Im Vorbewussten kommt auch erstmalig das Realitätsprinzip hinzu. Dieses sorgt dafür, dass deine bildhaften Fantasien nun auch eine Logik beinhalten und in eine artikulierbare Vorstellung umgewandelt werden können.
Deiner einst unbewussten Vorstellung, die in das Vorbewusste übergegangen ist, folgt nun ein Abgleich deines Gewissens, deiner Vernunft und der äußeren Verhältnisse. Das Ergebnis wird entsprechend an die Realität angepasst. Ein Übergang von dieser Ebene in die Bewusste ist um einiges durchlässiger als von der unbewussten Ebene in das Vorbewusste.
Doch nur weil etwas in deinem Bewusstsein ist, heißt es nicht auch automatisch, dass du es wahrnimmst. Die meisten deiner Gedanken und Handlungen laufen nämlich wie bereits erwähnt unterbewusst ab. Vera F. Birkenbihl, hat dazu ein super Gedankenmodell veröffentlicht. Ihre Werke waren im Allgemeinen sehr zu empfehlen. Sie war eine großartige Management-Trainerin und Sachbuchautorin, die zum Thema Psychologie und Erfolg einen entscheidenden Beitrag geleistet hat. Leider ist sie viel zu früh von uns gegangen.
Die Kerninformation ihres Modells besagt, dass, wenn wir alle Sinnesorgane zusammennehmen und deren gleichzeitige Wahrnehmung betrachten, eine Bandbreite entsteht, die in einer Strecke berechnet, folgende Daten ergibt: Während die bewusste Wahrnehmung gerade einmal 15 Millimeter beträgt, liegt die unbewusste Wahrnehmung bei einer Strecke von 11 Kilometern. Die Wissenschaft spricht auch von ungefähr 15.000.000 Bits unbewusster Wahrnehmung und 60 Bits bewusster Wahrnehmung pro Sekunde, die verarbeitet werden können.
Als ich diese Zahlen das erste Mal las, war ich sichtlich geschockt und erstaunt darüber, wozu das menschliche Gehirn in der Lage ist. Diese Daten lassen einen erst klar darüber werden, wie eine so wegweisende Prägung zustande kommen kann, ohne den empfangenen Informationen wirkliche Beachtung zu schenken.
Nachfolgend werde ich die zwei Wahrnehmungen noch etwas genauer definieren. Zudem gehe ich auf die Bewusstseinsfilter, also die selektive Wahrnehmung, ein, um dir zusätzlich aufzuzeigen, warum es nicht nur so wichtig ist, was du denkst, sondern auch wie du deine Informationen erhältst und verarbeitest.
Bewusste Wahrnehmung
In einer Kurzfassung könnte man sagen, dass die bewusste Wahrnehmung sich aus den Sinnesorganen und deren erhaltenen Informationen zusammensetzt. Alles, was du zum aktuellen Zeitpunkt durch Reize erlebst, wird als Information an dein Gehirn übertragen und aktiv wahrgenommen. Bis hierhin ist alles identisch mit Freuds Modell.
Während er die Wahrnehmungsebenen aber mehr als Stufen-modell beschreibt, werden in Veras Modell eher ihre Übergänge, Handlungen und die Zusammenarbeit angesprochen.
Nimmst du also nun etwas aktiv wahr, wird auch gleichzeitig auf dein Unterbewusstes zugegriffen, um eventuell vorhandene Erfahrungen abzugleichen. Genau zu diesem Zeitpunkt ist es auch schon vorbei mit der bewussten Wahrnehmung. Ab hier werden nun deine massig vorhandenen Erinnerungen abgefragt und deine folgende Handlung an die alten Erfahrungen angepasst.
Die bewusste Wahrnehmung ist also nur der kurze Zeitpunkt zwischen dem Geschehnis selbst und der Aufnahme durch die verschiedenen Sinnesorgane. Alles andere läuft passiv beziehungsweise unterbewusst ab und passt sich an vergangene Erfahrungswerte an. Du greifst also auf deine Schubladen zu und kramst deine alten Handlungen und Erfahrungswerte aus, die dir meistens keinen Vorteil verschaffen, wenn sie bisher nicht richtig geordnet und aufgeräumt wurden.
Unterbewusste Wahrnehmung
Die unterbewusste Wahrnehmung ist also das genaue Ge-genteil der aktiven Wahrnehmung. Diese wird nicht durch die Sinnesorgane oder Reize wahrgenommen, sondern von Erfahrungswerten gesteuert.
In Veras Denkmodell wurde zu diesen Erfahrungswerten ein Thema namens »Katakomben des Wissens« vorgestellt. Dieses sagt im Groben aus, dass das menschliche Gehirn aus mehreren Schubladen besteht, die durch die Häufigkeit der Nutzung entweder dauerhaft aktiviert oder sehr oft komplett verschlossen bleiben.
Sendet also nun die aktive Wahrnehmung einen Sinnesreiz oder eine Information aus, greift die unterbewusste Wahrnehmung auf deine Schubladen zu. Wurde diese häufig verwendet, geht dein Gehirn davon aus, dass diese Schublade eher von Vorteil für dich ist, als eine die selten oder nie verwendet wird. Da kann es natürlich nur von Vorteil sein, wenn deine Schublade auf Erfolg statt Misserfolg und Pessimismus ausgelegt ist. Das Gute an den Schubladen ist also, dass diese immer weiter bestärkt werden, wenn sie richtig angewendet werden. Bei schlechter Handhabung wirkt sich diese Bestärkung aber eher negativ aus.
Wie du aber sehen kannst, geht einer bewussten Handlung also immer eine unbewusste Entscheidung voraus.
Selektive Wahrnehmung
Das Unterbewusstsein sorgt dann für einen sogenannten Bewusstseinsfilter, der dann die selektive Wahrnehmung hervorruft. Dein Gehirn besitzt nämlich die Fähigkeit, Muster zu erkennen und für dich unnötige Informationen zu filtern. Dies ist bei der Menge an Informationen, die du zu dir nimmst, auch notwendig.
Es kann ein wahrhafter Vorteil für dich sein, wenn du die richtigen Gedanken pflegst und deine Schubladen regelmäßig aufräumst. Setzt du dich jedoch regelmäßig mit schlechten Erfahrungen und Denkmustern auseinander, wird dein Gehirn dir auch immer genau diese herausfiltern!
Zur Vereinfachung werde ich solch eine Selektion anhand einer Situation beschreiben, die du bestimmt schon einmal erlebt hast: Du kaufst dir etwas für dich Einzigartiges, egal ob das eine neue Tasche, ein Auto oder vielleicht sogar ein Kinderwagen ist. Plötzlich siehst du dieses Exemplar, das vor dem Kauf für dich einzigartig war und von dem du dir sicher warst, dass es außer dir keiner besitzt, an jeder Ecke. Schuld daran ist dein Fokus, den du komplett darauf richtest. Hierdurch entwickelt dein Gehirn einen neuen Filter, der dich schlagartig Sachen wahrnehmen lässt, die für dich vorher nicht existierten. Dir wird also umgangssprachlich die rosarote Brille aufgesetzt.
In dieser Situation ist das nichts Dramatisches, denn schließlich geht es nur um eine Tasche, ein Auto oder einen Kinderwagen. Das Ganze funktioniert aber auch mit Vorurteilen, Emotionen, diversen Abläufen und so weiter. Beschäftigst du dich also ständig mit schlechten Angewohnheiten oder pflegst ein soziales Umfeld, das dir genau das Gegenteil vorlebt von dem, was du erreichen möchtest, dann wird dein Gehirn dir auch ständig diese Informationen filtern und liefern.
Kapitel 3.3: Kognitive Entwicklung
Der bisherige Lernstatus hat sich ausschließlich auf die Zu-sammensetzung der Psyche und einer Methode zur Beschäftigung mit ihr beschränkt. Um das Ganze etwas praktischer darzustellen, ziehe ich hierfür das Stufenmodell zur kognitiven Entwicklung von Kindern und Jugendlichen hinzu. Die Theorie der kognitiven Entwicklung stammt vom Schweizer Biologen und Entwicklungsforscher Jean Piaget und ist bis heute eines der bekanntesten Modelle.
Das Nachfolgende klingt im ersten Moment ähnlich wie das Modell von Erikson. Während Erikson jedoch eher auf die psychosoziale Ebene, also den Umgang mit anderen und dem eigenen Selbstbild in der Welt, eingeht, setzt sich Piaget mit diversen Denkschemata und deren Entwicklung auseinander. Viele der später genannten Entwicklungsstadien decken sich auch mit der psychosexuellen Theorie von Freud. Da die ganzen Theorien und Modelle im Endeffekt trotz allem nicht identisch sind, hat sich dieses Modell seine Daseinsberechtigung in diesem Buch mehr als verdient.
Das Ergebnis der Entwicklung eines Kindes entsteht laut Piaget aus Interaktionen zwischen dem Kind und der Welt. Seiner Meinung nach kann ein Kind sich nur durch Auseinander-setzungen mit der Umwelt und nicht durch bloße Wissens-vermittlung entwickeln. Primär steht das Lernen von immer komplizierteren und konkreteren Denkschemata im Vordergrund.
Читать дальше