Laurin liebte das Wort »cool« und mit dem »T« in der Matratze kam er nicht zurecht. Linda fand das Wort mit dem weichen »D« gesprochen eigentlich auch viel netter.
Als sie wieder heruntergekommen war, sah sie im Licht der Außenleuchte, dass Sinje ihre Einkaufskisten durch den Hauswirtschaftsraum ins Haus schleppte. Sie winkte freudig herüber, als sie Lindas Silhouette im Fenster entdeckte.
Linda musste schlucken. Überall sah das Leben einfach, geradlinig aus, nirgendwo holperte etwas. Ein völliger Friede rings um sie herum. Nur bei ihr waren kleine Ecken und Kanten zu sehen, die immer schärfer und schärfer wurden.
Linda ließ sich auf einen Sessel fallen, der schon ohne Folie im Wohnzimmer stand. Wahrscheinlich sah sie einfach zu schwarz. Es war halt nicht leicht für Thiemo, die neue Familie und seinen verantwortungsvollen Beruf zu vereinbaren. Sie sollte etwas mehr Verständnis aufbringen. Wenn Thiemo in einer halben Stunde immer noch nicht hier war, würde sie ihn anrufen und dann sehen, dass wirklich nichts Außergewöhnliches passiert war.
»Wenn sie nur Fußball spielen …«, hatte Sinje gesagt. Linda fiel ein, dass auch Hanno mit dem Wagen losgefahren war und Sinje nicht gesagt hatte, wohin.
»Wo Hanno sich rumtreibt, weiß ich nicht«, sagte Linda laut. »Aber Thiemo ist bei der Arbeit.« Sie nahm sich ein Glas Rotwein und machte es sich, so gut es ging, bequem. Draußen herrschte dichter Nebel, vielleicht konnte Thiemo auch einfach nicht so schnell fahren. Es war ein seltsames Wetter. Zuerst dieser blutrote Sonnenuntergang und dann diese dicke Suppe, die einen selbst im Haus fast ersticken ließ.
Linda musste eingeschlafen sein, denn sie fuhr erschrocken aus dem Schlaf, als sich eine Hand auf ihr Haar legte.
»Hallo, Spatz!« Thiemo gab ihr einen Kuss. »Es tut mir leid, dass es später geworden ist. Ich wollte dir so gern helfen, aber …« Er zuckte mit den Schultern.
Linda fand, dass er blass aussah. »Ärger?«, fragte sie und stand auf.
»Das Übliche, nichts Besonderes, aber es reichte halt, um nicht hier sein zu können. – Hast du noch was zu essen?« Thiemo ging in die noch unfertige Küche und machte den Kühlschrank auf. »Ein Stück Käse, ein Glas Erdbeermarmelade und das war’s. Lecker. Haben wir denn Brot?«
Linda nickte, stand auf und piekte mit dem Finger in die nun schon wieder weiche Kruste des Baguettes. »Pappbrot. War mal schön knusprig heute. Vor deiner Zeit.«
»Egal, ich habe nur noch Hunger.«
»Morgen gehe ich als Erstes einkaufen«, sagte Linda. »Kann ich ja hier im Ort machen. Es gibt hier ja eine Fleischerei und einen Bäcker.«
»Nicht nur das«, sagte Thiemo. »Es gibt auch einen kleinen Supermarkt, eine Bank und ein Porzellan- und Fahrradgeschäft.«
»Dann kann uns ja nichts passieren«, lachte Linda. »Zur Not kaufe ich ein Fahrrad.«
»Okay. Vielleicht brauchst du das nach der ersten gemeinsamen Nacht in unserem Haus«, grinste Thiemo. »Falls du damit entfliehen willst.« Er holte sich einen Stuhl, den er mit der Lehne nach vorn stellte, und ließ sich rittlings darauf fallen. Dann goss er sich auch etwas von dem Rotwein ins Wasserglas und lümmelte seinen Oberkörper über die Stuhllehne.
»Wir hätten das alles besser timen sollen«, sagte Linda, aber ihr war schon klar, dass auch das beste Timing nichts gebracht hätte, wenn Thiemo kurzfristig im Heim etwas erledigen musste.
»Wenn wir das Chaos hinter uns haben, dann werden wir schön mit dem Rad rumkurven und ich zeig dir alles«, sagte Thiemo. »Nur morgen muss ich dich wieder den ganzen Tag allein lassen. Wir haben ein paar Umstrukturierungsmaßnahmen vor und das Personal ist nicht so begeistert. Wirklich schlechtes Timing!«
»Hauptsache, wir vertimen uns nicht«, sagte Linda.
Thiemo zog sie zu sich heran und küsste sie auf den Mund.
Linda runzelte die Stirn. »Hast du getrunken?«
»Ja, den Wein hier«, sagte er lachend, setzte sich richtig auf den Stuhl und riss Linda auf seinen Schoß. Es störte ihn nicht, dass jeder ins Haus blicken konnte.
Linda wand sich aus der Umklammerung. Sie war sich sicher, dass dieser Alkoholgeruch nicht von dem halben Glas herrühren konnte, das Thiemo gerade getrunken hatte.
»Thiemo!« Er senkte den Blick. Nur kurz, aber Linda bemerkte es doch. »Thiemo, wo warst du?«
»Eine Mitarbeiterin hatte Geburtstag. Wir haben ein bisschen Sekt getrunken. Nach dem Dienst, natürlich. Im Dienst erlaube ich das …«
Linda sprang auf. »Du feierst Geburtstag und ich muss allein den Umzug hinbekommen? Thiemo Hanken, das ist eine miese Nummer!«
Linda merkte selbst, dass sie kurz vor der Explosion stand. Sie kannte ihren Mann wirklich nicht gut. Das war etwas, das sie ihm nicht zugetraut hätte. Thiemo hatte auf ihren Ausbruch noch nicht reagiert, er saß ganz entspannt auf seinem Stuhl und nippte noch einmal am Wein. Linda musterte ihn von oben bis unten. Den Anzug hatte er erst vor kurzem gekauft, es war einer der lässigen, weiten Sorte. Dazu hatte er wieder einen schrillen Schlips erstanden. Selbst, wenn Thiemo so rücklings auf dem Stuhl lümmelte, sah er doch aus wie einer, der es geschafft hatte. Erst die Ausbildung, dann das Studium, schließlich das Pflegezentrum. Linda dagegen saß an der Kasse eines Supermarktes, wenn sie nicht gerade Hausfrau war. Sie bohrte ihre Fingernägel in die Handinnenfläche und biss die Zähne so fest zusammen, dass es bis zu den Ohren schmerzte.
Thiemo hatte wieder sein unbekümmertes Gesicht aufgesetzt. Sein Mund lächelte breit und zog sich dabei bis zu den Ohrläppchen. Er schien sich wirklich keiner Schuld bewusst zu sein. Seine blauen Augen leuchteten Linda spitzbübisch an. Normalerweise war das genau die Mimik, mit der er sie stets zum Einlenken brachte. Heute verfehlte er sein Ziel.
Thiemo merkte es und hob abwehrend die Hände. »Ich bin dort der Chef, da kann ich nicht als Erster gehen.«
»Du kannst eine ganze Menge, Thiemo Hanken«, sagte Linda kühl. »Eine ganze Menge.« Sie drehte sich um und verließ die Küche.
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