1 ...7 8 9 11 12 13 ...36 Es hat viele Erörterungen zur Wissenschaft der Medizin und ihrer Realität gegeben. Ich habe mehrmals den Ausdruck Medizin verwendet. Er kommt von medicus , medicina und medeor , was heilen bedeutet. Das Enzyklopädische Wörterbuch definiert Medizin als „[…] eine Wissenschaft und Kunst, die sich primär auf die Vermeidung von Krankheiten und sekundär auf deren Heilung richtet.“ Man hat behauptet, es gebe keine Wissenschaft der Medizin. Sofern Sie unter Medizin Medikamente verstehen, ist das auch korrekt. Doch jeder von Ihnen, der mit den großen medizinischen Schulen dieses Landes und Europas vertraut ist, weiß sehr gut, dass Medikamente nur einen kleinen Teil des Ausbildungssystems einnehmen, nach dem in diesen berühmten Schulen gelehrt wird. Anatomie, Physiologie, Pathologie und Symptomatologie haben in diesen Schulen ihre Wächter und Förderer gefunden. Und wenn wir die Pharmakologie beiseite lassen, bleibt ein großer Bereich der medizinischen Ausbildung, der für uns beim Aufbau der Wissenschaft der Medizin sehr wertvoll ist. Von 17 Lehrstühlen in der Universität Edinburgh befassen sich nur zwei direkt mit Medikamenten, die übrigen 15 behandeln das menschliche System in seinem normalen und anomalen Zustand. Die Wissenschaft der Medizin handelt von der Erhaltung und Verlängerung des menschlichen Lebens und befasst sich mit der Vermeidung und Heilung jener anomalen Zustände bzw. Krankheiten, die das Leben bedrohen und zerstören. Da der Gründer der Osteopathie anwesend ist, wage ich nicht, die Osteopathie zu definieren. Es genügt zu sagen: Sie geht davon aus, dass der Körper ein vollkommener Mechanismus ist und dass dann, wenn er gestört ist, die Natur in ihrer eigenen ressourcenreichen Ökonomie alle Heilmittel bereithält. Man braucht nur die magische Hand eines kunstfertigen Maschinisten, um diese Heilmittel einem erkrankten Teil als Hilfe zu bringen. Während Sie der Osteopathie treu sind, erinnern Sie sich daran, dass Sie all jenen Vorfahren großen Dank schulden, die das Feld der normalen und der morbiden Anatomie und Physiologie gepflügt und es uns, denen der Gründer der Osteopathie deren Prinzipien gab, ermöglicht haben, diese mit Genauigkeit und Bestimmtheit am menschlichen System anzuwenden.
Das homöopathische Prinzip similia similibus curantur ist insofern nicht auf die Osteopathie anwendbar, als Medikamente verwendet werden oder verwendet werden sollten; jedoch ähnelt es dem osteopathischen Prinzip in der Hinsicht, dass die einzige rationale Methode, Krankheiten zu heilen, auf einem natürlichen Prinzip gründet. Warum erzielt die Osteopathie ihre gegenwärtigen Triumphe, die noch lange anzudauern versprechen? Weil wir eine exakte Wissenschaft sind – und weil diese Wissenschaft fest auf dem Fundament der Natur ruht. Die Natur hat ihre Siege auch in anderen Bereichen errungen. Im Bereich der Erziehung errang sie einen Sieg und die Namen von Rabelais, Rousseau, Montaigne, Pestalozzi und Fröbel bezeugen die wissenschaftliche Macht der Natur in den Händen fähiger Erzieher, unter deren Genius die moderne Erziehung aufgehört hat, ein System des Paukens zu sein. Jetzt verspricht sie, Stimulation des mentalen Wachstums zu sein, das gefördert wird durch fachkundiges Kommunizieren von Wissen auf natürliche Art und Weise. Was die Natur in anderen Bereichen geschafft hat, kann sie auch im Bereich der Medizin erreichen. Triumphiert die Natur, wird alles Unnatürliche ausgetrieben und man wird den Körper endlich als perfekten Medizinschrank verstehen, der auf die Hand jenes Genius wartet, der ihn öffnet und die lindernden Ströme der Natur frei fließen lässt. Jemand hat behauptet, der Unterschied zwischen Allopathie und Homöopathie bestehe darin, dass bei letzterer die verabreichte Medikamentendosis auf ein solches Minimum reduziert wird, dass der Patient gerade noch das Gefühl habe, er nehme etwas ein. Der Unterschied zwischen Allopathie und Homöopathie auf der einen Seite sowie der Osteopathie auf der anderen besteht darin, dass im Fall der Osteopathie keine Medikamente verwendet werden – außer die der Natur.
Sie werden, wie überall, auch in der medizinischen Profession auf zwei Arten von Menschen treffen. Es gibt ehrbare und geehrte Mediziner, die Medizin niemals im Sinne von Medikamenten verstanden haben. Diese werden unsere Wissenschaft willkommen heißen, sofern Sie Ihren Teil erfüllen. Seien Sie aber nicht erstaunt, wenn die Masse der medizinischen Bruderschaft sie kalt empfängt. Sie müssen Ihr Recht, Arzt genannt zu werden, durch ihre Arbeiten beweisen. „An ihren Früchten sollt ihr sie erkennen“ 38, ist eine göttliche Maxime. Ihre Worte werden weniger Wirkung haben als Ihre Taten. Mögen Ihre größten Leistungen dazu führen, dass dies von Ihnen gesagt werden kann, wenn Sie losmarschieren:
„Vorwärts geht er: Tod und Krankheit flieh’n;
murmelnde Dämonen hassen und bewundern ihn.“
Unter den Menschen werden Sie welchen begegnen, die Ihre Wissenschaft willkommen heißen, aber auch anderen, die sie ablehnen, weil sie ebenso mit den Medikamenten verheiratet sind wie der medizinische Berufsstand, der sie nach ihrem Bedarf beliefert. Auch in diesem Bereich läutet jedoch wie in jedem anderen das Totenglöckchen für den Dogmatismus. „Der Tag der Orthodoxien ist vorüber und eben bricht der Tag der wahren Wissenschaft an.“ Nehmen Sie das Banner dieser jungfräulichen Wissenschaft 39, wie Sie dies mit der amerikanischen Flagge auf dem Schlachtfeld tun würden. Lassen Sie es über sich wehen, wohin Sie auch gehen, und Sie werden Pioniere und Verteidiger der Wahrheit sein. Wir schicken Sie hinaus, weil wir nicht selbst gehen können. Der Alte Doktor 40hat hier das Fort gebaut. Er steht auf seinem Wachturm. Er hat uns, Ihre Lehrer, als persönliche Kameraden berufen, um sich um die Flagge zu scharen, die er in der Hand hält und über seinem Kopf schwenkt. Wir können nicht das Fort verlassen, um in die entfernten Teile unseres großen Landes zu gehen und dort einer leidenden Menschheit die Geschichte von der Wahrheit zu erzählen. Doch Sie nehmen die Flagge auf, um sie von Küste zu Küste zu tragen und sie auf jeder Bergspitze und jeder Zitadelle aufzupflanzen. Auf Ihnen liegt eine noch größere Verantwortung als auf uns, weil wir uns zusammenscharen können, während sie alleine hinausgehen. Und dennoch sind Sie in Wirklichkeit nicht allein, weil der Geist der Kameradschaft mit Ihnen geht. Bewahren Sie die Inspiration ihrer alten Alma Mater. Nehmen Sie Ihre Erinnerungen an die A.S.O. mit in die Welt, damit sie Ihre Herzen durchdringen und Ihre Leben begeistern, sodass Sie in Gedanken noch bei uns sind und wir bei Ihnen. Wir werden jeden von Ihnen in Erinnerung behalten. Erinnern Sie sich an uns und unsere Arbeit und melden Sie uns Ihre Triumphe, damit wir einen Bericht über Leistungen erstellen, auf die wir alle stolz sein können.
Keine Tugend ist heute im osteopathischen Bereich so nötig wie Klugheit. Sie wissen so gut wie ich, dass die Welt von Täuschungen heimgesucht wird. Klugheit und jene der Wahrheit gewidmete Loyalität, welche die Osteopathie derzeit repräsentiert, verändern die Ordnung der Dinge. Sobald die Osteopathie auch in der öffentlichen Wahrnehmung so klar von der Idee der Glaubens- oder Geistheilung getrennt wird, wie sie es tatsächlich ist, und sich als Naturheilmethode etabliert, wird sie schnell voranschreiten. Kritik und sogar Skepsis werden dabei sogar helfen, denn „[…] die Wahrheit ist groß und soll stets herrschen.“ Das Schicksal der Osteopathie liegt nun in Ihren Händen und in denen Ihrer Mitarbeiter. Bringen Sie das Licht in Ihnen auf kluge Weise zum Leuchten. Seien Sie bestärkt in der Gewissheit, dass die in den Staub gedrückte Wahrheit in einer nicht fernen, ruhmreichen Zukunft wieder auferstehen und dann doppelt so hell leuchten wird, weil sie bei ihrer Auferstehung eine erneuerte Menschheit mit sich bringt, die endlich befreit ist von den Qualen, Deformationen und Schwächen, denen das menschliche Fleisch so lange unterworfen war.
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