Es liegt auf der Hand, daß auf dem Mars Leben ausgeschlossen ist. Und sollte es dort trotzdem irgendwelche Lebewesen geben, dann kann es sich nur um äußerst primitive Formen handeln – Bakterien oder ähnliches. Selbst das wäre schon ein Wunder – von höherentwickeltem Leben kann also keine Rede sein. Und daß es keine Marsmenschen gibt, weiß inzwischen ja sowieso jeder, der auch nur über eine Spur logischen Denkvermögens verfügt.[2]
In diesem Sinne also führte ich den Beweis meiner Behauptungen, und es gelang mir zweifellos, die Fachwelt mit meinen unwiderlegbaren Fakten und unanfechtbaren Schlußfolgerungen zu überzeugen. Ich bin sicher, daß dies auch einen nicht geringen Einfluß hatte bei der Entscheidung, ob in den folgenden Jahren ein bemanntes Raumschiff zum Mars starten sollte – das Projekt ist bekanntlich zurückgestellt worden, und mit den dafür vorgesehenen Mitteln wird das internationale Mondobservatorium gebaut.[3]
Leider konnte ich die begonnene Arbeit nicht fortsetzen. Der Vortrag hatte mich so erschöpft, daß sich mein Gesundheitszustand bald darauf verschlechterte, so daß ich nicht mehr in der Lage war, mich in der Öffentlichkeit zu zeigen. Ich war den damit verbundenen Strapazen einfach nicht mehr gewachsen – rein körperlich, versteht sich.[4]
Trotz dem Spezialtraining – auf die Dauer sind die fürchterliche Hitze und der hohe Luftdruck nicht auszuhalten, ganz zu schweigen von den Präparaten, die ich tagtäglich einnehmen mußte, um den vielen Sauerstoff in der Luft wenigstens einigermaßen ertragen zu können. Und erst diese häßliche, schrecklich unbequeme künstliche Haut, die ich ständig zu tragen hatte, um anstelle meiner eigenen schönen, gesunden dunkelblauen Haut eine andere von geradezu widerlicher rosiger Farbe zur Schau zu stellen, und die außerdem noch meine Sehkraft minderte, da sie das dritte Auge auf der Stirn verdeckte – all das zwang mich, die Arbeit abzubrechen. Man schickte einen Ersatzmann für mich,[5] der das begonnene Werk fortsetzte und alles tat, um die Entsendung eines Raumschiffes zum Mars zu verzögern. Denn zweifellos war damals die Zeit noch nicht reif für eine Kontaktaufnahme zwischen den Menschen und uns Marsianern.
[1]Dabei hat sicher auch der Umstand eine Rolle gespielt, daß gerade damals die Entsendung der ersten bemannten interplanetaren Expedition durch die UNESCO erwogen wurde; die Zweckmäßigkeit dieses Unternehmens war in der Fachwelt heiß umstritten.
[2]Nachdem ich das alles dargelegt und so elegant bewiesen hatte, daß meine Schlußfolgerungen als Paradebeispiel astrobiologischen wissenschaftlichen Denkens in alle Lehrbücher der Astronomie, Astrobiologie, Astrobiochemie, Astrobiophysik, Astrochemie, Astrobotanik, Astrozoologie, Astrophysiochemobiologie und Astrogastronomie aufgenommen wurden, mußten selbst die haltlosesten Phantasten einsehen, daß am Mars nichts, aber auch gar nichts Bemerkenswertes ist und daß es kaum einen anderen Planeten gibt, der ebenso langweilig wäre wie der Mars, so daß es die fiktiven Marsmenschen schon deshalb nicht geben kann, weil sie auf so einem eintönigen Planeten längst vor Langeweile gestorben wären!
[3]Um Krater zu fotografieren, Temperaturen zu messen und den Boden zu analysieren, reichen automatische Sonden voll und ganz aus, und mehr hat der Mars eben nicht zu bieten.
[4]Geistig hatte mich der Vortrag kaum angestrengt – ich hätte ebenso mühelos den Beweis führen können, daß nach menschlichem Ermessen auf dem Planeten Erde kein Leben existieren kann. Ich tat es natürlich nicht – wozu auch?
[5]Seine Rakete landete wie üblich in der Wüste von Nevada; nach meiner Beweisführung hätte eine ganze Raumschiffflotte bei New York oder sonstwo landen können – man hätte sie für eine Fata Morgana gehalten.
Die Cherubim und das Rad
Und ich sah, und siehe, es kam ein ungestümer Wind von Mitternacht her mit einer großen Wolke voll Feuers, das allenthalben glänzte; und mitten in demselben Feuer war es lichthelle;
Und darinnen war es gestaltet wie vier Tiere, und dieselben waren anzusehen wie Menschen;
Hesekiel 1; 4, 5
An jenem Abend hatte ich bis in die Nacht hinein an meiner Monographie geschrieben. Ich war schrecklich müde, und langsam machten sich die Kopfschmerzen wieder bemerkbar. Meine Frau sagt immer, daß ich nicht so viel arbeiten soll, und ein Mann in meinem Alter müsse langsam anfangen, etwas mehr auf seine Gesundheit zu achten. Manchmal tut sie, als sei ich schon ein schwacher Greis, dabei bin ich erst 38 und fühle mich blendend. Außerdem ist sie selbst andauernd beschäftigt, vor allem seit dem Umzug in unsere neue Wohnung.
An dem Tag, von dem ich erzähle, wollte sie eigentlich schon früh mit unserer Tochter zur Großmutter fahren, aber dann fiel ihr ein, daß sie seit über einer Woche keine Fenster geputzt hatte und die Außentemperatur nur wenig über dem Gefrierpunkt lag. Man sah zwar noch keinen Schmutz an den Fenstern, aber es war Spätherbst und daher ungewiß, ob sie in den folgenden Tagen zum Putzen kommen würde, also tat sie es gleich und fuhr erst gegen Mittag.
Nachmittags dauerte es dann doch ziemlich lange, bis die Zimmer wieder warm waren, und erst am Abend konnte ich mich in Ruhe meiner Arbeit widmen. Ich schrieb gerade an einem Kapitel meiner Monographie, in der ich nachweise, daß die Erde einmal oder sogar mehrmals von außerirdischen Raumfahrern besucht worden ist. Es gibt so viele Legenden und Überlieferungen, die darauf hinweisen, ja die es geradezu beweisen, daß man schlechthin nicht daran zweifeln kann. So viele Sagen und Mythen konnten sich unsere Vorfahren gar nicht selbst ausdenken! Ich kann es schließlich auch nicht.
Außerdem habe ich noch einen anderen Grund zur Gewißheit, doch davon später.
Leider treffen meine Forschungen aber nicht überall auf das nötige Verständnis, und es ist auch noch ungewiß, welcher Verlag die Monographie schließlich drucken wird; vorerst habe ich nur eine Artikelserie in einer Zeitung veröffentlichen können. Und selbst da war ich heftigen Angriffen ausgesetzt, zum Beispiel hat man die Folge über Hesekiel gleich in mehreren zentralen Zeitschriften verrissen und sie eine Schande für unsere Presse genannt, eine Verhöhnung der Vernunft, ein eklatantes Beispiel einer Ersatzreligion und so weiter.
Das konnte ich nicht einfach hinnehmen, denn gerade der Hesekiel ist einer der Eckpfeiler in meiner Theorie. Schlagen Sie doch einmal die Bibel auf (Sie können sich ja eine leihen), so etwa in der Mitte, und lesen Sie das erste Kapitel des Hesekiel. Was, frage ich Sie, ist dort beschrieben, wenn nicht die Landung eines Raumschiffs? Die vier »Tiere« sind natürlich die fremden Raumfahrer, und wenn von vier Rädern die Rede ist, die aussehen, als wäre ein Rad im anderen, so ist zweifellos ein Universalfahrzeug mit Schraubenwalzen gemeint. Die vier Astronauten saßen darin, denn »wenn die Tiere gingen, so gingen die Räder auch neben ihnen«, und oben hatte das Fahrzeug eine halbkugelförmige, durchsichtige Kanzel. Schließlich erscheint über dem Universalfahrzeug sogar ein fünfter Raumfahrer in einem Ein-Mann-Flugapparat mit Rückstoßantrieb. Hesekiel hat die Fremden für Engel gehalten, es waren aber offensichtlich außerirdische Besucher, die ihn übrigens auch mehrmals bei ihren Reisen auf der Erde mitgenommen haben, wohl als eine Art Übersetzer, denn Hesekiel erhält immer wieder den Auftrag, Botschaften an verschiedene Menschengruppen im Vorderen Orient zu übermitteln. – Wahrscheinlich konnten die Ankömmlinge auch Antigravitation oder etwas ähnliches erzeugen, denn sie nahmen Hesekiel nicht in ihrem eigenen Fahrzeug mit, dessen fremde Atmosphäre ihm ja sicher nicht bekommen wäre, sondern er wird jedesmal von einem Windstoß davongetragen, also von einem Kraftfeld, das selbstverständlich auch die umgebende Luft erfaßt.
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