Eine Ernährung, die viel tierisches Protein und Salz enthält, greift die Knochen an und sollte gemieden werden. Reichlich basenbildende Rohkost – der Ansatz der Krebsärzte des letzten Jahrhunderts – ist dagegen eine wirkungsvolle Methode zur Bereinigung des microenvironments . Allerdings verträgt nicht jeder Rohkost. Kurzes Anbraten, wie die Asiaten dies tun, oder leichtes Dünsten erhält auch die Vitalstoffe und ist besser verträglich.
Positive Effekte der L-(+)-Milchsäure
Oral zugeführte L-(+)-Milchsäure wird seit Jahrzehnten in der komplementären Krebstherapie eingesetzt. Die Kombination von L-(+)-Milchsäure mit Citraten scheint physiologisch besonders sinnvoll – auch im Sinne einer echten Balance von Säuren und Basen.
Sowohl L-(+)-Milchsäure als auch Ballaststoffe werden im Dickdarm von Bakterien zu Butyrat fermentiert und führen so zu einem gesunden, leicht sauren Dickdarmmilieu (Bourriaud et al. , 2005). Butyrat ist der wichtigste Nährstoff für die Darmmukosa sowie ein potenter Immunmodulator und Krebshemmstoff (vgl. auch Kapitel 3.8.4, Seite 55). L-(+)-Milchsäure dient auch der Wiederherstellung eines gesunden, leicht sauren Dickdarmmilieus. In einem sauren Dickdarm wird das gasförmige Ammoniak, das den Energiestoffwechsel in der Leber massiv belastet, als Ammoniumsalz mit dem Stuhl ausgeschieden. Die Leber als zentrales Organ des Energie- und Säure-Basen-Haushalts wird entlastet. Ist der Leberstoffwechsel funktionstüchtig, kann das Blut wieder Säuren aufnehmen und in die Leber zum oxidativen Abbau leiten. Ein erhöhter Dickdarm-pH-Wert erhöht das Risiko für Dickdarmkrebs (Thornton, 1981), weil die Umwandlung der Gallensäuren zu kanzerogenen, sekundären Gallensäuren gefördert wird. Eine Absenkung des Dickdarm-pH-Wertes hat somit diverse positive Effekte.
Insgesamt fördern präbiotische Ballaststoffe eine gesunde Darmflora, säuern den Dickdarm durch die Bildung anti-entzündlicher kurzkettiger Fettsäuren wie Butyrat leicht an, fördern so die Ammoniak-Ausscheidung und entlasten den Leberstoffwechsel.
Nach dem Krebsarzt Dr. Dr. Seeger steigert die L-(+)-Milchsäure die Zellatmung deutlich. Laut Dr. W. Fryda soll Milchsäure das Blutplasma ansäuern und so die Voraussetzung schaffen, dass das übersäuerte Gewebe seine Säurelast wieder ins Blut abgeben kann. Der Ansatz von Dr. Fryda ist wohl richtig, jedoch dürfte der Wirkmechanismus komplexer sein.
Unter physiologischen Bedingungen dissoziieren 99 % der Milchsäure zu Laktat und H +-Ionen. Die Milchsäure gelangt in den Darm und verbessert dort die Ammoniak-Ausscheidung über den Stuhl (Leberentlastung). Zum Teil gelangt das Laktat auch ins Blut und wirkt dort als Signalmolekül (Brooks, 2009). Es übt einen „Trainingseffekt“ auf Erythrozyten und Gewebe aus. Unter regelmäßiger Milchsäurebelastung (durch die Ernährung oder durch Sport) werden verstärkt Monocarboxylattransporter (MCT) in der Erythrozytenmembran exprimiert. Die Erythrozyten können dadurch Milchsäure aus dem Plasma aufnehmen und zu Geweben transportieren, die Laktat verstoffwechseln (Herz, Gehirn). Durch den Abtransport erhöht sich der Laktatgradient zwischen Gewebe bzw. Muskel und Plasma, was einen erhöhten Protonenefflux aus dem Gewebe ermöglicht. Denn beim MCT-Transport handelt es sich um einen Symport von Laktat und Protonen. Der Trainingseffekt äußert sich durch eine verbesserte Protonenaufnahmefähigkeit und Pufferfähigkeit der Erythrozyten. Insbesondere bei Krebserkrankungen kann ein solchermaßen trainiertes System die Tumormilchsäure, welche den Tumor schützt und die Metastasierung vorantreibt, effektiver aus dem Gewebe entfernen und unschädlich machen. Das MCT-Transportsystem hat unter Belastung den größten Stellenwert bei der pH-Regulation, weil es seine Transportleistung deutlich steigern kann. Die MCTs bestimmen damit die reale Pufferkapazität eines Gewebes (Brooks, 2009).
Bewegung fördert Entsäuerung – trotz Azidose
Bekanntlich reduziert Sport sehr nachhaltig das Krebsrisiko und die Rezidivrate. Sicherlich spielen hier auch immunologische und psychische Faktoren eine wichtige Rolle, jedoch sind daneben die direkten Effekte auf Tumorzellen und Tumornische nicht zu unterschätzen. So sagt ein Tumormodell aus, dass eine permanente Azidose, die tumorbedingt und ernährungsbedingt auftreten kann, das Tumorwachstum nicht hemmt, jedoch dass eine vorübergehende Azidose durch Sport die maligne Entartung verlangsamt (Smallbone et al. , 2010).
Sport bewirkt sowohl durch verstärkte Zellatmung als auch durch aerobe Glykolyse zunächst eine Azidose. Intensive Belastungen gehen zwangsläufig mit vertiefter und beschleunigter Atmung einher. Damit wird vermehrt Sauerstoff (O 2) eingeatmet (Verbesserung der Oxygenierung) und Kohlendioxid (CO 2) (und damit quasi Kohlensäure) abgeatmet, um einem weiteren Absinken des Blut-pH-Wertes entgegenzuwirken. Bewegung sorgt auf diese Weise für eine Basenflut im Gewebe und entsäuert letztlich effektiv die extrazelluläre Matrix, erhöht die Körpertemperatur, fördert die Durchblutung und damit den Stoffaustausch und die Ausleitung der Säuren aus der extrazellulären Matrix. Regelmäßige körperliche Bewegung erhöht die Funktion und die Anzahl der Mitochondrien. Hochleistungssport kann wiederum eine ungünstige chronische Azidose fördern, da die Pufferreserven überlastet werden.
3.8.7 Diät nach Max Gerson
Max B. Gerson war ein deutscher Mediziner, der seine schweren Migräneanfälle durch eine sehr kaliumreiche, natriumarme pflanzenbasierte Ernährung ausheilte und einen der ersten auf Ernährung basierenden Ansätze zur Krebstherapie entwickelte. Da Nervenzellen besonders sensibel auf Energiemangel und ein reduziertes Membranpotential (intrazellulärer Kaliummangel und erhöhtes Natrium und Calcium) reagieren, scheint der Ansatz, Migräne mit einer sehr kaliumreichen, natriumarmen Ernährung zu heilen, grundsätzlich sinnvoll.
Gersons Krebsdiät ist zwar in einigen Punkten zu Recht umstritten, besitzt aber einen inzwischen wissenschaftlich bestätigten Kern, durch den sich auch seine erstaunlichen Erfolge bei Krebspatienten erklären lassen (z. B.: Max Gerson (2010): Eine Krebstherapie – 50 Fälle). Gerson (1954) konnte mit seiner Therapie bei über 50 % der behandelten fortgeschrittenen Krebsfälle Erfolge verbuchen. Erst wenn die Funktion der Leber nicht mehr hergestellt werden konnte, bestand keine Aussicht mehr auf Erfolg (Gerson, 1978).
Max Gerson konnte durch seine „Migräne-Diät“ auch Hauttuberkulose heilen, was ihm die Aufmerksamkeit von Ferdinand Sauerbruch einbrachte, einem weltweit berühmten Thoraxchirurgen. Die Zusammenarbeit der beiden Mediziner ermöglichte es Gerson, in einer klinischen Studie an Patienten mit Hauttuberkulose 446 der 450 Patienten zu heilen und zusammen mit Sauerbruch zahlreiche Artikel zu veröffentlichen.
Auch Albert Schweitzer, Mediziner und Träger des Friedensnobelpreises, hielt große Stücke auf seinen lebenslangen Freund Max Gerson. Durch Anwendung der Gerson-Therapie konnte seine an Lungentuberkulose erkrankte Frau geheilt werden, und auch Schweitzer selbst heilte damit erfolgreich seine Diabeteserkrankung. Von Schweitzer stammt auch der Ausspruch: „Ich bin Leben, das leben will, inmitten von Leben, das leben will.“, was seine Ethik der Ehrfurcht vor dem Leben widerspiegelt.
Albert Schweitzer war in Gabun als Missionsarzt tätig. Die in Afrika steigende Häufigkeit von Krebs- und Nierenerkrankungen führte er auf den gestiegenen Salz- und den reduzierten Kaliumverzehr zurück, da die Afrikaner immer mehr Brot sowie tierische und mit Salz konservierte Lebensmittel zu sich nehmen, statt sich wie ursprünglich von viel Getreide (Hirse, Mais, Reis), Gemüse und Obst zu ernähren.
Die Grundzüge der Gerson-Diät basieren auf Salzverzicht, einer reichlichen Aufnahme von frischem, biologisch angebautem Gemüse, Obst, Kräutern, Vollkorn, zusätzlicher Kalium-Supplementierung sowie auf einer strikten Reduktion von Fett und tierischem Protein durch eine fettarme, pflanzliche Ernährung. Der Großteil der Lebensmittel wird als Rohkost aufgenommen. Dabei werden bis zu 7 - 10 kg Gemüse und Früchte täglich verzehrt – hauptsächlich als Säfte, von denen stündlich eine Portion getrunken wird. Dazu gibt es drei gekochte, pflanzliche Hauptmahlzeiten. Gerson setzte auch Kaffeeeinläufe zur Leberentlastung, Leinöl (das einzige Öl, das er empfahl) und Lugol’sche Jodlösung ein. Auf diese Weise haben Patienten ca. 20 g Kalium und praktisch kein Natrium zu sich genommen. Es versteht sich von selbst, dass nicht jeder Krebspatient für eine solch intensive Ernährungsintervention geeignet ist und die Durchführung einer solchen Diät mit Blutanalysen der Natrium-, Chlorid-, und Kaliumwerte gut überwacht werden muss.
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