UNSERE PRAXIS WIRD MIT RECHT ALS MEDIZIN BETRACHTET
Es ist unsere Pflicht, die Osteopathie nicht nur als Schule der Medizin zu bezeichnen, sondern diese Tatsache auch zu beweisen. Jeder Staat in der Union ist gesetzlich verpflichtet, gegen die Diskriminierung einer Heilwissenschaft gegenüber einer anderen vorzugehen. Dabei handelt es sich schlicht um eine gesetzliche und gesetzgeberische Anerkennung der verfassungsmäßigen Prinzipien der Republik und stellt daher ein verfassungsmäßiges Recht dar, das auch der osteopathischen Profession zusteht. Folglich befindet sich hier unser Schlachtfeld. Der einzelne Bürger darf nicht nur frei sein Leben und seine Freiheit genießen und sein Glück suchen, sondern es steht ihm auf frei, seiner gewählte Profession insoweit nachzugehen, als sie nicht gegen die öffentliche Ordnung oder die guten Sitten verstößt und die individuelle Freiheit von anderen Mitbürgern einschränkt. Versuchen die Osteopathen, eine neue Profession aufzubauen oder die Reihen der Quacksalberei zu vermehren? Nein. Können sie behaupten, dass sie durch den Gebrauch ihrer Therapie fähig sind, Krankheiten zu heilen und das Wohlbefinden und Glück einiger ihrer Mitbürger zu vermehren? Wenn ja, dann sind sie Ärzte und als solche mit den Schutzmaßnahmen und dem Schutz einer freien Verfassung sowie den gesetzlichen Privilegien versehen, welche denjenigen eingeräumt werden, die mit der Erhaltung und Förderung von Gesundheit und Glück befasst sind. Sofern Brüder derselben Profession uns tyrannisieren oder auf uns herumtrampeln, besteht ein verfassungsmäßiger Schutz, denn derartige Parteien machen sich einer schwächeren Form der Majestätsbeleidigung schuldig, weil sie gegen die souveränen Rechte eines souveränen Volks verstoßen. Wir wollen den Schlachtruf ausstoßen, dass jene, die uns am Ausüben unserer Berufung zur Heilung der Kranken hindern, gegen die souveränen Menschenrechte verstoßen, indem sie ihr Leben, ihre Freiheit und ihre Glück einschränken. Sie machen sich eines Verbrechens gegen die Menschheit schuldig und somit stehen die souveränen Menschenrechte auf unserer Seite. Was anderes hat den Kriegsruf des Patrioten Zola „Es lebe Dreyfus!“ in Frankreich erregt, als die Tatsache, dass ein tyrannisierendes Militär, anstatt Diener der Menschen zu sein, sich selbst die Position eines Herrschers anmaßt?
Heute ist die medizinische Profession, zu der wir gehören, ein Diener des amerikanischen Volkes. Und sofern es unter den Mitarbeitern dieses Heilungsdienstes Streit gibt, dann wird das Urteil der Geschworenen in der amerikanischen Bevölkerung, das auf der Verfassung sowie der Judikative beruht, die diese Gesetze interpretiert, als Widerhall lauten:
„Diskriminierung ist der Freiheit fremd!“
EINE SCHULE MUSS NACH IHREN EINZELNEN VERTRETERN BEURTEILT WERDEN
Was ist unsere Aufgabe? Es liegt an uns, zu behaupten und zu beweisen, dass wir das Recht auf den Rang und die Stellung von Ärzten besitzen, indem wir zuerst beweisen, dass unsere Wissenschaft heilend ist, dass sie der Menschheit bei der Verminderung jener Krankheiten hilft, deren Erbe das menschliche Fleisch ist, und dass unsere Methoden wissenschaftlich und im Vergleich mit anderen Methoden des Heilens erfolgreicher sind. Anschließend müssen wir beweisen, dass wir es in Bezug auf unseren Charakter, unsere Ausbildung und unseren geschulten Einblick in Krankheiten sowie in die Methoden, diese zu behandeln, wert sind, auf gleicher Ebene neben jenen zu stehen, die in der Vergangenheit die Position von Ärzten innehatten, ja dass wir sogar fähig sind, ihre Stelle einzunehmen. Folglich müssen wir unseren Standard an professioneller Kunstfertigkeit und unsere Ausbildungsqualifikationen weiter fördern. Nur so werden wir die Bewunderung der Welt erlangen und ihr zeigen, dass wir keine Scharlatane, Gaukler oder Wunderheiler sind, die die Gutgläubigkeit der Menschen ausnützen. Hierin und nur hierin liegt das Geheimnis des zukünftigen Erfolgs der Osteopathie.
Dies bezeichnet auch jene Überzeugung, die intuitiv und daher fast unwillkürlich die Bewegungen des berühmten Gründers unserer Wissenschaft und seiner frühen Mitarbeiter leitete. 51Es repräsentiert eine Weltsicht, die sich durch sein ganzes Werk zieht und sich in der Charta der ersten Schule der Osteopathie aus dem Jahre 1894 ausdrückt: 52
„Das Ziel dieses Unternehmens besteht im Aufbau eines Colleges der Osteopathie, wodurch unser gegenwärtiges System der Chirurgie, Geburtshilfe und Behandlung von allgemeinen Krankheiten verbessert und auf eine rationalere und wissenschaftlichere Grundlage gestellt werden soll. Ebenso sollen die medizinische Profession gelehrt und solche Ehren und Grade gewährt werden, wie sie gewöhnlich von anerkannten medizinischen Hochschulen eingeräumt und verliehen werden. Alle Studenten erhalten ihren Grad als Diplom in Zeugnisform.“
Die Politik der Schule und der Zweck, für den wir als Fakultät Ärzte ausbilden, die kompetent genug sind, alle Probleme der heilenden Wissenschaft und Kunst zu behandeln, besteht darin „[…] derartige Wissenschaften und Künste zu lehren, wie sie gewöhnlich in medizinischen Hochschulen gelehrt werden, und darüber hinaus die Wissenschaft der Osteopathie.“ 53
Sollen wir die Flagge einholen, die unser geliebter Veteran, Dr. Still, mit seinen treuen Händen so kräftig erhoben und trotzig in die Brisen aufgerollt hat? Mit einem nahezu göttlichen, wissenden Vertrauen sah er voraus, welchen Stand die Osteopathie haben muss, wenn sie sich als eine heilende Profession behaupten will. Ich höre fast die Stimme von Dr. Still, wie sie sanft die unsterblichen Worte von Lady Barbara Fritchie widerhallen lässt, der Heldin von Fredricktown, als die Flagge der Union und der Freiheit gegenüber Stonewall Jackson geschwenkt wurde:
„Er lehnte sich weit auf seiner Fensterbank vor. Und schüttelte sie mit königlichem Willen heraus. ‚Schießen sie, wenn es sein muss, in diesen alten grauen Kopf, doch schonen Sie die Flagge Ihrer Wissenschaft‘, sagte er.“
Treten wir vor die Bevölkerung, stellen wir uns den Parlamenten und verantworten wir uns, wenn nötig, vor Gericht. Lassen Sie uns die Flagge der Osteopathie zusammen mit unserer ersten Unabhängigkeitserklärung vor unsere vorurteilsbeladenen, aber ehrenhaft irrenden medizinischen Brüder tragen, um deutlich zu zeigen, wer wir sind.
„Sei vor allem Dir selbst treu – und daraus folgt dann wie die Nacht dem Tag, dass Du zu keinem Menschen falsch sein kannst.“
Graduierte der Klasse vom Februar 1899, wir entlassen Sie mit dem Vertrauen, dass Sie in Ihrer Praxis die gleiche Pflichttreue offenbaren, die Sie im Klassenzimmer gezeigt haben. Es möge Ihr Ehrgeiz sein, die Leiden Ihrer Brüder und Schwestern zu mindern, und jene besser für das Leben vorzubereiten, die zurzeit dem Elend des Lebens unterliegen. Vergessen Sie bitte all die Fehler, die uns beim Unterrichten – was wir aus Liebe zu Ihnen taten – unterlaufen sein mögen. Aber vergessen Sie niemals unsere Sympathie und unser Vertrauen, das Ihnen überall hin folgen wird, wohin Sie auch gehen mögen. Und wir vertrauen unsererseits darauf, dass Sie in Zukunft der Wissenschaft der Osteopathie treu und stets loyal Ihrer Alma Mater gegenüber sein werden.
„Lebewohl – doch Erinnerung wird oft wiederkehren: Der geduldige Beifall, der jedes Thema begleitete, Und das herzaufhellende Lächeln, das jedes Gesicht beseelte.“
5. AMERICAN SCHOOL OF OSTEOPATHY
Journal of Osteopathy (5) , 1899, S. 551–556.
Hier die Kurzfassung jener Geschichte, Philosophie und Praktiken, welche das letzte Kapitel der Geschichte der Medizin umfasst: „Weg von den Medikamenten, zurück zu den natürlichen Heilmitteln!“ So lautet der Wahlspruch aller fortschrittlichen Ärzte.
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