Von geschichtlichem Interesse sind die den Erzherzog begleitenden Personen, nämlich K. Banfield, Gustav Ritter von Brosch und Maximilian von Sterneck. Diese drei hatten alle an der Seeschlacht von Lissa teilgenommen. Die beiden letztgenannten waren sogar in den Admiralsrang aufgestiegen und maßgeblich am Aufbau der k.u.k. Kriegsmarine beteiligt. Banfield war sicherlich der älteste und wegen seiner Abstammung (er kam aus Irland und war bereits als Kapitän in den österreichischen Dienst getreten) nicht in höhere Ränge aufgestiegen. Er war der Vater von Gottfried Banfield, dem „Adler von Triest“. Es hat den Anschein, dass die „Seehelden von Lissa“ einen Betriebsausflug nach S. Andrea unternehmen. Für Georg Hütterott war in der Phase der Aufrüstung, an der Admiral Sterneck maßgeblichen Anteil hatte, der Kontakt zu dieser Gruppe von höchstem Interesse. Beflügelte doch der Sieg von Lissa wesentlich das Interesse an der Marine, die für den Binnenstaat Österreich bis zu diesem Zeitpunkt nur eine untergeordnete Rolle gespielt hatte.
Im April, vermutlich zu Ostern, kommt wieder japanischer Besuch aus Wien. Am 8. Oktober trägt sich eine Gruppe Akademiker ein, die aus verschiedenen deutschen Universitätsstädten kommen. Bei diesen Gästen könnte es sich auch wieder um eine Verbindung zum Aquarium handeln.
Erstmalig wird hier eines der Schiffe Hütterotts genannt, die Dampfyacht „Suzume“. Nach den zugänglichen Unterlagen hat er zwei Schiffe besessen, die „Tornado“ und die „Suzume“. Die „Tornado“ taucht in dem Gästebuch nicht auf und es scheint sich um ein kleineres Schiff gehandelt zu haben. Die „Suzume“ muss erheblich größer und luxuriöser gewesen sein. Der Name kommt aus dem Japanischen und bedeutet in der Übersetzung „Spatz“. Eine Bezeichnung, die für ein größeres Seeschiff ungewöhnlich ist.
Im Oktober-November ist ein 10-tägiger Besuch der Emma Freifrau von Lutteroth vermerkt. Diese Dame muss für die österreichische Marine von Bedeutung gewesen sein, denn der Seeheld Admiral v. Tegetthoff hat mit ihr einen umfangreichen Schriftwechsel unterhalten. Ich hoffe, nähere Angaben vom Marinearchiv zu erhalten. Frau von Lutteroth macht in den nachfolgenden Jahren regelmäßige Besuche auf S. Andrea.
Im November kommt der Erzherzog mit einem Teil seiner Familie, nämlich der Erzherzogin Marie Therese und seinen Kindern Eleonora, Renata und Carl. Außerdem befindet sich in seiner Begleitung das Prinzenpaar von Sachsen-Coburg, verwandtschaftlich verbunden mit dem englischen Königshaus.
Bei den letzten Gästen der Insel handelt es sich um eine 10-köpfige Delegation aus Rovinj. Ab diesem Jahr bis 1907 bildet eine solche Delegation aus den Honoratioren der Stadt die letzten Besucher auf der Insel.
Da nach 1910 keine solchen Besuche mehr verzeichnet sind, ist anzunehmen, dass sie ausschließlich dem Hausherrn gegolten haben, obwohl belegt ist, dass Marie von Hütterott als Wohltäterin in der Stadt auch weiterhin höchstes Ansehen genossen hat.
Erst kurz vor Weihnachten kehrt die Familie nach Triest zurück. Georg Hütterott war in dieser Zeit erkrankt. Leider ist über die Art des Leidens nicht bekannt. In den folgenden Jahren werden aber Krankheiten und Kuren erwähnt, aber auch dann nicht genau benannt.
1895
Blatt 14–16
Auf Einladung des Erzherzogs darf Georg an der Einweihung des „Nord-Ostsee-Kanals“ teilnehmen. Dort vertritt sein Gastgeber Erzherzog Karl Stefan Kaiser Franz Joseph persönlich. Für das Deutsche Kaiserreich war diese Kanaleröffnung von großer nationaler Bedeutung und entsprechend ist auch die Teilnahme Hütterotts zu bewerten. In dem Bremer Familienarchiv hat sich ein Brief erhalten, den Georg an seine Tante (Hannchen) geschrieben hat. Unter Umständen wurde dieser Brief als eine „Familienreliquie“ betrachtet, belegte er doch, dass ein Mitglied der Familie Hütterott Seiner Majestät, Kaiser Wilhelm II. einmal ganz nahe gewesen ist. Da Briefe von der Hand Georgs sehr selten sind, dieser Brief aber einen sehr interessanten und auch amüsanten Inhalt hat, soll er hier vollständig wiedergegeben werden:
An Bord S. M. S. „Kaiserin Königin Maria Theresia“
Nordsee, 25 Juni 1895
Meine liebe, liebe Tante!
Längst schon war es mein Wunsch Dir mal wieder zu schreiben und dennoch bin ich schon lange nicht mehr dazu gekommen und musste, mit allerlei Angelegenheiten überhäuft, die ganze Privat – Correspondenz meiner lieben Marie überlassen. Von ihr weißt Du denn auch, wie es uns ergangen ist. Aber jetzt, wo ich die Nordsee durchkreuze u. so nah u. doch so weit an Euch vorüberfahre, benutze ich gerne ein freies Stündchen, um Dir, liebste Tante u. Euch lieben Bremern Allen recht herzliche Grüße zu senden u. bitte nur gleich ob meiner schlechten Schrift um Entschuldigung. Aber bei eiskaltem Nordwind u. hoher See, rollen wir ganz gehörig u. bei dem fortwährenden Balanciren geht das Schreiben schlecht.
Noch habe ich Dir nicht selbst gesagt, welch innige Freude Du auch mir mit des lieben Onkels, des Unvergeßlichen, Photos gemacht hast. Georg's Aufnahme ganz besonders ist so lieb u. lebenswahr, (2) dass ich sie immer wieder ansehen muß. Es scheint mir immer noch kaum wahr dass wir den geliebten Mann verloren haben, der mir ein zweiter Vater gewesen ist. Und wie schwer mußt erst Du, geliebte Tante, seinen Verlust alltäglich empfinden. Mein Gedanken u. treuen Wünsche weilen gar oft bei Dir und ich habe mich sehr gefreut, dass Du mit dem glücklichen jungen Paar schöne Wochen im Süden zubringen konntest, wie es uns ebenso eine große Freude gewesen ist, von der Besserung in Léon's Gesundheit zu hören.
Uns ist es seit letztem Herbst, mit Ausnahme einiger leichter Influenza, immer recht gut gegangen. Das Frühjahr brachte uns mancherlei Unruhe u. die Regatta Woche in Pola, welcher ich mit Marie auf unserer „Suzume“ beiwohnte. Dann waren wir 10 Tage in Venedig, auch auf der „Suzume“ u. augenblicklich befinde ich mich als Gast Sr. Kais. Hoheit des Erzherzogs Karl Stefan, der als Admiral die oesterr. Escadre commandirt, auf seinem Flaggschiff auf der Rückreise von Kiel nach Pola. Se. Kais. Hoheit ist so gütig gewesen mich (3) einzuladen die Feste zur Eröffnung des Nordostseecanals mit ihm mitzumachen u. mit größter Freude habe ich dies gethan, denn Ähnliches wird man so bald wohl nicht wieder erleben. Se. Kais. Hoheit hat mich aber nicht nur eingeladen, sondern war so lieb mir auch alle offiziellen Einladungen von Berlin zu verschaffen, sodaß ich überall mit dabei sein konnte.
Am 12 Juni bin ich von Triest abgereist, hatte 2 Tage in Wien zu thun, begrüßte dann meine Schwiegereltern in Marienbad, war 2 Tage in Berlin u. traf am Abend des 18ten in Hamburg ein, wo ich am 19ten Rendezvous mit Sr. Kais. Hoheit hatte. Gerne hätte ich in Hamburg Frau Rittershausen besucht; aber es war ein solches Menschengewühl dort, dass ich mit einigen nothwendigen Besorgungen am Morgen des 19ten nicht rechtzeitig dazu fertig geworden bin u. zu Mittag mußte ich auf dem Bahnhof sein, wo Se. Kais. Hoheit mit Prinz Heinrich u. dem Herzog von Sachsen Coburg u. Gotha mittelst Sonderzuge eintraf u. offiziell empfangen wurde. Von da an, bin ich mit wenig Ausnahmen stets bei Sr. Kais. Hoheit gewesen u. habe all die ganz unbeschreiblich großartigen Feste (4) in Hamburg u. Kiel mit gemacht u. höchst Interessantes gesehen u. erlebt.
Des Kaisers Einzug in Hamburg sah ich mit Sr. Kais. Hoheit aus dessen Fenstern in der Wohnung mit an, die ihm vom Senat zur Verfügung gestellt worden war. Es war ein schöner, feierlicher Moment.
Nachmittags gabs leider Regen, welcher das Fest auf der Alster zum Theil störte. Dennoch verlief es großartig. Tausende u. Abertausende von Menschen besetzten die Straßen, die Fenster, die Dächer der Häuser, die schwimmenden Tribünen, welche rings auf dem Alsterbassin errichtet waren. Die Illumination war unbeschreiblich schön. Ich war auf der neu geschaffenen Alsterinsel, wohin der Kaiser mit allen Fürstlichkeiten vom Rathhaus kam u. da verhältnismäßig nur wenig Einladungen für die Insel ausgegeben worden waren, gabs dort kein Gedränge u. ich konnte – nach reichlicher Bewirthung – mir sehr behaglich u. eingehend all die vielen Fürstlichkeiten betrachten, die im Fürstenpavillon versammelt waren. Nach des Kaisers Fortgang fuhr ich mit meinem Erzherzog u. dem Herzog von Coburg-Gotha nach dem „Trabant“ unserem zur Canaldurchfahrt bestimmten oesterr. Kriegsschiff, u. diese Fahrt durch die (5) illuminirten Straßen, in welchen eine unzählbare Menschenmenge ununterbrochenes Spalier bis zum Hafen bildete u. den Wagen mit Hurrarufen u. Tücher- u. Mützenschwenken zujubelte, wird mir unvergeßlich bleiben.
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