Er versuchte es mit Witzen, und ein paar lächelten höflich. Schließlich redete er so laut, dass man es überall hören konnte, und erklärte, dass immer mehr Leute nach Deutschland kämen, um sich ein sorgenfreies Leben mit unseren Steuergeldern aufzubauen.
Einer unserer Iraner, ich glaube, es war Ervin, fragte Opa, wo er denn ursprünglich herkäme.
„Aus Leipzig.“
„Und seit wann?“
„Ich bin neunundvierzig rübergekommen.“
„Dann sind Sie ja auch ein Flüchtling gewesen.“
Opa blickte Ervin etwas seltsam an und versuchte, wieder einen Witz zu erzählen.
„Ich will gar nicht wissen, welche von seinen Witzen er gerade zum Besten gibt“, sagte meine Mutter und setzte hinzu: „Gehen wir!“
Mit einem strahlenden Lächeln (Lächel Nummer neun, unecht) hakte sie sich bei ihrem Vater unter und sagte laut: „Ich muss jetzt meinen Vater mitnehmen. Er ist nämlich unser Chauffeur.“ Ein komisches Wort, weil es mich an einen alten Rolls Royce erinnerte und an einen Mann in Uniform mit Schirmmütze.
Opa ließ sich nicht gerne mitziehen, aber er sah es dann ein, und wir fuhren zurück.
„Meine Güte, sind die alle lahm!“, brummte er. „Es kommt beim Kaffeetrinken keine richtige Stimmung auf.“
„Ich glaube, die meisten waren bedient über deine seltsamen Aktionen“, meinte meine Mutter.
„Was denn für Aktionen?“
„Man kommt sich vor wie im Orient! Oder die merkwürdigen Antworten auf Pastor Bertrams Fragen! Und unsere Flüchtlinge haben sich auch über deine verletzenden Bemerkungen gewundert, wo du doch selbst ein Flüchtling warst.“
Aber das konnte er nicht ertragen: „Ich verbiete dir, mich in einen Topf mit den Iranern zu werfen.“
Das fand Anna jetzt wieder lustig. „Opa wird in einen Topf geworfen!“, sagte sie.
„Überhaupt“, meinte meine Mutter, „wusste ich gar nicht, dass du öffentlich beten kannst, Papa. Ich stelle es mir schwierig vor, zu einem Gott zu beten, den es deiner Meinung nach gar nicht gibt.“
„Das habe ich nur getan, um einen guten Eindruck zu machen, weil mich alle bei der Predigt ein bisschen dumm angeschaut haben.“
„Das nennt man übrigens rhetorische Fragen“, meinte Sven ein bisschen angeberisch. „Wenn niemand eine Antwort erwartet.“
„Ja, ich bin nicht blöd, Sven“, schimpfte Opa. „Aber dieser Pastor blickte sich um, als ob er auf eine Antwort wartete. Auf jeden Fall haben mich die Leute auf mein Gebet hinterher angesprochen und fanden es ganz gut. Ich habe ihnen den Witz erzählt, wo ein Taxifahrer in den Himmel kommt und begeistert aufgenommen wird, weil bei seinem Fahrstil die Leute regelmäßig anfingen zu beten.“
„Na ja, vielleicht hast du es nicht gemerkt, aber die haben mehr aus Höflichkeit gelacht! Und wir müssten eigentlich jetzt auch beten, denn du fährst ohne deine Fernbrille.“
Mama machte eine Pause und sagte dann noch: „Du benutzt also das Gebet, um einen guten Eindruck zu machen?“
„Ich passe mich nur an. So wie ein Forscher im Urwald sich einem exotischen Stamm anpasst und seine Bräuche mitmacht.“
„Aha!“
Ich fand es witzig, mir vorzustellen, dass ich zu einem Stamm von Wilden gehörte, die ein Forscher untersucht und aus lauter Freundlichkeit ihr abscheuliches Essen probiert oder ihre merkwürdigen Tänze mitmacht.
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