Von der Autorin bisher bei KBV erschienen:
Villa 13
Henrike Jüttingwurde 1970 in Münster geboren. Nach dem Abitur absolvierte sie eine Ausbildung zur Groß- und Außenhandelskauffrau und studierte dann in Bremen Soziologie und Kulturwissenschaften. Anschließend promovierte sie in Wirtschafts- und Sozialwissenschaften und arbeitete in Bremen, Brüssel und Celle.
Seit fünfzehn Jahren lebt sie mit ihrer Familie wieder in ihrer Heimatstadt Münster. Hier begann sie mit dem Schreiben von Kurzgeschichten und absolvierte ein Fernstudium in Literarischem Schreiben. 2017 erschien ihr erster Krimi unter dem Titel Schweigende Wasser .
Nach Villa 13 wird die beliebte Reihe um die Münsteraner Kommissarin Katharina Klein nun mit Schatten über der Werse fortgeführt.
HENRIKE JÜTTING
1. Auflage November 2020
2. Auflage Mai 2021
© KBV Verlags- und Mediengesellschaft mbH, Hillesheim
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von © Stephan Sühling_stock.adobe.com
Lektorat: Volker Maria Neumann, Köln
Print-ISBN 978-3-95441-543-4
E-Book-ISBN 978-3-95441-552-6
Für Axel, Paula und Marlene.
»Das Schicksal nimmt manchmal, um uns nicht zu erschrecken, die Miene des Zufalls an.«
John Nepomuk Nestroy (1801 - 1862)
Über den Autor Von der Autorin bisher bei KBV erschienen: Villa 13 Henrike Jütting wurde 1970 in Münster geboren. Nach dem Abitur absolvierte sie eine Ausbildung zur Groß- und Außenhandelskauffrau und studierte dann in Bremen Soziologie und Kulturwissenschaften. Anschließend promovierte sie in Wirtschafts- und Sozialwissenschaften und arbeitete in Bremen, Brüssel und Celle. Seit fünfzehn Jahren lebt sie mit ihrer Familie wieder in ihrer Heimatstadt Münster. Hier begann sie mit dem Schreiben von Kurzgeschichten und absolvierte ein Fernstudium in Literarischem Schreiben. 2017 erschien ihr erster Krimi unter dem Titel Schweigende Wasser . Nach Villa 13 wird die beliebte Reihe um die Münsteraner Kommissarin Katharina Klein nun mit Schatten über der Werse fortgeführt.
KAPITEL 1
KAPITEL 2
KAPITEL 3
KAPITEL 4
KAPITEL 5
KAPITEL 6
KAPITEL 7
KAPITEL 8
KAPITEL 9
KAPITEL 10
KAPITEL 11
KAPITEL 12
KAPITEL 13
KAPITEL 14
KAPITEL 15
KAPITEL 16
KAPITEL 17
KAPITEL 18
KAPITEL 19
KAPITEL 20
KAPITEL 21
KAPITEL 22
KAPITEL 23
KAPITEL 24
KAPITEL 25
KAPITEL 26
KAPITEL 27
KAPITEL 28
KAPITEL 29
KAPITEL 30
KAPITEL 31
KAPITEL 32
Dezember 1978
Da!« Zorro stach mit ausgestrecktem Zeigefinger in die Luft. »Da könnten wir ihn tagelang festhalten, ohne dass jemand ihn entdeckt.« Er war von seinem Rad gesprungen, das er vor zwei Monaten zu seinem zwölften Geburtstag bekommen hatte, und blies gegen seine Finger. Die Dezemberkälte hatte sie steif und rot werden lassen. Genauso rot wie seine Ohren, die wie die Henkel eines Pokals von seinem Kopf abstanden.
Zorros beste und einzige Freunde, Sindbad und Batman, waren dicht hinter ihm zum Stehen gekommen und starrten zu dem Tannenwald hinüber.
Batman musste dazu seine viel zu große Pudelmütze, ohne die seine Mutter ihn nicht aus dem Haus gehen ließ, aus dem Gesicht schieben. Sein rundes Mondgesicht war heiß und verschwitzt. Er wog fast doppelt so viel wie seine Freunde, und körperliche Anstrengung brachte ihn immer schnell aus der Puste. Im Moment aber waren ihm sein Seitenstechen und seine Zunge, die sich anfühlte wie ein trockener Schwamm, egal. Was für eine gute Idee von ihrem Anführer, hierherzufahren! Gut verborgen in dem gegenüberliegenden Wald lag die verlassene Fabrik, und sie war perfekt für ihre Mission. »Ja, super Sache«, sagte er und fuhr sich mit dem Handrücken über die verschwitzte Stirn.
»Dann nichts wie hin.« Zorro stieg wieder auf sein Rad, und unter abenteuerlichem Geheul radelte er los.
Zorro, Batman und Sindbad, deren richtige Namen keine Rolle spielten, wenn sie zu dritt unterwegs waren, überquerten die B 54 und fuhren hintereinander in den Wald hinein. Nach kurzer Zeit mündete der Weg in eine Lichtung, die etwas größer war als ein Fußballfeld und von allen Seiten von hohen, tiefgrünen Nadelbäumen eingefasst war. Mitten darauf befand sich ein langgestrecktes Gebäude. Die »Lemke-Fabrik«, so wurde das trostlose Bauwerk von den Rinkerodern genannt.
Bis vor acht Jahren waren hier in kleinem Umfang Steinplatten aus Beton hergestellt und an den örtlichen Baustoffhändler verkauft worden. Die Betreiber der Steinfabrik waren zwei Brüder aus Rinkerode gewesen, Harald und Rupert Lemke. Im Alter von fünfundfünfzig Jahren erkrankte Harald, der Ältere, aus heiterem Himmel an Leukämie. Zwei Jahre kämpfte er gegen die Krankheit an, dann gaben die Ärzte ihn auf. Harald selber gab sich auch auf. Er erhängte sich mit einem Strick in der Fabrik. Rupert war es, der seinen Bruder mit heraustretenden Pupillen und blau angelaufenem Gesicht fand, und Rupert war es auch, der es anschließend fertigbrachte, binnen weniger Monate die Firma in den Ruin zu führen. Nur neun Monate nach Haralds Tod stellte die Lemke-Fabrik ihren Betrieb ein. Rupert wollte schon immer weg aus Rinkerode, das als Ortschaft zu Drensteinfurt gehört, und zog ins nahegelegene Münster. Seitdem war die Lemke-Fabrik ihrem Schicksal überlassen und verfiel vor sich hin.
Über die Jahre hinweg hatte die leerstehende Fabrik immer mal wieder die Dorfjugend aus Rinkerode angezogen. Aber für einen dauerhaften Treffpunkt war die Lage nicht attraktiv genug. Dafür lag sie zu weit außerhalb. Immerhin drei Kilometer vor dem Ortseingang von Rinkerode – und das war auch der Grund, warum sie nach Zorros Meinung genau richtig für ihre Mission war. Ihre Mission . So nannten sie das, was sie in den vergangenen zwei Wochen im Partykeller von Zorros Eltern bei Kartoffelchips und Cola geplant hatten.
Die Jungen lehnten ihre Räder gegen die Hauswand. Als ihre Lenker dagegen stießen, lösten sich Teile des Putzes und bröckelten auf den Boden.
Sindbad kratzte sich mit seinem dicken, handgestrickten Fäustling am Kopf und sah sich um. Überall auf dem Gelände befand sich zurückgebliebener Unrat. Holzpaletten türmten sich neben einem rostigen Betonmischer auf. Eimer, Bretter und Plastiksäcke, die wohl niemals verrotten würden, lagen verstreut zwischen hüfthohen Brennnesseln. Betonplatten in unterschiedlichen Größen, die nicht mehr verkauft worden waren, stapelten sich entlang der Hauswand.
»W-w-w-wo w-w-w-wollen w-ir a-ls E-e-e-erstes …«
»Als Erstes sehen wir im Haus nach«, unterbrach Zorro seinen Freund. Wenn er aufgeregt war, stotterte Sindbad noch schlimmer als ohnehin schon.
Sie marschierten halb um das Gebäude herum, und Batman zog die Eisentür so weit auf, dass sie hindurchschlüpfen konnten. Drinnen schlug ihnen der Geruch nach feuchtem Beton entgegen. Das letzte Mal hatte es sie vor zwei Monaten zur alten Fabrik verschlagen. Da waren sie vor Henk aus der Neunten und seinen ekelhaften Freunden auf der Flucht gewesen.
Auf ihrer Liste der meistgehassten Menschen kamen diese Jungs gleich nach Mr. X. Sie waren genauso gut darin, ihnen das Leben zur Hölle zu machen, wie ihr Klassenlehrer.
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