Nach dem abendlichen Festschmaus, diesmal fehlte leider ein Bierchen, und dem abschließenden Zigarettlein, schlüpfen die Waldläufer hundemüde in die Schlafsäcke, nachdem mit einer kleinen Plane das provisorische Wigwam gebaut war. Bald sinkt man wohlbehaglich ins Land der Träume.
Leider nicht allzu lange. Aufkommendes Gewitter. Grelle Blitze lassen die Umgebung bizarr aufleuchten, krachende Donner hallen durch die Nacht. Wahrlich eine gespenstische Szenerie! Zu allem Überfluss sorgen folgende heftige Regenschauer für eine gewisse Ungemütlichkeit.
Da in diesen nördlichen Breiten die Sommernächte bekanntlich kurz sind, überraschte bald das Morgengrauen. Die Buschgeister kommen, in rauchende Nebel gehüllt, über Wald und Wasser.
„Ralf, Du, wach auf“, melde ich mit beträchtlicher Bange ein nicht weit entferntes Rumoren. Auch Filius zeigte sich deutlich besorgt über das Jaulen, Fauchen und Geknurre aus keiner großen Entfernung. Als wir uns aufrichten, die Augen reibend die Umgebung absuchend: ja, genau dort, wo die Kaributeile in den niedrigen Astgabeln hängen: ein Rudel Wölfe balgt sich um das Fleisch, scheinbar uneinig in der Hackordnung.
„Ihr Bestien, das ist unsere Beute.“ – Sogleich der erste Kracher aus dem doppelläufigen Schießprügel streckt einen der Wölfe nieder. Ralf ist bekanntlich ein guter Schütze. Mal ehrlich, ein Warnschuss hätte auch gereicht.
Die anderen gierigen Mäuler weichen erschreckt zurück. Doch jetzt wenden sie sich völlig unerwartet, zähnefletschend uns zu, von mehreren Seiten, dies ist bekanntlich Wolfstaktik.
Sie haben uns als Futterrivalen ausgemacht und sind, mit gesträubten Nackenhaaren, zum Angriff bereit. Eine absolute Ausnahmesituation, denn normalerweise sind diese sehr scheuen Wildtiere den Menschen gegenüber nicht aggressiv.
Durchladen … Schuss … nochmals … päng … dann macht es nur noch klick. Das Magazin ist leer! Ein weiterer aus dem Isegrim-Rudel hat eine Kugel mit dem Leben bezahlt.
Geistesgegenwärtig greifen wir im Zurückweichen nach den zahlreich herumliegenden Knüppeln, werfen damit verzweifelt nach den wütenden Bestien und sind von der Wirkung überrascht. Sie lassen plötzlich gemeinsam von uns ab und wenden sich wieder dem Karibufleisch zu.
„Junge, Junge, das war aber knapp!“, gesteht man mit heftig schlotternden Knien. Obwohl noch sehr kühle Morgenfrische, läuft Schweiß von der Stirn. Angstschweiß!
Dass wir ohne Wildbraten heimkehren, ist wohl klar. Man hätte sicher das Dilemma vermeiden können. Man hängt nämlich derartig verlockendes Futter üblich bärensicher hoch in den Baum. Die mitgebrachten Schnüre benötigten wir jedoch dringend für die Abspannung der Plane.
Bald verlassen die Gladiatoren die Arena.
Um ehrlich zu sein, im Nachhinein gestehen wir unsere unvernünftige Vorgehensweise. Hätte man die hungrigen Tiere beim Fressen nicht gestört, wäre der erste unüberlegte Schuss nicht gefallen, hätten sie uns wahrscheinlich gleichfalls in Ruhe gelassen, wäre das schreckliche Blutbad vermeidbar gewesen. Dieser wunderbare Wildnisbewohner ist nicht der sprichwörtlich Böse, wie er leider immer wieder dargestellt wird. Außerdem spielt er eine wichtige Rolle im biologischen Kreislauf.
Diesmal gelingt bei klarem Himmel problemlos Orientierung und Rückweg. Als unser Kanu um die Mittagszeit den Campstrand anläuft, werden wir mit erleichtertem Jubel empfangen.
Freilich, heute gibt’s viel zu erzählen. Auch von den „Daheimgebliebenen“. Doch bevor man sich hierzu am Lagerfeuer trifft, verkrümeln sich Vater und Sohn in die Hütte zum hoffentlich ungestörten Schlafe, um sich von den enormen körperlichen Strapazen und nervenaufreibenden Erlebnissen ausgiebig zu erholen.
Sodann, die Freunde können ihr Vergnügen einer bevorstehenden Überraschung kaum verbergen. Um die entsprechenden Vorbereitungen nicht zu stören, wird man unter einem Vorwand ferngehalten. Also geh’ ich, was sonst, mit Ralf zum Angeln. Was heißt da gehen, davon haben wir für längere Zeit sicher genug. Setzen uns ins Kanu und paddeln kreuz und quer auf dem selten so spiegelglatten See.
Gefangen haben wir diesmal Null, nützen aber die Gelegenheit, das abenteuerliche Ausflugserlebnis gründlich aufzuarbeiten. Erst zur Abendmahlzeit kehren wir heim. Komisch, heut’ riecht es gar nicht nach Fisch! Aber was liegen denn da für Fleischklumpen am Rost?
Verschmitztes Grinsen der Umstehenden; und Rosi lüftet das Geheimnis: „Ihr wisst doch, vor einer Woche, da hab’ ich doch zusammen mit Heimo Fallen aufgestellt. Jeden Tag war ich auf Trapline-Kontrolle; nie was drin, in keiner von den zehn Schlingen. Aber heute, endlich heute, gleich zwei Karnickel gefangen.“ Großes Staunen!
Dann übernimmt Christian das Wort: „Ja, hernach hat sie mich geholt, aus Scheu vor dem Umgang mit den gar so niedlichen Langohren.“ Hierzu muss man nämlich wissen, Roswitha ist ganz spezieller Hasenfreund, hat sogar zu Hause eine reichhaltige Sammlung von wertvollen kleinen Hasenfiguren aus aller Welt. Also schon eine besondere, schwierige Situation. Sie hat sich beim folgenden Hergang verzogen, konnte nicht mit ansehen, wie HP die Schlachtung vornimmt. Darin ist er geübt von daheim her, als Stallhasenhalter. „Ha jo, do heb isch kene Probleme, war glei passiert.“
Und so bruzzelt jetzt diese kostbare Jagdbeute über dem Feuerchen. Mir läuft heute noch, nach über zwanzig Jahren, das Wasser im Munde zusammen, bei den Gedanken an damals. Obwohl, das schmälert auch die Tatsache nicht, dass Wildkarnickel am Feuer schon eine ziemlich trockene Angelegenheit ist. Deshalb, gutes Argument, der folgende Durst.
Nicht genug der Überraschung, als Moni fortfährt: „Guckt, da hab’ ich für Euch noch Bannocks als Zubrot gebacken.“
Perfekt. Einfach fantastisch. Hat man da noch Worte. Logisch, dass bald rundum ein Zisch zu hören ist. Prost und Mahlzeit.
… so fängt man Hasen
Bannocks - Köche
Während der genüsslichen Völlerei gibt Roswitha noch zum Besten, wegen des prächtigen Wetters war an der Riviera angenehmer Badetag angesagt; FKK wohlgemerkt. Kann mir die Bemerkung nicht verkneifen: „Ihr Ferkel, kaum ist man nicht da?!“
Anschließend werden uns Löcher in den Bauch gefragt, als Ralf von dem dramatischen Ausflug erzählt. Die Zuhörer waren platt!
Nochmal greift Roswitha, ziemlich aufgeregt, in den Tagesbericht ein: „Gestern, am Vormittag, do woar i doch beim Spaziergang, den Karabiner am Buckel, ob’n am Schönblick. (Damit war die von uns benannte, nahe, freie Kuppe gemeint; mit bester Rundsicht). Was moants, wos i g’sehn hob? In der dahinter liegenden Senke is a schilfumrandeter Tümpel, kaum hundert Meter entfernt. Wos steht do? A echt kapitaler Elch. Ein Bulle, wie an der riesigen Schaufel zu seh’ n, und äst an den saftigen Wasserpflanzen. Erhabener Anblick.“ Man meint fast, sie durchlebt es neu, so lebhaft ist ihre Schilderung; und ich fühlte mit, als wär’ ich selbst dabei!
Zur Feier des Tages wird zu später Stunde eine Ausnahme gemacht: Ein Vorgriff auf die Bier-Ration. Mit gut geölten Kehlen werden ungehemmt schöne Lieder angestimmt, begleitet von der Harmonika.
Gut, dass wir so lange unter freiem Himmel zusammen blieben, ansonsten wäre uns ein ganz besonderes Schauspiel entgangen. Wie zur Krönung der letzten Ereignisse, gibt die Natur eine Sondervorstellung. Was wohl? Wer von den Lesern hat schon mal ein Polarlicht gesehen? Ich meine, live! Diese Faszination ist nur schwer zu beschreiben.
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