WAS DIE OSTEOPATHIE IST
Die Osteopathie ist eine Wissenschaft bzw. Methode, um Krankheiten zu behandeln, die zuerst von Dr. A. T. Still 1874 entdeckt wurde. Dr. Still schloss,
„[…] dass ein natürlicher Blutfluss Gesundheit ist; dass Krankheit die Wirkung einer lokalen oder allgemeinen Störung des Blutes ist; dass die Erregung der Nerven die Muskeln dazu veranlasst zu kontrahierten und den venösen Fluss des Blutes zum Herzen einzuengen; und dass die Knochen als Hebel benutzt werden können, um den Druck auf Nerven, Venen und Arterien zu erleichtern.“ 56
Das geltende Recht von Missouri, Vermont, Nord und Süd Dakota, Michigan, Iowa, Illinois und Tennessee erklärt die Osteopathie zu „[…] einem System, einer Methode oder Wissenschaft des Heilens.“
ABB. 7: AMERICAN SCHOOL OF OSTEOPATHY – DIE ERSTE OSTEOPATHIESCHULE (1894)
In diesem Gebäude unterrichteten A. T. Still und W. Smith die erste Osteopathieklasse.
Die Osteopathie ist für immer mit dem Namen von Andrew Taylor Still verbunden. Dr. Still war ehemals allopathischer Arzt und Chirurg in der Bundesarmee. Vor über 40 Jahren erkannte er, dass die gewöhnlich verwendeten Heilmittel bei der Behandlung von Krankheiten unzureichend waren. Dann formulierte er die Anschauung, dass das menschliche System eine von ihrem Schöpfer vollkommen gestaltete Maschine sei. Sofern diese Maschine in einem Zustand angemessener Anpassung gehalten werde, sei sie fähig, mit der Zeit Schritt zu halten und eine längere Periode der Existenz zu bestehen. Nachdem er vier Kinder trotz der besten Kunstfertigkeit und Medikamentengabe aufgrund spinaler Meningitis verloren hatte, suchte er in der Natur Trost für sein trauerndes Herz und fand in den Knochen das Rohmaterial für den Aufbau seiner Wissenschaft. Er stellte fest, dass im Kontext der skelettalen Struktur nahezu beliebig Manipulationen durchgeführt werden konnten, um sämtliche Organe zu stimulieren und in ihre Funktionen zu normalisieren. Nachdem er für mehrere Jahre am Experimentiertisch der Natur gearbeitet hatte, schloss er, dass er eine neue Wissenschaft gefunden habe – und diese neue Wissenschaft des Heilens nannte er Osteopathie .
Das Grundprinzip der Osteopathie besteht darin, dass sämtliche Körpergewebe und Strukturen in einem gesunden Organismus kontinuierlich verbunden sind. Daher verwendet die Osteopathie das knöcherne Rahmenwerk diagnostisch, um physische Referenzpunkte zu finden und dislozierte Teile des Körpers anzupassen. Dr. Still zufolge dienen die Knochen bei der Manipulation lediglich als Medium der therapeutischen Aktion.
ABB. 8: ERSTE OSTEOPATHIEKLASSE (1894)
Die erste Osteopathieklasse bestand überwiegend aus den Familienmitgliedern von Still und einigen seiner ehemaligen Patienten.
Die wesentlichen Prinzipien der Osteopathie sind als zweifache Regel aufgestellt:
(1) „Gesundheit ist natürlich. Krankheit und Tod zwischen Geburt und natürlichem Tod sind unnatürlich.“
(2) „Alle körperlichen Störungen sind das Ergebnis mechanischer Behinderung des freien Kreislaufs vitaler Flüssigkeiten und Kräfte.“
Die Osteopathie hat das experimentelle Stadium verlassen. Sie ist jetzt ein bewiesenes System der Heilung. Und der osteopathische Kliniker belegt dies mit seinen Ergebnissen als einziger Rechtfertigung. Die Osteopathie erzielt diese Ergebnisse, weil sie eine Natur verwendet und unterstützt, der eine besondere Kraft innewohnt. Und diese Kraft der Natur ist die heilsamste, weil sie natürlich ist.
ABB. 9: FAKULTÄT DER A.S.O. (1895)
Wie bei den ‚Knochensetzern‘ üblich, übernahmen v. a. die Kinder von Still den Unterricht der nachfolgenden Klassen.
Entsprechend sind auch die Kräfte des Körpers gleichermaßen regenerativ, sodass aus osteopathischer Sicht weder Massage, noch Medikamentengabe noch irgendeine Art künstlicher Behandlung erforderlich ist, sondern schlicht die Anwendung dessen, was im Labor des Lebens verborgen liegt. Heilmaßnahmen, die ebenso mit jener angeborenen feinen Lebenskraft im Körper arbeiten, die also eine enge Verwandtschaft mit dem Leben pflegen und keine feindschaftlichen Eigenschaften körperfremder Substanzen besitzen, können in modifizierter Form assimiliert werden.
Die Osteopathie beruht auf der genauen Kenntnis anatomischer Strukturen und physiologischer Körperfunktionen. Die Natur hat im Körper bestimmte Lebenskräfte, vitalisierende Flüssigkeiten und vitalisierende Prozesse und Aktivitäten platziert, die im harmonischen Einklang miteinander das normale Gleichgewicht des Körpermechanismus aufrechterhalten; jede Störung dieser Kräfte, Flüssigkeiten oder Prozesse und jede Störung ihrer Aktivität, Zirkulation oder Distribution bewirkt einen Mangel an Harmonie und eine Störung der Ordnung des Körpers. Osteopathische Manipulationen zielen darauf ab, diese zu ihrem Normalzustand zurückzuführen, sodass der Körper sein normales funktionelles Gleichgewicht und die entsprechende Form wiedererlangen kann. Die Osteopathie behauptet also, dass das Leben durch Lebenskräfte, vitalisierende Flüssigkeiten und Prozesse revitalisiert und gestärkt werden kann. Die Krankheit wird entfernt oder zurückgedrängt, weil die anomale strukturelle Anordnung verschwindet, welche die Disharmonie im Körper erzeugt und die normale funktionelle Aktivität verhindert.
ABB. 10: NEUES SCHULGEBÄUDE DER A.S.O. (1897)
Osteopathie boomt, und der Bedarf an neuen Unterrichtsräumen ist geradezu erdrückend. Daher muss bereits wenige Jahre nach Gründung der A.S.O. substanziell ausgebaut werden.
DER UMFANG DER OSTEOPATHIE
Der Name Osteopathie wurde der neuen Wissenschaft durch Dr. Still aufgrund der Tatsache verliehen, dass die Fehlstellung der Knochen auf seiner Entdeckungsreise zunächst den ersten Platz im Katalog der Ursachen oder Läsionen einnahm, welche Krankheitszustände hervorrufen. Wie jede andere Bezeichnung, die einer neuen Wissenschaft verliehen wird, umfasst sie inzwischen nicht mehr alles. Doch bezeichnet sie nach wie vor den Kern, von welchem aus die neue Wissenschaft startete. Die Osteopathie stellt eine Wissenschaft der Pathologie und eine neue therapeutische Wissenschaft dar, denn die Praxis der Medizin kann nicht auf Symptomatologie und die Verschreibung von Medikamenten beschränkt werden.
ABB. 11: ERSTES OSTEOPATHIEKRANKENHAUS (1897)
Entscheidend für die praktische Ausbildung jener Zeit war die Möglichkeit, in eigenen klinischen Räumlichkeiten zu praktizieren.
6. DIE VORBEUGENDE UND HEILDENDE WIRKUNG DER WISSENSCHAFT DER OSTEOPATHIE
Vortrag vor der Royal Society of Literature, London . 57 Journal of Osteopathy (VI), 1900, S. 366–383.
Zum ersten Mal in Europa und in dieser Weltmetropole möchte ich die Behauptungen dieser neuen Wissenschaft darstellen. Ich trete als deren Verteidiger auf, weil ich ihre Behauptungen überprüft und dabei festgestellt habe, dass sie auf wissenschaftlichen Prinzipien beruhen, die zum Gemeinbesitz der medizinischen Profession gehören. Es trifft sich ausgezeichnet, dass die erste Darlegung und Verteidigung der Osteopathie vor dieser ehrwürdigen wissenschaftlichen Vereinigung geschieht. Ihre verbrieften Rechte als Königliche Gesellschaft verschaffen Ihnen den Vorzug und die Ehre, jede wissenschaftliche Wahrheit mit dem Siegel der Echtheit zu versehen. Und Sie haben das Recht, sie unter den gewöhnlichen Leuten zu verbreiten. Mich ermutigen die Worte, mit denen sich Hamlet an Horatio wendet:
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