Mittenwald: Obermarkt und Gries
»… der Ort ohne Moral und Tugend, Mittenwald, das Grab meiner Jugend …« Stationierte Bundeswehrsoldaten dichteten einst den Spottvers über ihre Erfahrungen in der Karwendelgemeinde. Wie es dort mit der Moral aussieht, sei dahingestellt und der Privatsphäre überlassen, doch dass die Mittenwalder aus ihrer Erinnerung eine Tugend und aus ihrem Ort ein Schmuckstück gemacht haben, ist zweifelsfrei erwiesen.
Bei einem Bummel über den Obermarkt und durch das alte Ortsviertel Gries schlendert man an eingesessenen Handwerksläden vorbei, kann Speck und Käse probieren und die beiden wichtigen Motoren der kleinen Gemeinde im hölzernen Denkmal betrachten. Am Ufer des Marktbaches steht eine verkleinerte Flößerdarstellung, die an vergangene Fuhrwirtschaft erinnert.
Die wertvollen Violinen wurden freilich nicht in der gischtenden Isar gen Norden getrieben. Doch der Geigenbaum, eine geschickte Skulptur, aus der sich das Instrument sprichwörtlich herausschält, weist auf die Musikmachertradition hin – zusammen mit dem bronzenen Geigenbaupionier Matthias Klotz am Kirchplatz. Genussmoral neuerer Art vertreibt Tabakhändler Hornsteiner mit eigens aufs Karwendel abgestimmtem und benanntem Schnupftabak. Als Jugendgrab oder Genussmoral verkauft der Rauchspezialist diesen seit 1924 an gleicher Stelle.
Spaziert man weiter in Richtung Gries, fallen die bemalten alten Bürgerhäuser mit satten Geranienbalkonen auf, die hier als frühes Handelszentrum den Pulsschlag der Wirtschaft angaben. Einst feilschten hier auf dem Bozener Markt italienische Händler, heute gibt es Schafwolle und Tracht für die Gäste. Ebenso flink wie der Warenverkehr plätschert in kleinen Rinnen der Gemeindebach durch den immer noch Obermarkt genannten Ortskern. Zwar zu klein zum Flößen, doch schnell genug, um von Tugend und Moral eines geschäftigen Ortes zu erzählen.
Neben Shoppingbummeln und Ortsbesichtigung lässt sich der Spaziergang gut mit dem Besuch des Geigenbaumuseums und der Peter-und-Paul-Kirche verbinden.
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Auf dem Mittenwalder Obermarkt findet etwa alle fünf Jahre der Bozner Markt statt
Startpunkt für einen Bummel: Kirche St. Peter und Paul
Matthias-Klotz-Straße 2
82481 Mittenwald
www.erzbistum-muenchen.de
Tourist-Information Mittenwald
Dammkarstraße 3
82481 Mittenwald
08823 33981
www.alpenwelt-karwendel.de
8 Auf der richtigen Saite
Mittenwald: Geigenbaumuseum
Ein einzelner tüchtiger Handwerker mit Namen Matthias Klotz brachte anno 1685 den Geigenbau in den Marktort Mittenwald. 330 Jahre später blickt der kleine Ort an der Tiroler Grenze mit einem eigenen Museum auf die Geschichte der Instrumentenfertigung zurück, die mehr Einfluss auf den Ort hinterlassen hat als der zeitweise dort veranstaltete Bozener Markt. Denn während Händler und Waren kamen und gingen, etablierte sich die diffizile Handwerkskunst des Geigenbaus als noch immer feste Größe der Gemeinde. Das merkt man im Geigenbaumuseum.
Dort lernt der Besucher, wie besagter Klotz in Padua über das Lauten- und Violamachen schließlich zur Violine kam. Im Werdenfels als erster und damit unabhängig von Zünften konnte er mit seinen Söhnen die handgemachten Geigen an den etablierten Handelsstraßen verkaufen – frühe Werke sind im Museum zu betrachten.
Dass sein Plan aufging, beweist das noch immer lebendige Handwerk der kunstsinnigen Mittenwalder, die sich neben dem Schwerpunkt auf dem barocken Geigenbau selbstbewusst im Museum präsentieren. Immerhin spielte selbst der Klassiker Mozart gerne auf einer Mittenwalderin.
Auch dem unmusikalischen Besucher wird in historischem Ambiente das Handwerk und die Kunst, ein Instrument zu bauen, nahegebracht. Anhand von Audiostationen und sehr modern gehaltenen Exponaten zu Material und Fertigungsprozess taucht man ein in den Klang von Bratsche und Laute. Historisches Filmmaterial über Handwerk und Schule entschlüsseln nebenbei ein musikalisches Liebesgeheimnis: Viele der weiblichen Schülerinnen, die in Mittenwald das Geigenhandwerk erlernten, blieben gleich bei einem ortsansässigen Geigenmacher hängen, heirateten und führten das Geschäft gemeinsam. So verschlug es Damen etwa aus dem fernen Norden als Lehrlinge nach Mittenwald – und sie blieben fasziniert vom Musikmachen und von den Musikmachern hier.
Neben dem Museum können Sie im Zentrum von Mittenwald mehrere Geigenbaubetriebe besichtigen. Dann kann direkt bei der Fertigung zugesehen werden.
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Geigenbaumuseum
Ballenhausgasse 3
82481 Mittenwald
08823 2511
www.geigenbaumuseum-mittenwald.de
9 Für große und kleine Kobolde
Leutasch: Geisterklamm
Da haben sie sich wirklich etwas einfallen lassen, die Leutascher und Mittenwalder, die ihre Klamm in zwei Jahren zu einem Ausflugsziel der besonderen Art umgebaut haben. Ideal für Kinder und Familien kann man hier spektakuläre Wasserfälle und Fluten aus der Höhe erleben, viel über Natur und Wald lernen und dabei einen gemütlichen Nachmittagsspaziergang unternehmen.
Über in den Stein montierte Stahlbrücken kann man die ganze Klamm von oben beobachten und läuft auf gut ausgebauten Gitterwegen, die durch die Beine den Blick in den Abgrund erlauben. Sicherlich ein großer Eingriff in die Natur, der hier aber ein intensives Lernen ermöglicht. Klammkobold und Geisterbild berichten an den vielen interaktiven Stationen und Tafeln allerhand über Eiszeit, Wasser und Waldbewohner. Die kleinen und großen Geisterfreunde können sich beim Echotrichter ausprobieren und den nächsten Kobold suchen. Über mehrere verschieden lange Routen lässt sich die Klamm bequem in maximal zwei Stunden durchlaufen. Über Panoramabrücken sind die Wege verbunden. Dazu ist die Erlebnisklamm von Leutasch und Mittenwald gut erreichbar. Tief drinnen und versteckt trifft man dann neben den lehrenden und erklärenden Kobolden der Bildtafeln auch einen in den Fels gesperrten Geist, der ein wenig in sich gekehrt vor sich hinmurmelt und weniger erschreckt als amüsiert. Wenn Sie diesen gefunden haben, können Sie den ebenfalls gut ausgestalteten Waldweg zurück über den Gletscherschliff nehmen und beim dortigen Wirtshaus mit Biergarten, in dem die Gänse schnattern, das Gelernte vertiefen. Denn diese Geister sind nicht allzu gruselig, dafür aber unterhaltsam und lehrreich. Die kleinen Kobolde werden die Spiele und Stationen lieben, während die größeren die Schluchten genießen. Mit Kindern ein Muss.
Den sprachinteressierten Wanderer werden die vielsprachigen Infotafeln erfreuen, wenn er die Übersetzungen der Sagengestalten etwa auf Italienisch liest.
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Geisterklamm Leutasch
A-6105 Leutasch
www.leutascher-geisterklamm.at
Beschilderter Zugang aus Mittenwald über den Klammkiosk Mittenwald Schanz
an der St 2042 kurz vor der österreichischen Grenze.
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