aber da gibt es eine Sache, die ist mir bis heute im Gedächtnis geblieben. Mein Vater erzählte einmal, dass die Katze von den Nachbarn ihm fast vors Auto gelaufen wäre, und da meinte Tante Trautchen, wenn die Katze schwarz war und von rechts kam, dann würde das Unglück bringen. Und ob du es glaubst oder nicht, noch am gleichen Tag ist mein Vater von einer Leiter gefallen und hat sich vier Rippen gebrochen.«
Katharina warf den Pulli zur Dreckwäsche auf den Boden und nahm das nächste Kleidungsstück in die Hand. »Das war Zufall. Außerdem kam bei mir die Katze nicht von der Seite, sondern lag friedlich schlafend auf einer Treppenstufe.«
»Ich wollte es ja auch nur mal erwähnt haben, weil mir bei schwarzen Katzen immer Tante Trautchen einfällt. Aber weswegen ich eigentlich anrufe. Kannst du uns nächsten Sonntag zum Flughafen fahren?«
»Ja, klar. Fliegt ihr schon nächste Woche?« Katharina musste sich eingestehen, dass sie überhaupt nicht mehr an die anstehende Reise von Edith und ihrem Freund Ben gedacht hatte. Die beiden hatten eine mehrmonatige Südostasienreise geplant, die durch vier verschiedene Länder führen sollte. Wie konnte sie das nur vergessen, wo die beiden doch die letzten Wochen von nichts anderem geredet hatten? Vietnam, Laos, Kambodscha und Thailand, wenn Katharina sich richtig erinnerte.
»Ja, und ich habe jetzt in der kommenden Woche noch ordentlich zu tun. Ich hoffe, das klappt alles mit meinen Aushilfslehrern. Immerhin habe ich einen Ruf zu verlieren.«
Edith betrieb ein kleines Sprachinstitut, an dem sie Deutsch als Fremdsprache für ausländische Studierende unterrichtete.
»Wie ich dich kenne, hast du das alles tadellos organisiert. Aber was ich dich die ganze Zeit schon fragen wollte, was ist eigentlich aus Bens Frühstücks-Bringdienst geworden?«
Ben war nur wenige Jahre älter als Katharina und seit fast drei Jahren mit ihrer Mutter zusammen. Als Edith ihn kennenlernte, hatte er gerade ein französisches Bistro in der Innenstadt eröffnet, das kurz darauf – aus finanziellen Gründen – schließen musste. Danach wollte Ben es, mit Hilfe eines Freundes und Ediths finanzieller Unterstützung, mit einem indischen Restaurant versuchen. Dieses Vorhaben war vorzeitig geplatzt, weil besagter Freund sich mir nichts dir nichts nach Düsseldorf abgesetzt hatte und nun dort mit seinen Kochkünsten glänzte. Der Frühstücks-Bringdienst war die neueste Idee – und nach Katharinas Meinung genauso zum Scheitern verurteilt wie alles andere. In ihren Augen war Ben mit seinem zwölfsemestrigen Studium in Angewandten Kulturwissenschaften weit von einem erfolgreichen Gastronomen entfernt.
»Der ruht im Moment«, erklärte Edith und kam dann hastig zum Ende des Gesprächs.
Katharina warf das Handy aufs Bett und klaubte die Wäsche vom Fußboden zusammen. Im Flur ließ sie alles vor Schreck wieder fallen. Ein beißender Gestank aus der Küche zog ihr entgegen. »Oh, Mist!«, fluchte sie, und so schnell es ihr möglich war, hastete sie in die Küche. Aus den Seiten der Backofentür waberte weißer Qualm. Als sie die verkohlte Pizza in den Mülleimer warf, konnte sie nicht anders und musste an Tante Trautchen und einen dicken, schwarzen Kater denken.
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