Erik Eriksson - Bleierne Schatten

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Als Lasse Bergmann, einst investigativer Fernsehjournalist, heute heruntergekommener Säufer, tot in seiner Wohnung im Stockholmer Süden aufgefunden wird, bekommt die junge Kriminalinspektorin Margret Mattson den Auftrag, diesen wenig glanzvollen Routinefall aufzuklären. Gemeinsam mit dem wegen Gewalt im Dienst suspendierten Ex-Polizisten Verner Lindgren entdeckt sie, dass aus Lasses Archiv wichtige Unterlagen über die sogenannte Bordellaffäre, die Schweden vor Jahren erschütterte, verschwunden sind. Führt diese Spur bis in die Gegenwart? Margret und Verner tauchen immer tiefer ein in eine Welt, in der die einen Männer junge Mädchen kaufen und die anderen gut daran verdienen, bis schließlich Margret selbst sich auf einen tödlichen Handel einlässt. Nach «Herbst der Vergeltung» ist «Bleierne Schatten» Erik Erikssons zweiter Kriminalroman um das ungleiche Stockholmer Ermittlerpaar Margret Mattson und Verner Lindgren. Wie schon bei ihrem ersten Fall geht es auch hier um Gewalt gegen Frauen, um Täter und Opfer auf der Schattenseite der schwedischen Gesellschaft.

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Eriksson

Bleierne Schatten

Erik Eriksson Bleierne Schatten Kriminalroman Übersetzt aus dem Schwedischen - фото 1

Erik Eriksson

Bleierne Schatten

Kriminalroman

Übersetzt aus dem Schwedischen

von Nicola Jordan

2011 Oktober Verlag Münster Der Oktober Verlag ist eine Unternehmung des - фото 2

© 2011 Oktober Verlag, Münster

Der Oktober Verlag ist eine Unternehmung

des Verlagshauses Monsenstein und Vannerdat OHG, Münster

www.oktoberverlag.de

Alle Rechte vorbehalten

Originaltitel: Järnskuggan

Übersetzung aus dem Schwedischen: Nicola Jordan

Satz: Monsenstein und Vannerdat

Umschlag: Tom van Endert

unter Verwendung eines Fotos von www.photocase.de/ruanorosa

eBook-Herstellung und Auslieferung: readbox publishing, Dortmund www.readbox.net

ISBN: 978-3-941895-10-2

UND DIE UHR SCHLUG

1.

Marika hatte Sara geraten, das Geld vorher zu verlangen, sonst könnte er sie reinlegen.

Trotzdem vergaß sie es, aber es war ja auch das erste Mal. Der Kerl hatte abends angerufen, als Sara in ihrem Zimmer saß. Er sagte, dass er ihre Nummer von Marika bekommen hätte, und dass sie sich ein bisschen Geld verdienen könne, wenn sie zu ihm nach Hause käme. Er wohnte im Klackaväg in Solberga.

»Dreihundert«, hatte Sara gesagt, und er hatte geantwortet, dass das okay sei.

Sara wusste, wo er wohnte. Als sie und Marika einmal an dem Haus vorbeigingen, hatte Marika davon erzählt. Doch, es wäre schon eklig, aber eine einfache Art, Geld zu verdienen.

Sara ging an einem Dienstag nach der Schule hin. Er bat sie, sich neben ihn aufs Sofa zu setzen. Sie brauchte sich nicht auszuziehen, das wollte er nicht, oder jedenfalls sagte er nichts davon. Das war gut, denn sie hatte sich vorher Sorgen deswegen gemacht.

Sie saß so weit wie möglich von ihm entfernt, mit ausgestrecktem Arm, und machte es.

Er schaute sie nicht an und sie schaute ihn nicht an. Als es vorbei war, schob er ihre Hand weg. Sie stand auf und wischte sich die Hand am Sofabezug ab, denn das Klebrige war an ihre Finger gekommen. Dann verlangte sie das Geld.

»Es liegt in der Küche unter der Zeitung«, sagte er.

Sie ging in die Küche, wo eine Illustrierte mitten auf dem Tisch lag. Sie hob die Zeitschrift hoch. Darunter lagen zwei zusammengefaltete Hunderter.

»Es sollten aber dreihundert sein«, sagte sie.

Er blieb im Wohnzimmer sitzen. Sie ging nicht zu ihm hinein, sondern blieb in der Küche und sagte noch einmal, dass sie sich aber auf dreihundert geeinigt hätten. Er hätte es versprochen, als er anrief.

»Zweihundert sind genug«, sagte er.

»Verdammter Scheißkerl«, antwortete sie.

Sie ging in den Flur hinaus. Dort hingen ein Mantel und ein Schal. Sie spuckte auf den Mantel und zog den Schal auf die Erde, bevor sie die Tür öffnete und ging. Die Tür ließ sie offen stehen. Vielleicht würde jemand kommen und reinschauen und sehen, dass er mit heruntergezogener Hose dasaß.

Um halb fünf fuhr Sara mit dem Pendelzug von Älvsjö zum Hauptbahnhof. Sie rief Marika an und fragte, ob sie sich nicht treffen könnten, um einen Hamburger zu essen und ein bisschen herumzulaufen.

Danach rief sie ihre Mutter an und sagte, dass sie mit einigen Klassenkameraden in der Schule bleiben und eine Gruppenarbeit für Erdkunde durchgehen wolle.

»Wir bekommen Brote und sowas von unserer Klassenlehrerin«, sagte sie.

»Lass es aber nicht so spät werden«, meinte ihre Mutter.

»Nein, ich bin spätestens um halb neun zu Hause.«

»Wollt ihr so lange arbeiten?«

»Ich habe versprochen, hinterher noch in der Bibliothek zu helfen. Wir wollen Bücher über Afrika heraussuchen, die wir dann mit der Klasse lesen.«

»Okay, aber komm hinterher schnell nach Hause.«

»Ganz bestimmt.«

»Pass auf dich auf! Küsschen.«

Es war Viertel nach fünf, als sich Sara und Marika vor Åhléns trafen. Sie gingen die Treppe zum Wartesaal beim Kiosk hinunter. Dort standen eine Menge Leute. Sie unterhielten sich in kleinen Gruppen, einige rauchten, und andere tranken Bier aus Dosen, aber es war niemand da, den Sara wiedererkannte. Sie blieben eine Weile dort, und Sara fragte Marika nach Zigaretten.

»Ich kaufe welche«, meinte Marika.

Sie ging zum Kiosk und verlangte eine Schachtel Marlboro. Der Mann im Kiosk schaute sie etwas fragend an, sagte aber nichts, sondern gab ihr die Schachtel.

Sie zündeten sich gerade ihre Zigaretten an, als zwei Polizisten von der Platte hereinkamen. Sara hielt ihre Zigarette hinter dem Rücken versteckt, während Marika auf den Ausgang zuging. Die Polizisten hatten anderes zu tun, als in die Richtung der Mädchen zu blicken, aber da Marika schon auf dem Weg nach draußen war, fand Sara, dass sie ihr ebenso gut folgen konnte.

Die Platte war die ganze Woche über frei von Schnee gewesen. Es waren ein paar Grad plus. Früher am Tag hatte es genieselt, aber nun war alles wieder trocken. Dies war einer der warmen Zeitabschnitte in diesem launischen Winter, der entweder Massen von Schneematsch und fallende Eiszapfen oder milde Wochen mit Sonne und Südwind brachte.

Sie gingen eine Runde über die Platte, sahen aber niemanden, den sie kannten. Sara wurde allmählich hungrig und schlug vor, dass sie zu McDonald’s in der Sergelsgata gehen sollten.

Sie aßen beide einen großen Burger und tranken Coca Cola. Sara nahm eine Apfeltasche zum Nachtisch.

»Warst du bei diesem Kerl?«, fragte Marika.

»Ja«, antwortete Sara.

»Hast du das Geld bekommen?«

»Nur zweihundert.«

»Der alte Geizhals, ich bekomme immer dreihundert.«

»Ich weiß.«

»Sieh zu, dass du zuerst das Geld bekommst. Denk nächstes Mal daran.«

»Ich weiß nicht, ob ich noch mal hingehe.«

»War er eklig?«

»Ja, verdammt nochmal, obwohl er nichts gemacht hat. Aber es war trotzdem eklig.«

»Man muss an was anderes denken. Es geht ja ziemlich schnell.«

»Mmh.«

»Wollen wir gehen?«

Sie gingen zurück zu Åhléns , ins Warenhaus hinein, blieben stehen und schauten zu, wie ein rothaariges Mädchen in der Parfümabteilung geschminkt wurde. Es handelte sich um eine Art Werbeaktion. Das Mädchen war vielleicht siebzehn, drei Jahre älter als Sara und Marika.

Lippenstifte und kleine Döschen mit Lidschatten lagen auf der Theke neben der Kosmetikerin, die damit beschäftigt war, eine dünne Schicht blauer Farbe auf die Augenlider des rothaarigen Mädchens aufzutragen. Sara nahm einen der Lippenstifte, schaute ihn an, schraubte ihn auf, roch daran, machte einen kleinen roten Strich auf den Handrücken und legte den Lippenstift zurück auf die Theke.

Niemand beachtete Sara, alle schauten auf das Mädchen auf dem Stuhl der Kosmetikerin.

Als Sara den Lippenstift zurücklegte, nahm sie gleichzeitig einen anderen, verbarg ihn in der Hand und trat einen Schritt zurück, um einige andere Mädchen vorzulassen, die ebenfalls zusehen wollten.

»Wir hauen ab«, flüsterte sie Marika zu.

Sie nahmen die Rolltreppe hinauf in die Damenabteilung. Sara steckte den Lippenstift in ihre kleine schwarze Schultertasche. Bevor sie die Hand wieder herauszog, fühlte sie das Handy und das Teppichmesser, das harmlos mit eingezogenem Blatt in der Tasche lag.

Marika wollte eine Jacke anprobieren. Sie griff nach drei taillenlangen, glänzenden Modellen, eins in Rosa und zwei in Dunkelbraun. Dann zeigte sie sie der Verkäuferin vor den Umkleidekabinen.

»Ganz hinten ist noch frei«, sagte die Verkäuferin.

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