10 a) § 248b (Unbefugter Gebrauch eines Kraftfahrzeugs)und § 248c (Entziehung elektrischer Energie)sind eigenständige Delikte, die in der Fallbearbeitung regelmäßig erst im Anschluss an § 242 zu prüfen sind.
11 b)Auch § 246 (Unterschlagung)ist ein eigenständiges Delikt. Da es Auffangcharakter hat und § 246 Abs. 1 a. E. formelle Subsidiarität anordnet, ist es ebenfalls im Anschluss an § 242 und andere Eigentums- und Vermögensdelikte zu prüfen. Im Unterschied zu § 242 ist keine Wegnahme und damit kein Gewahrsam einer anderen Person erforderlich. Ferner ist die Zueignung hier objektives Tatbestandsmerkmal, wobei für den subjektiven Tatbestand dolus eventualis ausreicht.
12 c)Letztlich sind auch § 249 (Raub)und § 252 (räuberischer Diebstahl) eigenständige Delikte. Kommt ein Raub in Betracht, sollte dieser in der Klausur vorab geprüft werden und (im Falle der Verneinung) erst im Anschluss daran § 242. Hingegen kann § 252 nur geprüft werden, wenn zuvor überhaupt ein vollendeter Diebstahl bejaht wurde. Beide Delikte sind stets getrennt zu prüfen (keine Inzidentprüfung des Diebstahls).
131. Tatbestand
a) Objektiver Tatbestand
aa) Fremde bewegliche Sache
bb) Wegnahme
b) Subjektiver Tatbestand
aa) Vorsatz (mind. dolus eventualis) bzgl. Wegnahme einer fremden beweglichen Sache
bb) (Dritt-)Zueignungsabsicht
(1) Zumindest dolus eventualis bzgl. einer dauerhaften Enteignung
(2) Dolus directus 1. Grades bzgl. einer zumindest vorübergehenden Aneignung
c) Objektive Rechtswidrigkeit der erstrebten Zueignung und Vorsatz (mind. dolus eventualis) diesbezüglich
2. Rechtswidrigkeit
3. Schuld
4. Strafzumessungsregel für besonders schwere Fälle mit Regelbeispielen, § 243
a) Verwirklichung eines Regelbeispiels nach Abs. 1 Satz 2 Nrn. 1 bis 7
b) Vorsatz bzgl. objektiver Regelbeispiele Nrn. 1, 2, 4 bis 7
c) Keine Widerlegung der Indizwirkung
d) Bei Regelbeispielen nach Abs. 1 Satz 2 Nrn. 1 bis 6: Keine Geringwertigkeit, § 243 Abs. 2
5. Strafantrag, §§ 247, 248a
14Aufbauhinweis zum versuchten Diebstahl:
1. Tatbestand
a) Tatentschluss
aa) Tatentschluss (mind. dolus eventualis) bzgl. Wegnahme einer fremden beweglichen Sache
bb) (Dritt-)Zueignungsabsicht
(1) Zumindest dolus eventualis bzgl. einer dauerhaften Enteignung
(2) Dolus directus 1. Grades bzgl. einer zumindest vorübergehenden Aneignung
cc) Tatentschluss (mind. dolus eventualis) bzgl. objektiver Rechtswidrigkeit der erstrebten Zueignung
b) Unmittelbares Ansetzen
2. Prüfungspunkte 2. bis 5. wie beim vollendeten Delikt; ggf. Rücktrittsprüfung
III.Tatbestand
1.Objektiver Tatbestand
15Dieser setzt die Wegnahme einer fremden beweglichen Sache voraus. Anders als bei § 246 ist eine (objektive) Zueignung nicht erforderlich; vielmehr genügt es, dass der Täter in subjektiver Hinsicht die Zueignung der Sache erstrebt.
16 a)Unter Sachensind nur körperliche Gegenstände i. S. d. § 90 BGB unabhängig von ihrem Wert oder ihrem Aggregatszustand (fest, flüssig, gasförmig) zu verstehen 4. Erforderlich ist für ihre Eigentumsfähigkeit lediglich, dass sie hinreichend abgrenzbar sind. Tierewerden vom Sachbegriff des StGB unmittelbar erfasst 5, wie die Gleichstellung in §§ 324a Abs. 1 Nr. 1, 325 Abs. 1, 6 Nr. 1 von Tieren mit „anderen Sachen“ bestätigt 6. Auf die Regelung des § 90a BGB, die zum gleichen Ergebnis führen würde, kommt es richtigerweise nicht an 7, da keine Akzessorietät zu den zivilrechtlichen Regelungen besteht.
17 aa) Rechte– wie Forderungen oder Patente – sind von § 242 nicht geschützt. Diese werden nur partiell von §§ 288, 289, 292 ff. und den Strafvorschriften des Urheberrechts erfasst. Papiere, die ein Recht verbriefen, sind jedoch taugliches Tatobjekt. Strahlen und elektrische Energiesind ebenfalls keine Sachen; die Anwendung des § 242 wäre daher eine nach Art. 103 Abs. 2 GG verbotene Analogie zu Lasten des Täters 8. Um die damit verbundene Strafbarkeitslücke zu schließen, hat der Gesetzgeber für elektrische Energie die Vorschrift des § 248c geschaffen 9. Auch Datensind keine Sachen; die Kopie eines Computerprogramms ist daher nicht tatbestandsmäßig 10. Allerdings kommt ein Diebstahl am Datenträger in Betracht, wenn etwa eine CD weggenommen wird.
18 bb)Dem Körpereines lebenden Menschen kommt keine Sachqualität zu. Dies gilt auch für damit fest verbundene künstliche Teile (z. B. Keramikkrone, künstliches Hüftgelenk, Herzschrittmacher), die Bestandteil des Menschen werden und damit mit Einfügung in den Körper ihre Sachqualität verlieren 11. Werden Körperteile abgetrennt (z. B. Zähne oder Haare) oder entnommen (z. B. Organe oder Blut), so fallen diese als Sachen unmittelbar in das Eigentum der jeweiligen Person, ohne dass es eines weiteren Aneignungsakts bedarf 12. Dies gilt richtigerweise auch dann, wenn der Körperbestandteil – wie bei einer Sperma- oder Organspende – einem fremden Körper wieder eingefügt werden soll 13.
19 cc) Leichensind nach h. M. zwar Sachen 14, es fehlt jedoch regelmäßig an der Eigentumsfähigkeit, wenn diese bestattet werden sollen 15. Werden der Körper oder Körperteile eines verstorbenen Menschen unbefugt aus dem Gewahrsam des Berechtigten weggenommen, so kommt eine Störung der Totenruhe nach § 168 oder Verwahrungsbruch nach § 133 in Betracht 16. Implantierte Hilfsmittel, die bei einem lebenden Menschen keine Sachqualität besitzen, können nach dem Tod wieder Sachqualität erlangen und damit eigentumsfähig sein 17.
Bsp.:Arzt T entnimmt dem bei einer Operation verstorbenen O sogleich den Herzschrittmacher, um diesen später anderweitig zu verwenden. – T macht sich nach § 246 strafbar. Wird der Herzschrittmacher später einem anderen Patienten als neuwertig eingesetzt, so kommt ggf. tatmehrheitlich noch ein Betrug, § 263, zu Lasten des Patienten in Betracht.
20Soweit der Körper oder Körperteile nach dem Tod – wie etwa plastinierte Leichen oder Mumien – nicht zur Bestattung bestimmt sind, handelt es sich um eigentumsfähige Sachen, so dass insoweit Eigentumsdelikte verwirklicht sein können 18.
21 b) Beweglichsind alle Sachen, die bewegt werden können. Es genügt, wenn sie erst durch die Wegnahme beweglich gemacht werden.
Bsp. (1): 19Schäfer T lässt eine fremde Weide durch seine Schafe „abmähen“. – Das Gras wird durch das Abkauen der Tiere beim Gewahrsamwechsel beweglich, was für § 242 genügt. In Tateinheit hierzu kann § 303 stehen, wenn die Tiere die Weide abgrasen und zertreten; im Gegensatz zu § 242 werden von § 303 auch unbewegliche Sachen erfasst.
Bsp. (2):T bricht nach bestandener Staatsprüfung zur Erinnerung einen Stein aus dem Universitätsgebäude und stellt diesen als Denkmal in seiner Wohnung auf. – § 242 ist (unproblematisch) verwirklicht.
22 c)Eine Sache ist fremd, wenn sie im Allein-, Mit- oder Gesamthandseigentum einer anderen natürlichen oder juristischen Person steht. Dabei kommt es nur darauf an, dass ein anderer als der Täter Eigentümer ist. Wer einem Dieb die Sache wegnimmt, begeht demnach selbst einen weiteren Diebstahl zu Lasten des Eigentümers. Für die Bestimmung des Eigentums gelten die Regelungen des BGB, wobei Rückwirkungsvorschriften – etwa die ex tunc-Wirkung bei der Anfechtung nach § 142 Abs. 1 BGB oder die Rückwirkung der Genehmigung nach § 184 Abs. 1 BGB – keine Berücksichtigung finden können, weil für die Beurteilung der Strafbarkeit der Zeitpunkt der Tathandlung entscheidend ist und andernfalls rückwirkend eine Strafbarkeit begründet würde 20. Im Rahmen der strafrechtlichen Fallbearbeitung müssen bei diesem Merkmal also ggf. sorgfältig zivilrechtliche Vorschriften (insb. §§ 929 ff. BGB) geprüft werden.
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