Klaus Sebastian
Schatten über Burma
Dieses ebook wurde erstellt bei
Inhaltsverzeichnis
Titel Klaus Sebastian Schatten über Burma Dieses ebook wurde erstellt bei
Kapitel 1
Kapitel 2
Kapitel 3
Kapitel 4
Kapitel 5
Kapitel 6
Kapitel 7
Kapitel 8
Kapitel 9
Kapitel 10
Kapitel 11
Kapitel 12
Kapitel 13
Kapitel 14
Kapitel 15
Kapitel 16
Kapitel 17
Kapitel 18
Kapitel 19
Nachwort
Impressum neobooks
Klaus Sebastian
SCHATTEN ÜBER BURMA
Roman
Wie wundervoll sind diese Wesen,
d ie, was nicht deutbar, dennoch deuten,
was nie geschrieben wurde, lesen,
Verworrenes beherrschend binden
und Wege noch im Ewig-Dunkeln finden.
Hugo von Hofmannsthal
Myanmar
"Mimi, Mimi." Due-Due hatte ihre Sonnenblumen längst vergessen. Die lagen gebündelt und gut versteckt in der Abstellkammer, zwischen den bauchigen Wassergefäßen und dem verwühlten Katzenbett. Das hatte Zeit bis später. Ängstlich folgte ihr Blick dem kleinen schwarz-weißen Kätzchen, das jämmerlich schreiend auf dem Geländer herumtapste, mindestens drei Meter über dem Wasser.
"Mimi, Mimi. Warte, ich helfe dir!" Due-Due pirschte sich vorsichtig an die von Wind und Regen zerfressene Brüstung heran, geräuschlos, damit das Katzenjunge sich nicht erschreckte. Vor sechs Tagen hatte die Klosterkatze ihre Jungen zur Welt gebracht, unter dem Podest, auf dem die goldenen Buddhas thronten. Seitdem war Due-Due täglich nach der Gartenarbeit hergekommen, um die Kätzchen zu beobachten. Sie vertäute ihr kleines Boot jedesmal an der Rückseite des Gebäudes, denn außerhalb der Öffnungszeiten war es nicht erlaubt, sich hier herumzutreiben.
Früh am Morgen war die Besuchszeit. Dann strömten Heerscharen von Touristen in knatternden Langbooten herbei, stiegen mit ungelenken Bewegungen über die Schwelle des geheimnisvollen Wasserklosters, bauten ihre Stative auf und knipsten alles, was ihnen exotisch oder malerisch vorkam. Doch jetzt, kurz nach der Mittagsstunde, gab es keine Besucher. Der spiegelglatte See funkelte wie eine Silberplatte unter der glühenden Sonne. Die Mönche schliefen auf ihren geflochtenen Matten, und Stille lag über dem Wasser.
Behutsam streckte Due-Due beide Arme aus. Dann, mit einem beherzten Griff, packte sie das Nackenfell des Kätzchens, drückte das zitternde Tier fest an ihre Brust. "Dummes Ding", flüsterte sie.
Sie war beinahe auf der Mitte der Plattform angekommen, da bemerkte sie, dass sie nicht allein war. Ein Mönch und ein Tourist saßen in der kleinen Abstellkammer hinter einer der Donation - Vitrinen. Durch das Glas der mit fremdländischen Geldscheinen beklebten Box sah Due-Due, dass die beiden sich nun erhoben und heftig gestikulierend die mit vergoldeten Säulen geschmückte Halle durchquerten. Das Mädchen erkannte die Gelegenheit, setzte das Kätzchen auf dem Boden ab und spurtete zu der Kammer hinüber. Die Sonnenblumen lagen noch unberührt in der Ecke. Sie ergriff die langen Stengel, wollte sich davonschleichen, doch sie wurde von etwas abgelenkt, das die beiden Männer auf dem gläsernen Deckel der Donation-Box ausgebreitet hatten. Ihre Neugier siegte und sie nahm eines der Fotos in die Hand, warf einen Blick darauf und hielt den Atem an. So etwas hatte sie noch nie gesehen. Es war fremd, unanständig, und sie konnte sich nicht vorstellen, was diese Bilder darstellen sollten. Nackte Kinder posierten darauf, so jung wie sie selbst, oder jünger, mit frech hinter dem Kopf verschränkten Armen. Auf einem anderen Farbfoto erkannte sie einen großen Unterleib und den Po eines Kindes. Die beiden ungleichen Körper berührten sich. Der Kopf des Kindes war aber vom Bildrand überschnitten. Due-Due wusste nicht, welche Übung die beiden Nackten dort vollzogen. Sie ließ das Bild fallen - es brannte in ihrer Hand so heiß wie Feuer, und plötzlich vermochte sie die verzwickte Situation nicht mehr zu überblicken. Voller Panik ergriff sie das Blumenbündel und rannte zum Ausgang. Dass sie den großen, bulligen Mann erst im letzten Augenblick wahrnahm, lag vermutlich daran, dass ihre natürlichen Instinkte noch vollständig vom Schock absorbiert wurden, den diese merkwürdigen Fotos ausgelöst hatten. Der Mann füllte den Rahmen der Tür aus und er hielt seine Arme ausgebreitet, so als hätte er auf sie gewartet. Hinter ihm stand der Mönch in seiner rostfarbenen Kutte. Sein Gesicht war zu einer Fratze des Erstaunens verzogen. Auch er breitete seine Arme aus, und Due-Due ahnte, dass sie in der Klemme saß.
Düsseldorf, Rheinhafen
Andre Blumfeld deutete auf den Bildschirm seines Computers. "Hier ist die Seite." Ich las die Headline "MONKEEPAGE", darunter eine ausschweifende Erklärung in englischer Sprache.
#Diese Seite wendet sich an alle, die die unschuldige Schönheit junger Mädchen zu schätzen wissen. Warum sollte, was von Gott gegeben ist, unanständig oder pervers sein? Wir zeigen diese verborgenen Schönheiten, wie Gott sie schuf - für ihre persönliche Fotosammlung. Pornografie ist auf dieser Seite ausdrücklich nicht erwünscht.#
"Hört sich fast an wie der Jargon von einer Sekte - ich meine: "Gott gegeben"...".
"Womöglich gibt es diese pädophile Sekte sogar. Zumindest im Internet haben sie ihre mehr oder weniger geheimen Treffpunkte," erklärte Blumfeld.
"Und auf dieser "Monkeepage" gibt es wirklich keine pornografischen Fotos?"
Blumfeld klickte mit der Maus und wartete, bis sich die nächste Seite aufgebaut hatte.
"Ach, Unsinn. Jede Menge Dreckszeug gibt es da. Dieses Gefasel soll eine Art von freiwilliger Selbstkontrolle vortäuschen und die Sittenhüter davon abhalten, den Inhalt dieses "Affenbuches" genauer unter die Lupe zu nehmen. Ach..." - er schloss die Seite und beendete seine Internetsitzung - "es kotzt mich an, wirklich. Ich gebe Ihnen die Adresse von dieser Seite und wenn sie mögen, schauen Sie sich den Dreck später einmal an."
Er stand auf, begann in seinem Büro herumzuspazieren, zündete sich eine dünne Zigarre an, inhalierte und redete dann weiter. "Wie ich schon gesagt habe: der Betreiber dieser Seite hat einen kleinen Privatkrieg mit mir angefangen. Wenn mein Bruder davon erfährt, läuft er Amok. Das ist meine größte Sorge."
In Sekundenschnelle rekapitulierte ich, was ich von den Brüdern Blumfeld wusste. Andre und Lutz hatten das Möbelimperium ihres Vaters vor circa 15 Jahren übernommen. Ihre Kaufhäuser und Designläden waren in jeder deutschen Großstadt präsent. Mit ihren Familien lebten sie zurückgezogen. Ihr Privatleben gab wenig Stoff für Tratsch oder Skandale her. Nur hin und wieder, wenn sie mit ihren Ehefrauen an einer Party oder einer Wohltätigkeitsgala teilnahmen, gab es ein Foto in der Klatschspalte. Das hatte sich brutal geändert, als die zehnjährige Tochter von Lutz Blumfeld vor ungefähr zwei Jahren gekidnappt worden war. Die Tragödie der Entführung ließ die Auflagen der Boulevardblätter und Illustrierten in fabelhafte Höhen steigen. Die Erfolgsgeschichte der Familie wurde bis ins 19. Jahrhundert zurückverfolgt. Reporter lauerten den Freundinnen der kleinen Vanessa am Schultor auf. Man spekulierte über Lösegeldforderungen in Millionenhöhe. Der Spuk endete nach 15 Tagen mit der Geldübergabe an einem unbekannten Ort. Die Presse behauptete, die Entführer hätten mit einer Reihe von Fotos Druck ausgeübt. Fotos, auf denen das Mädchen unbekleidet, mit Handschellen an ein Bett gefesselt, zu sehen war. Entsetzt, entnervt hatte Lutz Blumfeld nachgegeben und gezahlt. Ein paar Stunden später war Vanessa an einer Landstraße bei Dormagen aufgegriffen worden, vor Kälte zitternd, verwirrt, aber körperlich unversehrt.
Читать дальше