Nun rauchen Sie ab und zu mal einfach eine Zigarette mehr, um der Zufriedenheit ein ganz klein wenig nachzuhelfen. Sie fangen an, „gerne“ zu rauchen, um sich wieder normal zu fühlen, auch wenn Sie das kaum merken, weil Sie viel zu beschäftigt sind, „dazu“ zu gehören und cool zu sein.
Rauchen wird erst befriedigend durch den Umbau des Gehirns
Das junge Gehirn im Wachstum passt sich schon nach wenigen Zigaretten an diese Nikotinwirkung an. [2]Schon bald kann man die ersten Abhängigkeitssymptome feststellen. Nach und nach baut sich das Nervensystem immer mehr um und damit einhergehend werden Zigaretten immer befriedigender. Das geht rasant schnell (wie rasant zeige ich Ihnen in Kapitel 9). In der schleichenden Veränderung des Nervensystems liegt das Geheimnis der Zigarette: Nikotin wirkt erst dann positiv und befriedigend, wenn das Nervensystem so weit umgebaut ist, dass wir einen leichten Mangel an Nervenbotenstoffen spüren – eine kleine Unzufriedenheit –, die wir dann mit Nikotin ausgleichen!
Während Nikotin für das nicht daran gewöhnte Nervensystem des Anfängers noch wenig Vorteile oder Genuss bietet, wirkt es ab dem Umbau wie eine Unterstützung für das veränderte Nervensystem. Nach und nach fangen wir an, „gerne“ zu rauchen, um diesen winzigen kleinen Auftrieb in das normale Gefühl zu bekommen, das wir von Natur aus vorher ohne Nikotin schon gratis hatten.
Nikotin: Eine harte Droge?
Der größte Hinterhalt der Zigarette ist, dass wir Nikotin wegen der anfangs fehlenden Wirkung nicht als abhängig machend wahrnehmen. Wir sind uns im jugendlichen Überschwang auch zu 100% sicher, dass wir von dieser minimalen Wirkung nicht abhängig werden könnten, wie unsere dummen Eltern oder andere ältere Raucher, die rauchen müssen.
Der Umbau des Gehirns macht das Rauchen erst befriedigend. Dieser Hinterhalt macht Nikotin zur harten Droge. Zu der abhängig machendsten Droge von allen Drogen. 38% aller Rauchanfänger (Jugendliche und Erwachsene zusammengerechnet) werden nikotinabhängig und rauchen für die nächsten 10-20 Jahre „gerne“. Im Gegensatz dazu werden 23% von Heroin, 17% von Kokain, 15% von Alkohol und 9% von Cannabis abhängig. Kinder und Jugendliche werden noch häufiger nikotinabhängig. 75% der jugendlichen Rauchanfänger rauchen auch als Erwachsene weiter. [3]„Harte“ und „weiche“ Drogen sind nur Kategorien der öffentlichen Wahrnehmung. Wenn man dagegen das Abhängigkeitspotenzial von Drogen bestimmt und wie lange es dauert, heroin- oder nikotinsüchtig zu werden, dann liegen Zigaretten vor allen anderen harten Drogen. Und an keiner anderen Droge sterben so viele Menschen. 5 Millionen sterben jährlich an den Folgen des Zigarettenkonsums. 140.000 alleine in Deutschland. Jährlich.
Jede andere Droge setzt zumindest einen Warnschuss. Man weiß, dass man auf Droge „nicht normal drauf“ ist und so auf Dauer nicht funktionieren kann. Dagegen kann man aber keine rauschhafte Wirkung der Zigarette beschreiben. Nur ein Gefühl nach einigen Packungen, dass man sich irgendwie besser fühlt und es genießt. Da sich dieser Genuss so unschuldig und normal anfühlt, dauert es lange, bis der Raucher sich darüber klar wird, dass er längst abhängig geworden ist und nicht mehr davon los kommt.
Würden Sie wieder anfangen zu rauchen?
Natürlich wussten wir nicht, dass wir, nachdem wir mit den ersten Zigaretten das Rauchen geübt haben, ein ganzes Leben lang weiterrauchen müssen. Wenn Sie heute nach 10 – 20jähriger Raucherkarriere zurückschauen und Sie könnten sich frei entscheiden, ob Sie die ersten Zigaretten noch einmal rauchen, wie würden Sie entscheiden?
„Ich würde wieder anfangen. Und nichts tut mir leid.“ Ok. Sie haben eine gute Zeit mit der Zigarette gehabt. Dazu kann man ruhig stehen. Aber vielleicht möchten Sie ein neues Kapitel im Leben anfangen. Sie sind noch unentschlossen. Ich will Sie zu nichts überreden. Das geht immer schief. Aber nichts muss Sie davon abhalten, in dieses Buch mal hineinzuschnuppern.
„Es wäre besser gewesen, wenn ich nicht angefangen hätte. Aber ich war zu doof damals, nein zu sagen.“ Mit ziemlicher Sicherheit waren Sie nicht zu doof. Die Werbung der Zigarettenindustrie war so raffiniert, die Hollywoodfilme prägten und prägen bis heute subtil, und der soziale Druck dazu zu gehören ist hoch!
„Ja, Mist. Wenn ich noch mal entscheiden könnte, würde ich mich nie wieder drauf einlassen“. Sie scheinen das Rauchen ziemlich satt zu haben. Wir müssen nur noch den Weg finden, wie Sie den Absprung schaffen.
Ab wann wollten Sie rauchen?
So gut wie Sie sich an Ihre erste Zigarette oder auch an die Marke erinnern, die Sie zum ersten Mal gekauft haben, so wenig erinnern sich Raucher daran, wann sie das erste Mal das Gefühl hatten, „gerne“ zu rauchen. Wann und wie oft haben Sie sich eine Zigarette geschnorrt, weil Sie auf einmal Gefallen daran gefunden haben und „Lust“ darauf hatten. Es gibt diesen Punkt, wo man nicht mehr einfach mitraucht, sondern „gerne“ raucht. Dies ist so subtil, dass man es gar nicht merkt.
Der nächste Schritt: Erinnern Sie sich, wann Sie das erste Mal eine Packung unbedingt kaufen „wollten“? Wahrscheinlich nicht. Denn dieses „Wollen“ interpretiert jeder erst einmal so: „Ach, eine Zigarette tut mir gut. Überall wird geraucht. Da muss ich mir also nix dabei denken, dass ich auch so gerne rauche.“ Mit der Zeit werden dann immer mehr Situationen „trainiert“, in denen Sie zusätzliche Zigaretten „gerne“ rauchen.
Es dauert dann oft Jahre, bis man als junger Erwachsener darüber nachdenkt, dass man es vielleicht „zu gerne“ tut. Sex & Parties & Drugs halten einen Jugendlichen erst einmal schwer auf Trab. Da ist kaum Platz, über sein Leben länger nachzudenken.
Einige 100.000 Züge später - Die erste Panik
Können Sie sich auch noch daran erinnern, wann Ihnen das erste Mal die Zigaretten ausgingen und Sie unbedingt JETZT eine rauchen wollten oder Sie in Panik gerieten, weil der Automat klemmte oder die Tankstelle bereits geschlossen war. Wahrscheinlich erinnern Sie sich nicht daran. Längst ist das Nervensystem so stark umgebaut, längst sitzt man so tief in der Nikotinfalle fest, dass einem das Rauchen-Wollen wie ein natürlicher Antrieb erscheint. Man hat die Kontrolle darüber verloren und muss rauchen.
Bei 20 Zigaretten pro Tag und 10 Zügen pro Zigarette fluten Sie Ihr Gehirn mit 73.000 Zügen Nikotin pro Jahr. Nach 7 Sekunden ist das Nikotin auch an den Andockstellen im Gehirn. Diese Andockstellen haben sich schon an die Flut des Nikotins gewöhnt, sind abgestumpft und brauchen immer mehr Nikotin, um eine Grundzufriedenheit herzustellen.
Nur allmählich – nach weiteren 50.000-100.000 Zügen pro Jahr – dämmert es Rauchern, dass man wie ferngesteuert ist. Da sind auf einmal so viele Situationen ohne Zigarette gar nicht mehr schön. Gute Dinge, wie ein schönes Essen, werden ohne Zigarette miserabel. Sie haben Ihr Gehirn perfekt mit jedem Zug programmiert. Mit tausenden von Zügen konditioniert. Zum Kaffee, beim Warten, nach dem Essen, vor dem Einstiegen in den Zug, nach dem Aussteigen, in der Pause, nach der Arbeit, mit Freunden, zum Bier, beim Telefonieren, nach dem Sex, an bestimmten Orten oder wenn Sie den Rauch von anderen schnüffeln. Wie automatisiert, ohne weiter darüber nachzudenken, greifen Sie zur Zigarette und nennen es „Gewohnheit“.
Weitere 100.000 Züge später rauchen Sie gegen den Stress an
Und dann? Vor allem Langweile und Stress werden immer mehr zum Rauchauslöser. Sie brauchen jetzt Nikotin, um Ihr Nervenkostüm herunterzufahren. Sie merken kaum, dass es jetzt das Nikotin selbst ist, das Ihren ganzen Körper – z.B. durch Ausschütten von Adrenalin – stresst oder Ihren Herzschlag hochfährt. Im Vordergrund steht die kurzfristige Erleichterung durch die Zigarette.
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