Wenige Stunden später fanden wir uns im All wieder. Wir hatten unsere Route geheim gehalten, das war auch so ein Spleen der Prospektoren. Jeder wachte eifersüchtig darüber, dass kein anderer einem das vor der Nase wegstibitzte, was man noch gar nicht hatte. Astrominc bestand zwar darauf, dass man zumindest den Sektor angab, in den man fliegen wollte, aber wie wollten die denn kontrollieren, ob man dort tatsächlich ankam?
Wie sehnte ich mich nach meinem Buchhalterleben auf der Erde. Wochen- und monatelang in einer Blechbüchse eingeschlossen zu sein, nur um für ungefähr vierzehn Tage zu Astrominc zurückzukommen und dann wieder loszufliegen, mir fehlten die grünen Hügel der Erde!
Lisa dachte ähnlich, aber was half das? Wir hatten uns hoch verschuldet, uns blieb nichts anderes übrig, als den Job zu machen.
79 Felsklumpen unterschiedlichster Größe hatten wir bereits untersucht und kartographiert, Geschwindigkeit und Vektor bestimmt. Astrominc hatte das ehrgeizige Ziel, den kompletten Gürtel zu vermessen, angesichts der schieren Größe schien mir das anmaßend zu sein, aber wer war ich schon, dass ich mir ein Urteil erlaubte!
Ich hatte mich etwas hingelegt, Lisa war damit beschäftigt den Anflug auf Nummer achtzig vorzunehmen. So war sie es, die die Entdeckung des Jahrhunderts machte!
Der Alarmton riss mich aus dem Tiefschlaf, sofort zerrte ich die Atemmaske aus dem Fach neben meiner Koje, zog sie über den Kopf und eilte ins Cockpit. Lisa erwartete mich dort mit einem schallenden Lachen.
»Das wollte ich schon immer einmal machen«, sagte sie, wobei sie immer noch gluckste. »So hatte ich mir das vorgestellt! Sieh mal da!« Sie wies zu den Anzeigen. »Metall in reinster Form, das Ding da vorne ist eine Goldgrube, das sagen unsere Scanner. Wir sind reich, Thomas!«
Ungläubig starrte ich auf die Anzeigen, unfähig meine Atemmaske abzuziehen. Lisa musste durchgedreht sein, sie musste sich einen Scherz erlaubt haben, fuhr es mir durch den Kopf. Langsam wurde ich sauer, mit dem Alarm spielte man nicht!
Sie merkte mir meine Missstimmung an. »Tom, es ist wirklich so! – Das da draußen ist ein Vermögen wert. Warte ab, bis wir nahe genug dran sind, dann zeige ich dir ein Bild auf dem Monitor.«
Sie meinte es ernst, ich sah mir die Instrumentenanzeigen genauer an, zog die Atemmaske vom Kopf und ließ mich in den Sessel neben ihr fallen. »Keine taube Nuss?«, fragte ich.
Sie schüttelte den Kopf, ihr Gesicht strahlte so glücklich, wie noch nie zuvor, zumindest nicht in diesem Leben.
Wir näherten uns an, nach und nach wurde es unheimlich. Das Ding war geometrisch aufgebaut. Länge exakt 0,873 km, Höhe 0,281 km, Tiefe 0,281 km. Es gab zwar einige Ausbuchtungen, die waren aber nicht wirklich von Bedeutung. Da draußen schwebte eine große Schachtel im Raum. Für uns sah das Ding aus, wie ein großer Quader. Je näher wir kamen, umso mehr Details, vielmehr das Fehlen von Details, konnten wir erkennen.
»Das Ding hat eine glatte Außenhaut, Lisa«, entfuhr es mir.
Sie nickte nur. »Ich gehe raus, ich sehe mir das näher an.«
»Sei vorsichtig«, flüsterte ich. Aber was sollten wir anderes machen? Wollten wir unsere Besitzansprüche geltend machen, mussten wir es kartographieren und einen Sender platzieren, der unsere ID abstrahlte, so war das Gesetz. Demnach musste einer von uns raus und Lisa hatte es entdeckt ...
Sie benutzte den kleinen Jet, einen mit Gravitationstechnik ausgestatteten Schlitten, um das Rendezvous auszuführen. Langsam näherte sie sich dem Quader. Irgendwie wünschte ich mir, dass der Jet Düsen hätte, dann hätte ich zumindest aus dem Ausstoß von Gasen Rückschlüsse ziehen können, was sie vorhatte, so sah ich lediglich, wie sie langsam dahinglitt und manchmal die absurdesten Richtungsänderungen durchführte. Zumindest hatte sie die Außenlichter des Jets eingeschaltet, sodass ich sie problemlos auf dem Monitor verfolgen konnte.
»Glatt«, kommentierte sie gerade. »Absolut glatte Außenhaut, hier auf dieser Seite.« Sie hatte sich einer der schmalen Seiten genähert und schwenkte nun um die Ecke, um eine lange Seite näher zu untersuchen, abrupt stoppte sie den Jet.
»Hier ist was, Tom«, flüsterte sie so leise, dass ich versucht war den Empfang am Lautsprecher lauter zu stellen. »Hier ist eine Luke!«
Wir hatten es beide erwartet und doch keine Worte darüber verloren. Irgendwie hatten wir geahnt, dass das Ding künstlich war, jetzt hatten wir den Beweis.
»Pass auf dich auf«, flüsterte ich.
Sie fuchtelte mit den Händen an der Tür herum, schien aber nichts erreichen zu können, dann widmete sie ihre Aufmerksamkeit dem Rahmen neben der Tür. Endlich fand sie, wonach sie gesucht hatte. Ein Freudenschrei kam aus dem Lautsprecher.
»Ich habe einen Sensor gefunden, die Luke schwenkt nach innen hin auf. Ich gehe jetzt rein!«
Ich kaute auf meinen Fingernägeln. Wie oft, in wie vielen Filmen und Büchern war diese Szene schon beschrieben worden? Sollte ich ihr sagen, dass sie sich vor Alieneiern in Acht nehmen sollte? Den Film hatte es in diesem Leben nicht gegeben, sie konnte die Folgen nicht kennen!
»Ich bin jetzt drin«, hörte ich Lisas Stimme wie aus weiter Ferne. »Keine Schwerkraft, der Gang ca. einen Meter hoch und einen Meter breit, recht klaustrophobisch. Ich krieche mehr, als dass ich gehe. Ungefähr zehn Meter vor mir endet der Gang. In die Wand ist eine weitere Luke eingelassen. Sie steht offen, ist nach innen hin geöffnet. Merkwürdig ist das Fehlen einer Luftschleuse, der Gang hinter der Außenluke scheint mir für diese Zwecke ungeeignet konzipiert zu sein. Ich ziehe mich jetzt durch die offene Luke.«
Pass bloß auf, dachte ich im Stillen. Ich war zu angespannt, um irgendetwas zu sagen. Wie schon des Öfteren, verfluchte ich, dass unsere Ausrüstung so mangelhaft war. Wir hatten auf viele Dinge, die eigentlich selbstverständlich sein sollten, verzichtet. So auch auf wirklich gute hochauflösende Helmkameras, das Bild, das Lisas Kamera mir übermittelte, konnte man am ehesten mit schwarzen Schatten auf schwarzem Grund beschreiben. So war ich einzig auf ihre Beschreibungen angewiesen, um mir ein Bild von der Lage zu machen.
»Hier ist ein kleiner Raum, Tom, etwa sechs mal sechs Meter groß. Die Decke ist nach wie vor nur rund einen Meter vom Fußboden entfernt. Das können keine Menschen gewesen sein, die das hier erbaut haben, Tom.« Ihre Stimme kam schrill aus dem Lautsprecher. Irgendwie war es auch mir von vornherein klar gewesen, dass der Quader nicht von Menschenhand erschaffen worden sein konnte, es auszusprechen hatte ich bislang nicht gewagt.
»Die mir gegenüberliegende Wand ist etwa halb hoch verglast. Vor der Wand sind Konsolen angebracht, in die Displays eingelassen sind. Vor den Konsolen stehen sechs Stühle, alle fest im Boden verschraubt. Die Rückenlehnen der Stühle sind dreigeteilt, zwischen den einzelnen Lehnenteilen ist jeweils ein Spalt von ca. zehn Zentimeter Durchmesser. Die Sitzfläche selbst ist annähernd quadratisch ungefähr vierzig Zentimeter Durchmesser. Die Spitzen der Lehnen sind etwa sechzig Zentimeter vom Boden des Raumes entfernt. Ich kann mir beim besten Willen nicht die Ergonomie der Wesen vorstellen, die auf solchen Stühlen sitzen könnten. Auch die Deckenhöhe scheint mir wesentlich zu niedrig zu sein, um den Bedürfnissen solcher Wesen entgegenzukommen. Sie müssten doch mit ihren Köpfen bereits die Decke berühren, sobald sie nur aufstehen. Irgendwie nicht vorstellbar. Oh ...«
»Was ist passiert, Lisa?«, rief ich erschrocken. Plötzlich strahlte das übertragene Bild auf meinem Monitor in rötlichem Licht wieder.
»Das Licht ist angegangen, Tom, sonst nichts. Ich muss irgendeinen Kontakt ausgelöst haben. Auch hinter der Glasscheibe ist jetzt Licht.«
Das sah ich nun auch. Hinter der Glasscheibe erstreckte sich eine kleine Halle. Etwa zweihundert Meter lang und genauso breit, der Raum in dem Lisa sich befand, war wohl am ehesten mit einem Kontrollraum vergleichbar. Von hier aus konnte man die komplette Halle einsehen. Unschwer war zu erkennen, dass die Halle mit Raumschiffen vollgestellt war, Raumschiffe, die für den Atmosphärenflug geeignet sein mussten, ich hatte Assoziationen von Kampfjets, die in irdischen Kriegen eingesetzt worden waren, vor Augen.
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