1 ...6 7 8 10 11 12 ...27 »Ehrlich gesagt, ich habe keine Ahnung. Aber sie liegt nicht, wie ich zuerst vermutet hatte, unter uns, sondern vor uns.«
»Wie kommst du darauf?«
»Achte mal auf die Fläche vor uns.«
»Sie ist spiegelglatt. Das ist allerdings sehr merkwürdig.“
»Alles deutet daraufhin, dass dies irgendwann mal ein unterirdischer See war, der jetzt zugefroren ist. Bei den hier herrschenden Temperauren muss das Eis sehr stabil sein.«
»Du meinst, wir könnten problemlos darauf gehen.«
»Ich glaube schon.«
»Du bist dir aber im Klaren darüber, dass uns hier niemand findet, wenn wir einbrechen und nicht mehr rausfinden.«
»Ich bin überzeugt, dass dies nicht passieren wird. Wir werden uns aber trotzdem gegenseitig absichern. Ich werde zurückgehen und die Seile holen.«
Kurz darauf war Dawa verschwunden. Christopher versuchte mit seiner Stirnlampe, verschiedene Bereiche der Höhle auszuleuchten, was ihm jedoch wegen deren Größe kaum gelang. Doch in einiger Entfernung glaubte er, das Glitzern einer Spiegelung wahrgenommen zu haben. Erneut versuchte er, den Lichtstrahl in diese Richtung zu lenken und konnte kurz darauf dieselbe Lichtreflektion erkennen.
Wenig später kam Dawa mit Seilen und einer Teleskopstange zurück. Letztere befestigte er vor dem Einstieg des Durchgangs und band das eine Ende eines der Seile daran. Das andere Ende reichte er Christopher, der es sich sogleich um die Hüften schnürte. Dawa tat es im mit dem zweiten Seil gleich.
»Ich werde zuerst gehen, während du mein Seil hältst«, sagte Christopher.
»Dasselbe wollte ich gerade umgekehrt vorschlagen.«
Christopher lächelte seinen Freund an, drehte sich um und kroch in die Höhle hinein, genau in die Richtung, in der er die Spiegelung gesehen hatte. Um die Stabilität des Eises zu prüfen, schlug er in regelmäßigen Abständen mit dem Eispickel Löcher in den Boden. »Du kannst nachkommen«, rief er seinem Kameraden zu. »Das Eis ist hier sehr dick und stabil.«
Als Dawa neben ihm auftauchte, hatte sich Christopher bereits aufgerichtet und beleuchtete den Boden.
»Siehst du, wie dunkel das Eis ist. Das zeugt von einer sehr hohen Dichte. Für einen Einsturz besteht keine Gefahr.«
Christophers Aufmerksamkeit galt jedoch etwas ganz anderem.
Dawa schien dies zu bemerken. »Was ist das?«
»Die Spiegelung ist mir vorhin schon aufgefallen.« Christopher machte ein paar Schritte und blieb wieder stehen. Die Reflektion hatte sich verstärkt. Er richtete den Lichtstrahl langsam nach oben. Erneut machte er einige Schritte auf das Objekt zu.
»Sei vorsichtig«, hörte er Dawas Stimme hinter sich. Kurz darauf hatte er ihn eingeholt und stand neben ihm. »Was ist das denn?« Nun galt auch Dawas Aufmerksamkeit dem Objekt vor ihnen.
Als sich Christopher erneut vorwärts bewegte, hatte er nur noch das Objekt im Blickfeld. Er spürte, dass Dawa sein Seil straff hielt, um ihn abzusichern. Doch dies wäre nicht nötig gewesen, da der eisige Boden extrem hart und stabil war. Mit jedem Schritt glaubte Christopher, dem Objekt näher zu kommen, doch dann musste er feststellen, dass er sich gewaltig getäuscht hatte. Die Distanz hatte sich anscheinend kaum verändert.
»Ich verstehe das nicht«, sagte er, als Dawa ihn erneut eingeholt hatte. »Nun haben wir doch schon eine ganz schöne Strecke in dieser Höhle zurückgelegt, aber mir scheint, dieses Objekt ist immer noch gleich weit entfernt.«
»Das ist eine optische Täuschung«, antwortete Dawa. »Es ist viel größer, als wir es eingeschätzt hatten. Die Höhle selbst ist auch viel höher, als wir gedacht hatten. Schau mal nach oben. Unser Licht reicht nicht bis zur Decke.«
»Du hast recht.«
Nach wie vor den Boden prüfend, gingen sie nun gemeinsam vorwärts. Zwischendurch drehten sie sich um und stellten irgendwann fest, dass sie den Höhlenausgang nicht mehr erkennen konnten.
Plötzlich waren die Seile zu Ende. Sie sahen sich fragend an.
»Ich werde zurückgehen und mein Seil lösen«, sagte Dawa spontan und machte sich auf den Weg. Als er wenige Minuten zurückkehrte, spürte Christopher, dass sein Seil wieder nachgab. »Ich habe mein Seil an deines geknüpft. Auf diese Weise haben wir die doppelte Länge zur Verfügung. Ich werde mich einfach bei dir einhaken.«
Zuversichtlich gingen sie weiter bis sich das Seil erneut anspannte. Sie hatten sich dem Objekt zwar ein gutes Stück genähert, waren jedoch immer noch nicht nahe genug, um zu erkennen, um was es sich dabei handelte.
»Was nun?«, fragte Christopher ratlos.
Dawa hakte sich von Christopher los, nahm seine Stirnlampe ab und legte sie auf den Boden. »Binde dich los und leg das Ende des Seils neben meine Lampe. Wir werden ohne das Seil weitergehen. Wir lassen meine Lampe hier, damit wir wieder hierherfinden.«
»Bist du sicher, dass wir das tun sollten?«
»Der Boden ist stabil. Es wird uns nichts passieren.« Dawa löste Christophers Seil und legte es auf den Boden. »Wir müssen darauf achten, zusammenzubleiben.«
Einige Minuten später blieben sie stehen. Sie hatten keine Vorstellung davon, welche Strecke sie mittlerweile zurückgelegt hatten.
Aber sie hatten das Objekt erreicht.
Sie standen davor, starrten darauf und fanden keine Worte. Ihre Verblüffung war zu groß, um sich auch nur im Geringsten vorzustellen, um was sich dabei handelte. Es besaß eine spiegelglatte Oberfläche, hart und glänzend. Aber über eines waren sie sich im Klaren:
Was vor ihnen in die Höhe ragte, war kein Eis.
Christopher zog seinen Handschuh aus und legte seine Hand auf die Oberfläche. Im ersten Moment spürte er Kälte, die aber sogleich verschwand. Zudem glaubte er, dass sich die Oberfläche plötzlich nicht mehr so hart anfühlte, wie noch kurz zuvor. Erschrocken entfernte er seine Hand und starrte völlig entgeistert auf die Stelle, an der sie gelegen hatte.
Keine Spiegelung mehr!
Im Schein seiner Lampe sah er einen mattblauen Fleck, dessen Umrisse genau seine Hand beschrieb, während die Fläche darum herum nach wie vor glänzte.
»Das ist doch unmöglich«, sagte Dawa und berührte mit seiner Fingerspitze den Fleck. »Er ist weich. Was ist das für ein Material?«
Auch Christopher berührte nun den Fleck. »Keine Ahnung. Auf jeden Fall kein Eis. Aber auch kein Fels. Fühlt sich an wie ein Kunststoff.«
»Könnte dies ein Teil eines Fluggleiters sein?«, fragte Dawa.
»Glaube ich nicht. Schau dir mal die Form an.« Christopher leuchtete mit der Lampe nach oben. Das Gebilde hatte scharfe, gerade Kanten und wurde immer schmaler. »Ich kenne keine Fluggleiter mit einer solchen Form.«
»Aber etwas Natürliches ist es auch nicht.«
»Da gebe ich dir recht.« Christopher sah Dawa für einen Moment in die Augen. Dann drehte er sich um die eigene Achse und leuchtete in alle Richtungen.
Dawa, der mit seinem Blick dem Lichtstrahl folgte, war genauso sprachlos wie Christopher. In unterschiedlichen Entfernungen gab es Dutzende weiterer Objekte mit ähnlichen Formen. Bizarre Gebilde, die aus dem Eis nach oben ragten.
Plötzlich bemerkte Christopher, dass Dawa ihn entsetzt anstarrte. »Was hast du?«
»Schau dir mal deine Hand an«, antwortete er besorgt.
Als Christopher das Licht auf sein Handfläche richtete, erkannte er die blaue Verfärbung. Erschrocken streifte er sie an seiner Hose ab. Doch es half nichts. Die Verfärbung blieb.
»Lass uns von hier verschwinden!«, sagte er und machte sich auf den Rückweg, gefolgt von seinem Freund.
Als sie Minuten später in die zweite Höhle zurückkehrten, hörten sie aus der Eingangshöhle das Empfangssignal von Christophers Kommunikator. Hastig sammelten sie die Leuchtkörper ein, verstaute die Geräte und krochen zurück in die Eingangshöhle. Christopher nahm den Kommunikator und steckte dessen Clip an sein Ohr.
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