Das waren seine letzten Worte. Haben Sie schon einmal gesehen, wie sich Froschmänner aus ihrem Boot fallen lassen? Es war wohl ein heftiger Windstoß, der ihn hinausgerissen hatte, und doch wurde ich den Eindruck nicht los, er habe sich absichtlich zurückgelehnt. Sagte ich eigentlich schon, daß ich im dritten Stock wohne?
Ich stürzte ans Fenster, was natürlich unklug war, denn ich hätte unverzüglich hinunterlaufen sollen, um vielleicht doch noch Erste Hilfe leisten zu können; ich blickte aber erst einmal hinaus auf die regennasse Straße, und die Straße war leer. Leer, wie blankgefegt, als hätte der Wind den Fremden fortgeweht. Unwillkürlich schaute ich nach oben, doch in der Dunkelheit war nichts zu erkennen. Nur eine weiße Feder schwebte langsam zur Erde. Dann noch eine …
Nun begann mir die Wahrheit zu dämmern, doch eine plötzliche, unbegreiflich starke Müdigkeit nahm mir den Willen, auch nur einen einzigen Gedanken zu Ende zu denken. Ich schloß das Fenster, dann zog ich mich mechanisch, schon halb schlafend, aus und legte mich zu Bett. Bevor mich der Schlaf endgültig übermannte, warf ich noch einen Blick auf die Uhr. Sie zeigte fünf vor eins.
Als ich tags darauf erwachte, zeigte die Uhr halb elf. Das Zimmer kam mir heller vor als sonst. Ich trat ans Fenster und sah, daß es über Nacht geschneit hatte. Dann ging ich ins Wohnzimmer, um zu frühstücken und hernach das Kapitel über Hesekiel zu Ende zu schreiben, solange ich allein war. Ich erinnerte mich noch an jede Einzelheit des seltsamen Traums, und mir war der Gedanke gekommen, die Außerirdischen hätten sich vielleicht absichtlich als Engel ausgegeben, um ihre wahren Ziele zu tarnen. Das wollte ich verarbeiten, solange ich ungestört war.
Doch im Wohnzimmer erwartete mich meine Frau. Sie war schon früh am Morgen zurückgekommen und hatte unsere Tochter bei der Großmutter gelassen. So war wenigstens das Kind nicht dabei, als sie mir eine Szene machte, weil ich angeblich Unmengen von Schmutz in die Wohnung geschleppt hätte. Ich bestritt das, doch vergeblich; sie sagte, nur ich könne es gewesen sein, denn die Fußspuren hätten durch den Flur in mein Zimmer geführt.
Hinein, aber nicht wieder hinaus. Endlich hatte ich den Beweis für die Außerirdischen! Es war also doch kein Traum gewesen, vielmehr hatten die Fremden schon ihr Augenmerk auf mich gelenkt und wollten mich nun von meiner Aufklärungsarbeit abhalten, offenbar aus demselben Grund, aus dem sie sich seinerzeit für Engel ausgaben – ihre Eingriffe in unser Leben sollen geheim bleiben. Aber daß ein Außerirdischer mich besucht hat, ist nun gewiß; denn ich war tagelang nicht aus dem Haus gekommen, und überhaupt hätte es kein irdisches Wesen gewagt, ausgerechnet bei uns solche Spuren zu hinterlassen. Das steht außer Zweifel für jeden, der meine Frau kennt; wer sie aber kennt, wird auch meinen Kummer verstehen: Es war nicht nur unmöglich, sie von meiner Unschuld zu überzeugen, ich konnte die Spuren nicht einmal selbst in Augenschein nehmen. Meine Frau hatte sie gleich morgens, als ich noch schlief, beseitigt.
Der Sammler
Der Mensch als biologische Gattung eignet sich trotz aller Anpassungsfähigkeit nicht für das Leben und die Arbeit im Weltraum und überhaupt in einem derart fremden Milieu … Diese Arbeit können durchaus spezialisierte kybernetische Geräte übernehmen, die bei unerwarteten Veränderungen selbständige Entscheidungen zu treffen vermögen.
I. S. Schklowski,
»Das Problem der außerirdischen Zivilisationen und seine philosophischen Aspekte«
1. Das dritte Expeditionsmitglied
Mykola Sewerdenko war seit reichlich zwei Jahren Geologe, Mitglied des Komsomol sowie der GIRD, der Gruppe zur Erforschung der Rückstoßbewegung, und im Moment der unglücklichste Mensch der Welt. Zumindest glaubte er das; gewiß aber war er der Unglücklichste im Umkreis von Dutzenden Kilometern, schon deswegen, weil es weit und breit keine andere Menschenseele gab. Mit Hilfe konnte er nicht rechnen, also unternahm er einen erneuten wenig trostreichen Versuch, sein Elend selbst zu lindern: Er bemühte sich, sein Gewicht irgendwie auf einen weniger geschundenen Körperteil zu verlagern, freilich ohne Erfolg.
Das lenkte seine Betrachtungen in eine neue Richtung – auf das Schicksal der großen Entdecker und Erfinder. Alle, die etwas wirklich Wichtiges erfunden hatten – den Hebel, Pfeil und Bogen, eine Methode, Feuer zu machen, das Rad – waren anonym geblieben. Vor allem aber jener Mann, der als erster herausgefunden hatte, daß man auf dem Bauch ebenso schlecht wie auf den Knien reiten kann.
Mykola zog die Zügel an, und gehorsam blieb das Pferd stehen. Es war ein nettes Tier, lammfromm und wirklich unschuldig am Elend seines Reiters. Schuld waren höchstens Dr. Wlochin, dem ein Funkgerät für die Expedition überflüssig erschienen war, und Shenja, der den Wagen zuschanden gefahren hatte, neunzig Kilometer entfernt von der nächsten größeren Siedlung. Vor allem natürlich er selbst: Nachdem sie der kleinen Gruppe Hirten begegnet waren, hätten sie das Angebot des Kasachen annehmen sollen, der in die Siedlung reiten und das Ersatzteil holen wollte. Aber nein, er, Mykola Sewerdenko, das dritte Mitglied der geologischen Expedition, hatte sich erinnert, schon einmal auf einem Pferd gesessen zu haben, und großspurig erklärt, er würde das selbst erledigen. Jetzt saß er hier in der Wüstensteppe, vierzig Kilometer vor und fünfzig hinter sich, und gerade daß er saß, war so grauenhaft.
Später würde es hier bewässertes Land geben, mit Ackerbau, mit Dörfern, also auch mit Straßen. Jetzt, zur Zeit des 2. Fünfjahrplans, war das freilich noch Zukunftsmusik.
Er stieg ab, um neben dem Pferd zu gehen – er wußte nicht einmal, wie das Tier hieß, hatte vergessen zu fragen –, aber ihm war klar, daß er bald wieder aufsitzen müßte, denn zu Fuß kam er nicht schnell genug voran. Doch wenn er sich am Sattelzeug festhielte, das Tier traben ließe und nebenher liefe?
Der Mann, der das Glück der Erde auf den Rücken der Pferde verlegen wollte, mußte ein gemeingefährlicher Irrer gewesen sein.
L. die dritte expedition zur erde
dies war die dritte expedition zur erde. eines der unbemannten fernerkundungsschiffe hatte schon vor längerer zeit den planeten entdeckt, sich aber darauf beschränkt, mit hilfe automatischer landeapparate vorläufige, noch sehr allgemeine informationen zu sammeln; als zweifelsfrei feststand, daß der planet von vernunftbegabten wesen bewohnt war, hatte das schiff sofort kehrtgemacht – für den kontakt mit den denkenden zweibeinern war es nicht eingerichtet.
nach der rückkehr hatte das konzilium beschlossen, erst dann mit den vernunftbegabten bewohnern der erde in verbindung zu treten, wenn man über sie und ihren planeten ausreichend klarheit besaß. dabei mußte man vorsichtig und systematisch vorgehen; zuerst würde man sich mit den natürlichen bedingungen auf dem planeten befassen. die automaten der zweiten expedition wurden speziell dafür programmiert, doch bereits vor der landung war das raumschiff über einem riesigen waldgebiet explodiert.
nach diesem fehlschlag mußte das konzilium befürchten, die aufmerksamkeit der planetenbewohner erregt zu haben. fortan war besondere vorsicht geboten, denn solange die allgemeine situation des planeten nicht bekannt war, konnte über die zweckmäßigkeit eines kontakts mit den eingeborenen nicht entschieden werden. die automaten der dritten expedition sollten daher in einem möglichst dünn besiedelten gebiet geologie, flora und fauna erkunden und proben sammeln.
2. Der rätselhafte Ziegelstein
Der Versuch, neben dem trabenden Pferd zu laufen, hatte ein böses Ende genommen. Mykola war recht gut vorangekommen, bis er auf einen Stein trat, der unter ihm wegrutschte, und er mit dem Fuß umknickte. Im ersten Moment hatte er nichts Beunruhigendes gespürt, aber nach ein paar Dutzend Schritten fing es im Fuß zu stechen an, und der Schmerz nahm schnell zu.
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