»Sie steht dir ausgezeichnet, mein Freund«, sprach Dämonicon leise zu Vagho. Seine Stimme ließ die Wände der Schlucht erzittern. Staub und kleine Steine fielen herab und die Krieger sahen sich furchtsam um.
»Was nun geschehen soll, ist etwas komplizierter«, sprach Monga und sie betrachtete noch immer die Krone auf dem Kopf des Schattenalps.
Orapius zog aus einem kleinen Ledersack ein altes Türschloss heraus. Er streckte seine Hände mit dem Schloss Vagho entgegen und seine Stimme erbebte vor Ehrfurcht, als er zu ihm sprach. »Mein Herr und Meister. Spreche die Beschwörung aus, sodass die Krone ihr Werk verrichten kann. Das Schloss wird sich öffnen, so wie es auf dem alten Pergament stand, das ich im Bluthort gefunden habe.«
Vagho betrachtete das Schloss, in dem ein abgebrochener Schlüssel steckte und die verrostete Verriegelung herausschaute. Er bezweifelte, dass dieses Ding noch funktionierte, doch er sprach die Beschwörung aus. Sofort drehte sich der Rest des Schlüssels im Schloss einmal um sich selbst und der Riegel fuhr zurück. Hätte das Schloss eine Tür verschlossen, so wäre sie für jeden Eindringling offen. Erleichtert sah Vagho zu Dämonicon.
»Damit ist es also entschieden«, sprach der schwarze Prinz und Monga stimmte ihrem Sohn zu.
»Wir werden uns die drei Elflinge holen und so Theodora mitten in ihr Herz treffen. Sie wird sich nach ihnen so sehr sehnen, dass sie ihre Kräfte verbraucht und ihre Aura zusammenbricht. Wenn das geschehen ist, werden wir Bochea überrennen und die Stadt dem Erdboden gleichmachen.«
»Ja Mutter«, sprach der schwarze Prinz. »Im Frühjahr werden wir soweit sein. Mein getreuer Diener Platos hat mir einen Boten geschickt. Er herrscht in meinem Namen noch immer über die Insel der Alten. Seine Treue ist groß und er bereitet alles für meine Rückkehr und natürlich auch für die Rückkehr der sieben Alten vor. Sein Orakel wird ihm dabei helfen. So hat es mir sein Bote versichert.«
Vagho rieb sich die Hände und ein hinterhältiges Grinsen war in seinem Gesicht zu sehen. Er spürte die Abenteuerlust und die Gier nach fremden Schätzen. Diese Gier war wie ein Rausch und er gab sich diesem Rauch mit Vergnügen hin. »Wir werden uns diese Elflinge holen und dann lassen wir sie fliegen.«
»Ja mein Herr«, stimmte ihm Orapius zu. »So wird sich die Prophezeiung dieser Feenkönigin doch noch erfüllen.«
Der schwarze Magier packte das Schloss zurück in den Sack. Er warf es achtlos auf das Grab von Assgho. Dann lief er seinem Herrn nach, der sich mit Dämonicon und Monga zu einer Höhle zurückzog.
Die Hitze des Tages wurde immer unerträglicher. In der Höhle, die tief in die Wand der Schlucht führte, beschwor Dämonicon ein schwarzes Portal. Es brachte ihn und seine Begleiter zurück zum großen Festungstor des Bluthortes. Vor dem Tor des alten Gemäuers öffnete sich das Portal und Dämonicon kam zuerst heraus. Die anderen folgten ihm und als der letzte Krieger heraus war, schloss es sich mit einem Knall.
Dämonicon stieß das Tor auf und lief in die große Halle der alten Festung. Dort wartete bereits das Essen auf einen Tisch. Nach einer halben Stunde erklärte er Monga und Vagho, was er vorhatte. »Noch heute werdet ihr nach Bochea reisen. Orapius wird euch begleiten. Ihr holt euch die drei Elflinge und bringt sie mir. Wir sperren sie hier im Bluthort ein, und wenn das Frühjahr gekommen ist, werden wir unsere Pläne verwirklichen. Dieses Mal werden wir über Bochea siegen und Theodora wird sterben.«
»Und was wirst du in der Zwischenzeit machen?« In Mongas Stimme war deutlich zu hören, dass sie mit ihrem Sohn nicht völlig einverstanden war. Sie sah ihn mit einem durchdringenden Blick an.
»Ich reise nach Selan und werde dort die Arbeiten an der Tempelanlage überwachen«, erklärte Dämonicon und seine Stimme ließ die alten Mauern des Bluthortes erzittern. »Vor vielen Jahren hat dort angeblich ein unerklärliches Beben gewütet. Doch es wird wohl eher ein Krieg gewesen sein. Platos Bote konnte, oder wollte mir nichts genaues sagen. Der Bote war noch ein Knabe, den Platos mit Bedacht für seine Aufgabe ausgesucht hatte. Ich will, dass die Bewohner der Insel die sieben Tempel wieder aufbauen und zu einem einzigen Tempel vereinen. Es darf nur einen Zugang geben, der leicht zu bewachen ist. Das ist sehr wichtig für mich. Die versteinerten Söhne des Schöpfers müssen geschützt werden. Kriege und Hungersnöte haben das Volk auf der Insel von ihren Pflichten abgehalten. Ich werde das ändern und auf der Insel für Ordnung sorgen.«
»Na gut«, lenkte Monga ein. »Wir reisen also nach Bochea und holen uns die Kinder der Feenkönigin. Ich hoffe nur, du vergeudest nicht so viel Zeit auf dieser Insel.«
Dämonicons Miene verfinsterte sich, als er zur schwarzen Fürstin sah. »Du wirst doch nicht etwa an mir zweifeln, Mutter? Immerhin verdankst du mir deinen neuen Körper. Mein Vater hätte ihn dir nicht geben können.«
»So habe ich das nicht gemeint«, versuchte Monga ihren Sohn zu beschwichtigen. »Ich will nur … ohne dich ist es viel gefährlicher in Bochea. Dort gibt es nur Feinde.«
Dämonicon nahm sich eine Schweinekeule und roch an ihr. Sie war frisch gebraten und ihr Duft zog ihm in die Nase. Er zeigte mit ihr zu Monga. »Du weißt genau, dass ich euch in Bochea nicht helfen kann. Die Aura der Feenkönigin würde mich sofort verraten. In dieser Stadt ist jede schwarze Magie nutzlos. Deshalb muss ein Meisterdieb wie Vagho dort ans Werk gehen. Ihr sollt ihm helfen, die Kinder sicher hier herzuschaffen. Ist das so schwer zu verstehen, meine liebe Mutter?«
Monga schüttelte den Kopf und ein Bote trat herein. Er beendete mit seiner Meldung das Gespräch. Der Bote trat dicht an Dämonicon heran und grüßte mit einer Verbeugung. Dann trug er seine Botschaft vor. »Ich bin gelaufen, so schnell ich konnte, mein Herr. Ich muss euch berichten, dass die Riesen in Ando-Hall sich zum Kampf gerüstet haben. Sie haben sich von ihren Priestern für einen Krieg segnen lassen. Das konnten wir aus den Gesprächen von zwei Jägern entnehmen, die wir belauscht haben. Es waren weiße Elfen, die in der Nähe von Ando-Hall ihr Jagdgebiet haben. Die Riesen bewachen ihre Stadt und ihren Tempel so gut, dass niemand ungesehen hineinkommt.«
»Verdammt, das habe ich befürchtet!«, fluchte Vagho sofort los, als der Bote seinen Bericht beendete.
»Du musst mehr Geduld haben«, belehrte ihn Dämonicon. »Es findet sich immer wieder eine Möglichkeit, in Ando-Hall einzudringen. Außerdem haben wir in der nächsten Zeit dort nichts Wichtiges zu erledigen. Und die Wand mit der verräterischen Karte im Tempel der Riesen wird auf uns warten müssen. Die werden wir zerstören, wenn wir Ando-Hall dem Erdboden gleichgemacht haben.«
Die Worte des schwarzen Prinzen erinnerten Orapius an seine eigene Karte, die er immer bei sich hatte. Er breitete sie auf einem Tisch aus und tippte mit einem Dolch auf die Stelle, wo Bochea eingezeichnet war. »Wir holen uns zuerst die Elflinge«, sprach er in aller Ruhe zu Vagho. »Dann warten wir einige Tage und sehen, was in Bochea geschieht. Einige Meilen südlich von Bochea gibt es ein gutes Versteck für uns. Es ist ein kleiner, flacher Hügel, auf dem die Reste eines alten Gemäuers stehen. Man nannte früher diesen merkwürdigen Ort den Laurushügel.«
Dämonicon und Monga beugten sich über die Karte und betrachteten sie. Sie bestand aus dünnem Ziegenleder und ihre schwarzen Linien und Buchstaben konnte nur jemand sehen, der ihr Geheimnis kannte. Orapius hatte sie hergestellt und mit einem magischen Schutzzauber versehen. Nur ein Träger der schwarzen Magie konnte ihr Geheimnis lüften. Zufrieden schaute der Magier in die Gesichter von Monga, Vagho und Dämonicon.
»Du hast dir viel Mühe mit dieser Karte gegeben«, lobte ihn die schwarze Fürstin. »Wir sollten noch etwas von den Speisen essen und einen guten Wein dazu trinken. Dann ist es Zeit für den Aufbruch. Selbst auf der Karte sieht der Weg nach Bochea recht weit aus.«
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