Erich Kästner
Fabian
Lektüreschlüssel XL
für Schülerinnen und Schüler
Von Kani Mam Rostami Boukani
Reclam
Dieser Lektüreschlüssel bezieht sich auf folgende Textausgabe:
Erich Kästner: Fabian. Die Geschichte eines Moralisten . Zürich: Atrium, 2017.
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Lektüreschlüssel XL | Nr. 15503
2019 Philipp Reclam jun. Verlag GmbH, Siemensstraße 32, 71254 Ditzingen
Gesamtherstellung: Philipp Reclam jun. Verlag GmbH, Siemensstraße 32, 71254 Ditzingen
Made in Germany 2019
RECLAM ist eine eingetragene Marke der Philipp Reclam jun. GmbH & Co. KG, Stuttgart
ISBN 978-3-15-961450-2
ISBN der Buchausgabe 978-3-15-015503-5
www.reclam.de
Erich Kästner wollte seinen Roman als Satirische Entlarvung von Missständen Satire auf die großstädtischen Zustände seiner Zeit verstanden wissen: »Es [das Buch] beschreibt nicht, was war, sondern es übertreibt. Der Moralist pflegt seiner Epoche keinen Spiegel, sondern einen Zerrspiegel vorzuhalten. Die Karikatur, ein legitimes Kunstmittel, ist das Äußerste, was er vermag«, bemerkt der Autor in seinem 1950 geschriebenen Vorwort zum Fabian (S. 6 f.). Demnach hat Kästner nicht nur die Hauptfigur als Moralisten gestaltet, er versteht sich selbst als solchen: Die Aufgabe des Moralisten liegt nach Kästner darin, gesellschaftliche Missstände zu erkennen und durch satirisch-kritische Darstellung zu entlarven, um zu warnen und eine moralische Erziehung der Individuen zu verantwortlichem Denken und Handeln zu erzielen.
Dass dieses idealistische Ziel nicht einfach zu erreichen ist, dessen ist sich Kästner durchaus bewusst. Doch der Moralist auf verlorenem Posten Moralist lasse sich dadurch nicht entmutigen: »Sein angestammter Platz ist und bleibt der verlorene Posten. Ihn füllt er, so gut er kann, aus. Sein Wahlspruch hieß immer und heißt auch jetzt: Dennoch!« (S. 7) Dies wird auch an Fabians Leben und jähem Ende deutlich: In der Spätphase der Weimarer Republik, die im Zuge der Weltwirtschaftskrise von 1929 durch Not, Verzweiflung und moralischen Verfall gekennzeichnet ist, kämpft der Moralist Fabian auf verlorenem Posten. Er bleibt seinen moralischen Werten, so gut er kann, treu, erträgt persönliche Verluste und verharrt doch in der Beobachterposition, ohne etwas auszurichten. Es erscheint nur konsequent, dass er am Ende zugrunde geht. Und man glaubt leise sein »Dennoch!« zu vernehmen, wenn er zur Rettung des Jungen in den Fluss springt – obwohl er nicht schwimmen kann.
Nicht nur beim Protagonisten Fabian hinterlässt die Zeiterfahrung Spuren: Die Figuren sind allesamt Spiegel der Weimarer Republik Kinder ihrer Zeit, gehen jedoch unterschiedlich mit den Erfordernissen ihrer Lebenswirklichkeit um. Im Gegensatz zu Fabian handelt seine Freundin Cornelia Battenberg nach der Devise: »Man kommt nur aus dem Dreck heraus, wenn man sich dreckig macht« (S. 182). Und sein Freund Labude verfolgt politische Ziele, um die gesellschaftliche Situation aktiv zu verbessern. Der Grundton des Romans ist resignativ bis apokalyptisch, das Ende wirft Fragen auf. Doch trotz Übertreibung und satirischer Verzerrung zeichnet Kästner mit Fabian – ganz im Sinne des Zeitromans – ein authentisches Bild der gesellschaftlichen Wirklichkeit in Deutschland um 1930.
Die Aktualität der Themen Themen, die den Roman bestimmen, sind nach wie vor aktuell: So beschäftigen gesellschaftliche Probleme wie anhaltende Arbeitslosigkeit, Resignation, politische Radikalisierung und Moralverfall auch heute noch die Öffentlichkeit. Die Entfremdung des Menschen in einer vorwiegend medial vermittelten Wirklichkeit, die Veränderung der Lebenswirklichkeit durch technologischen Fortschritt sowie die sich zunehmend wandelnden Geschlechterverhältnisse bieten weitere Bezugspunkte zur heutigen Lebenswelt. Die Bedrohung von Arbeitsplätzen durch Rationalisierungsmaßnahmen ist zudem eine Problematik, die immer weiter an Brisanz zunimmt und uns auch zukünftig beschäftigen wird. Mit der Thematisierung der Funktion von Medien wie Zeitung und Werbung kann zudem eine kritische Reflexion angeregt und ein Beitrag zur Medienerziehung geleistet werden.
Obwohl Kästner der Zuordnung seines Romans zur literarischen Roman der »Neuen Sachlichkeit«Stilrichtung der »Neuen Sachlichkeit« widersprochen hat, gilt Fabian heute in der Forschung einhellig als neusachlicher Roman. Er stellt als Zeitroman das Leben in einer immer komplexer werdenden Großstadt in den Mittelpunkt, wobei die gesamtgesellschaftliche Situation eine zentrale Rolle erhält. Der Autor registriert aus der Beobachterperspektive die Ereignisse und nähert sich, um Objektivität und Authentizität bemüht, dem journalistischen und dokumentarischen Schreibstil an. Kästner verwendet eine Reihe von Themen und Motiven, die seinen Text als Dokument der »Neuen Sachlichkeit« ausweisen: Neben der Darstellung des Großstadtlebens durch filmische und journalistische Erzählmuster werden die Bereiche Technik, Wirtschaft, Arbeitsleben, Unterhaltungsindustrie und das sich wandelnde Frauenbild aufgegriffen.
1. Kapitel:Dr. Jakob Fabian sitzt in einem Café und liest die Schlagzeilen der Abendblätter. Nach einem kurzen Gespräch mit dem Kellner schlendert er durch das nächtliche Berlin und sucht einen ihm empfohlenen Besuch im Sex-Klub Klub auf, der seinen Mitgliedern unverbindliche sexuelle Kontakte ermöglicht. Dort lernt er Irene Moll kennen, mit der er anschließend nach Hause fährt.
2. Kapitel:In ihrer Wohnung angekommen, führt Irene Molls Verführungsversuch Frau Moll Fabian ins Schlafzimmer und wirft sich auf ihn. Im gleichen Moment erscheint ihr Ehemann Dr. Felix Moll in der Tür. Er erklärt Fabian, dass er und seine Frau einen Vertrag geschlossen haben: Irene Moll darf sich Liebhaber einladen, muss diese jedoch zunächst ihrem Gatten vorstellen. Obwohl Herr Moll ihn bittet zu bleiben, flüchtet Fabian aus dem Haus und fährt zu seinem Stammcafé. Dort begegnet ihm ein arbeitsloser Bettler, dem er ein Essen spendieren will. Doch der Bettler verschwindet plötzlich. Anschließend trifft er auf Redakteur Münzer, der ihn zu seinem Nachtdienst in die Redaktion mitnimmt.
3. Kapitel:In der Zeitungsredaktion erlebt Fabian, dass die Manipulation durch die Presse Redakteure ihre Leser manipulieren. Pressemeldungen werden entweder frei erfunden, oder es werden wichtige Informationen unterschlagen, weil die Redakteure dazu angehalten sind, der Regierung nicht zu schaden – Ziel sei die öffentliche Meinungslosigkeit. Beim sich anschließenden Besuch einer Weinstube hält Handelsredakteur Malmy eine Rede, in der er die Wirtschaftspolitik des Staates kritisiert.
4. Kapitel:Fabian ist als Sinnlosigkeit des Jobs als Reklametexter Reklametexter einer Zigarettenfirma damit beschäftigt, Werbetexte für Plakate zu erstellen. Im Gespräch mit Kollege Fischer, der von bevorstehenden Kündigungen berichtet, wird deutlich, dass Fabian seinen Job lediglich zum Broterwerb verrichtet und ihn als sinnlos empfindet. Wieder in seine Wohnung zurückgekehrt, liest er einen Brief seiner Mutter und stellt sich die Frage, weshalb er den Untergang Europas nicht bei ihr zu Hause, sondern in Berlin abwarte. Nach einem kurzen Gespräch mit seiner Vermieterin Hohlfeld, die sich über den Damenbesuch des Mieters Tröger beschwert, besucht Fabian seinen Freund Labude, der auf die Beurteilung seiner eingereichten Habilitationsschrift zu Lessing wartet.
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