Gesunde Prostata – Von Vorbeugung bis Heilung; Dr. Peter Düweke. Stiftung Warentest, 2011.
Diagnose: Prostatakrebs. Ein Ratgeber – nicht nur für Männer; Prof. Lothar Weißbach und Edith A. Boedefeld. 2. Auflage. Zuckschwerdt Verlag GmbH, 2007.
Die gute Nachricht: Prostata-Erkrankungen müssen nicht als Schicksal hingenommen werden. Jeder kann selbst Verantwortung übernehmen und über die Ernährungs- und Lebensweise vorbeugen oder die Therapie unterstützen. Mehr dazu erfahren Sie in den Kapiteln 4, 5 und 7.
2.5 Prostatakrebs als Zivilisationskrankheit
2.5.1 Erst wächst der Bauch, dann die Prostata, dann oft ein Karzinom
Unsere moderne Zivilisationskost mit reichlich Fleisch- und Milchprodukten, Zucker, Weißmehl sowie vielen stark industriell verarbeiteten Lebensmitteln fördert Stoffwechselerkrankungen, Übergewicht und das metabolische Syndrom. Der Mensch wächst immer mehr in die Breite, was sich auch an den Drüsen wiederspiegelt. Für jedermann sichtbar wird dies bei Übergewicht an der Brustdrüse von Mann und Frau, doch auch die Prostata ist eine Drüse, die bei Männern, welche sich nach dem westlichen Muster ernähren, stetig wächst.
Unsere Zivilisationsernährung führt zu einer Ansammlung von Fett in Bauch und Leber und zu Stoffwechselstörungen. Nach außen sichtbar ist vor allem das Übergewicht, doch im Blut finden sich zu viele Fette, Cholesterin, Zucker, Insulin, IGF-1 und Aminosäuren, die eine anabole Mast auslösen und ideale Voraussetzungen für gut- und bösartiges Zellwachstum schaffen. Auch die Ausschüttung von Hormonen wird so stimuliert. In der Prostata führt dies zunächst zu einer Prostatahyperplasie (BPH), einer gutartigen Vergrößerung durch Zellvermehrung. Die BPH resultiert in einer vermehrten Anfälligkeit der Prostata für Entzündungen oder verstärkt diese in Form eines Teufelskreises. Denn Entzündungsprozesse fördern wiederum das Wachstum der Prostata und die BPH (s. Kapitel 2.5.4, Seite 13sowie Kapitel 3.7, Seite 47).
Die Inflammationsprozesse bei einer chronischen Prostatitis fördern schließlich insbesondere durch den chronisch erhöhten oxidativen und nitrosativen Stress die Entstehung eines Prostatakarzinoms. Dazu tragen auch Beschwerden beim Wasserlassen und Stuhlgang bei, die zum vermehrten Ausüben von Druck führen können, was das Eindringen von Keimen in die Prostata begünstigt.
Erreger kommen häufig über den Harnweg in die Prostata, jedoch lässt die anatomische Nähe zum Mastdarm auch an eine Einwanderung von Darmbakterien denken, insbesondere beim Vorliegen von Schleimhautschäden (vgl. Kapitel 3.7.1 ab Seite 47). So haben Patienten mit Hämorrhoiden ein um 40 % erhöhtes Risiko für Prostatakrebs. Dies ergab eine Studie mit über 70.000 Patienten, die über einen Zeitraum von 6,23 Jahre durchgeführt wurde (Lee et al. , 2013).
Wie PCR-Untersuchungen von Prostatakarzinomen auf virale und bakterielle DNA von 83 Erregern ergaben, verteilen sich Mikroorganismen nicht homogen auf das Prostatagewebe, sondern bilden abgegrenzte Herde, welche möglicherweise die Entstehung des späteren Karzinoms, das ja ursprünglich immer aus einem lokalen Zellklon entsteht, begünstigen (Sfanos et al. , 2008). Dies dürfte auch deshalb interessant sein, weil in einer Prostata häufig mehrere Krebsherde feststellbar sind.
Durch die direkte nachbarschaftliche Lage der vergrößerten Prostata zum Dickdarm können auch Kanzerogene, z. B. PAKs aus gegrilltem Fleisch (Knize und Felton, 2005), und möglicherweise andere krebsauslösende Erreger aus dem Rektum in die Prostata diffundieren und die Entstehung eines Tumors zusätzlich fördern (vgl. Kapitel 4.3.1, Seite 80). Gegrilltes Fleisch ist nicht nur außen kanzerogen, sondern innen häufig noch rot und ungar. Wie wohl der deutsche Nobelpreisträger zur Hausen (2012) richtig vermutet, können zusätzlich infektiöse Faktoren aus diesem nicht durchgekochten, roten Fleisch das Risiko für Dickdarmkrebs stark erhöhen. Konkret vermutet zur Hausen, Chef des DKFZ (Deutsches Krebsforschungszentrum) in Heidelberg, onkogene Viren, die den Dickdarm infizieren. Der Weg vom Darm zur Prostata ist nicht weit.
2.5.2 Metabolisches Syndrom und Prostatakrebs
Die Daten der Nationalen Verzehrsstudie II (MRI, 2008a) zeigen: Insgesamt 58,2 % der Deutschen wiegen zu viel; 37,4 % sind übergewichtig und 20,8 % adipös. Etwa 20 % der Bundesbürger haben die nächste, bereits pathologische Stufe erklommen: das metabolische Syndrom. Die Diagnose wird in der Regel gestellt, wenn mindestens drei der folgenden fünf Kriterien erfüllt sind:
1 Ein stammbetontes Übergewicht mit einem Bauchumfang über 102 cm bei Männern bzw. über 88 cm bei Frauen
2 Ein erhöhter Blutdruck (130/85 mmHg oder darüber)
3 Eine erhöhte Nüchternblutglukose von mindestens 5,6 mmol/l (100 mg/dl) und/oder ein Gelegenheitszucker von 11,1 mmol/l (200 mg/dl) oder darüber und/oder ein bekannter Diabetes mellitus
4 Erhöhte Blutfettwerte (Triglyzeride ≥ 1,7 mmol/l bzw. 150 mg/dl)
5 Ein erniedrigtes „gutes“ Cholesterin (HDL-Cholesterin < 1,03 mmol/l bzw. 40 mg/dl bei Männern und < 1,29 mmol/l bzw. 50 mg/dl bei Frauen)
Aber: Laut International Diabetes Federation und WHO liegt bei Männern europäischer Herkunft bereits ab einem Taillenumfang von 94 cm und bei Frauen ab 80 cm ein stammbetontes Übergewicht vor. Nach diesen wesentlich realistischeren Kriterien der International Diabetes Federation und der WHO wäre die Prävalenz des metabolischen Syndroms in Deutschland wesentlich höher. Tatsächlich muss der Bauch- und Leberfettgehalt nicht äußerlich sichtbar erhöht sein, um ernste Stoffwechselstörungen mit erhöhten Blutspiegeln von Insulin, IGF-1, Blutfetten, Cholesterin, Zucker und anabolen Aminosäuren auszulösen. Das Bauchfett ist in den Organen und zwischen den Eingeweiden eingelagert und von der Bauchmuskulatur bedeckt.
Bei Männern kann vor allem regelmäßiger und übermäßiger Alkoholkonsum die Verfettung von Bauchraum und Leber vorantreiben. Bier ist aufgrund der Kaloriendichte und der oft hohen konsumierten Menge deutlich ungünstiger als ein Glas Rotwein. Der „Bierbauch“ bedarf keiner weiteren wissenschaftlichen Erklärung.
Patienten mit metabolischem Syndrom haben ein erhöhtes Risiko für eine Prostatahyperplasie (BPH) und Prostatakrebs (PCa) (Alcaraz et al. , 2009). Immer mehr Studien zeigen, dass das metabolische Syndrom an der Pathogenese und dem Fortschreiten von Prostataerkrankungen wie der BPH und dem PCa kausal beteiligt ist (z. B. Alcaraz et al. , 2009; de Nunzio et al. , 2012). Die typischen Kriterien des metabolischen Syndroms, nämlich chronisch erhöhte Insulinspiegel (Hyperinsulinämie), Fettstoffwechselstörungen, Bluthochdruck und erhöhtes Bauchfett, gelten alle als Risikofaktoren für BPH und PCa (Hammarsten und Högstedt, 1999, 2004 und 2005; Irani et al. , 2003, Nandeesha et al. , 2006; Xie et al. , 2007).
Es besteht ein Zusammenhang zwischen metabolischem Syndrom und Progression, Schweregrad und Prognose eines PCa. PCa-Patienten, die erhöhte Insulinspiegel, Blutfette und Übergewicht haben, weisen deutlich häufiger höhergradigen (G3), schlecht differenzierten und damit aggressiveren Prostatakrebs auf (Hammarsten und Högstedt, 2004). Insbesondere erhöhte Insulinspiegel stehen in Zusammenhang mit PCa und könnten ein Marker für die Aggressivität und Prognose des Tumors sein (Alcaraz et al. , 2009), was mit der proentzündlichen, anabolen Wirkung einer Hyperinsulinämie in Verbindung stehen könnte. Auch Diabetes mellitus Typ 2 und behandelter Bluthochdruck stehen mit tödlich verlaufendem PCa in Zusammenhang (Hammarsten und Högstedt, 2005).
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