Die zur Gerson-Therapie gehörende Verabreichung von roher Kalbsleber führte dazu, dass Krebspatienten durch Infektionen zu Tode kamen. Zudem wurde der übermäßige und nicht sachgemäße Einsatz von Kaffeeeinläufen mit schwerwiegenden Erkrankungen, wie z. B. Colitis, Störungen des Elektrolyt-Haushalts und sogar mit dem Tod in Verbindung gebracht. Diese Fälle standen zwar nicht direkt mit Gerson in Verbindung, zeigen aber, dass die Gerson-Therapie nicht ungefährlich ist und umsichtig eingesetzt werden muss.
Der wesentliche Punkt der Gerson-Diät ist die Herstellung eines für den Körper optimalen Natrium-Kalium-Verhältnisses. Gerson zufolge bewirkt die Ausleitung von Natrium und Giftstoffen sowie die Auffüllung der intrazellulären Kaliumspeicher die „Zelldifferenzierung“ und Wiederherstellung von „Spannung“ und „Oxidation“ und damit den Gesundungsprozess. Somit konnte durch die Gerson-Therapie im Körper ein optimales Natrium-Kalium-Verhältnis erzeugt und die Aktivität der Natrium-Kalium-Pumpe normalisiert werden – doch davon wusste man zu jener Zeit wissenschaftlich noch nichts.
Ein großer Teil der Lebensmittel werden bei Gerson als Rohkost verzehrt. Dies hat den Vorteil, dass noch große Mengen Kalium enthalten sind. Gerson (1934) hat jedoch von einer dauerhaften ausschließlichen Rohkosternährung abgeraten, sie sollte nur zeitlich beschränkt als Heilkost aufgenommen werden.
Die Gerson-Diät enthält große Mengen Obst, die als Saft eingenommen werden. Dadurch kommt es zu einer schnellen Anflutung von Glukose und Fruktose im Blut. Auch besteht beim reichlichen Konsum von Fruchtsäften das Risiko einer erhöhten Fuselalkoholbildung und einer damit einhergehenden Belastung von Leber und Darm. Eine Umstellung zu einer Ernährung auf Basis von Gemüse, chlorophyllreichen Pflanzen, Gräsern und Kräutern und nur ausgewählten, besonders polyphenolreichen Früchten ist bei einer Krebserkrankung sinnvoller als der reichliche Verzehr von süßen Säften. Grundsätzlich ist es besser, Obst nicht überwiegend als Saft zu verzehren, weil in der ganzen Frucht die Ballaststoffe enthalten bleiben und die Anflutung des fruchteigenen Zuckers im Blut viel langsamer erfolgt.
Eine bestehende Insulinresistenz bei Übergewicht wird durch die Kur nach Gerson abgebaut und das Gewicht reduziert. Einem starken Gewichtsverlust sollte rechtzeitig durch kaloriendichtere pflanzliche Nahrungsmittel entgegengewirkt werden.
Im Rahmen einer Kachexie, bei Untergewicht und für Personen mit verminderter renaler Kalium-Ausscheidung oder anderen ausgeprägten Störungen des Kalium- und Natrium-Haushalts ist die Gerson-Therapie kontraindiziert.Die intensive Ernährungstherapie sollte nur unter erfahrener fachkundiger Anleitung und unter regelmäßiger Kontrolle der Serum-Elektrolyte durchgeführt werden.
Gersons Ansatz wird durch zahlreiche Studien untermauert, die zeigen, dass ein erhöhtes Natrium-Kalium-Verhältnis mit einer erhöhten Malignität von Krebszellen einhergeht und dass hohe intrazelluläre Kaliumwerte mit reduzierten Krebsraten und hohe intrazelluläre Natriumwerte mit erhöhten Krebsraten assoziiert sind.
Bemerkenswerterweise wird die Anzahl vorhandener Natrium-Kalium-Pumpen durch Training, Schilddrüsenhormone, Insulin, Glucocorticoide, Kaliumüberladung oder Polyphenole nach oben bzw. durch Inaktivität, Kaliummangel, Hypoxie, Herzversagen, Schilddrüsenunterfunktion, Hungern, Diabetes, Alkoholismus oder Muskeldystrophie nach unten reguliert. Gerson hat also empirisch durch den Einsatz von Jodlösung (zur Förderung der Bildung von Schilddrüsenhormonen) und natriumarmer, sehr kaliumreicher sowie polyphenolreicher Ernährung nicht nur den Ausgleich der Natrium-Kalium-Balance angestrebt, sondern auch die Natrium-Kalium-Pumpe aktiviert. (Wirkungsvoller als Jodlösung dürfte der direkte Einsatz von Thyroxin sein.)
Über Gerson sagte Albert Schweitzer wohl mit Recht: „Ich sehe in ihm eines der bedeutendsten Genies in der Geschichte der Medizin. Viele seiner grundlegenden Ideen wurden übernommen, ohne dass sein Name damit in Verbindung gebracht wurde.“
4. Ernährung bei Prostatakrebs
Zwar liegt einer Prostatakrebs-Erkrankung eine genetische Disposition zugrunde, doch können wir doch durch unsere Ernährung und Lebensweise die Ausprägung unserer Gene positiv oder auch negativ beeinflussen. Dies zeigen z. B. klinische Studien der Arbeitsgruppe um Prof. Dean Ornish. (Sein Ansatz in der Behandlung von Herz-Kreislauf-Erkrankungen ist wissenschaftlich so gut untermauert und wirkungsvoll, dass er von Medicare , der nicht gerade für Großzügigkeit bekannten öffentlichen US-Krankenversicherung, bezahlt wird.)
Dass die Ernährungsweise maßgeblich die Prostatakrebsmortalität beeinflusst, zeigt der Vergleich weltweiter Prostatakrebs-Sterberaten in Zusammenhang mit dem im jeweiligen Land über Jahrzehnte vorherrschenden Ernährungsmuster.
Weltweit korreliert das westliche Ernährungsmuster mit vielen Fleisch- und Milchprodukten sowie Zucker durchweg mit einer hohen Prostatakrebssterblichkeit, während das asiatische Ernährungsmuster auf Basis von Reis, Sojabohnen und Gemüse mit einer sehr niedrigen Mortalität einhergeht. Diese Überlebensvorteile der Asiaten verschwinden nach einer Migration in westliche Länder und der Übernahme eines westlichen Ernährungsmusters.
Große epidemiologische Studien zeigen, dass Vegetarier im Vergleich zu Fleischessern ein um 40 % vermindertes Risiko haben, an Krebs zu erkranken. Insbesondere rotes Fleisch hat aufgrund verschiedener Inhaltsstoffe nachteilige Wirkungen auf unsere Gesundheit. So enthält es zum einen keine Ballaststoffe und andere Schutzfaktoren, dafür aber tierisches Protein, gesättigte Fettsäuren, entzündungsfördernde Arachidonsäure und prooxidative Spurenelemente wie Eisen und Kupfer. In verarbeitetem Zustand hat es zudem einen hohen Salzgehalt. Zum anderen entstehen bei der Zubereitung von Fleisch, insbesondere beim Braten, krebserregende Verbindungen wie heterozyklische Amine und polyzyklische aromatische Kohlenwasserstoffe (PAKs) sowie AGEs. Nitrosamine und andere Nitrosoverbindungen, die Genmutationen fördern, entstehen auch ohne Braten nach dem Verzehr im Magen-Darm-Trakt.
Auch Milch stellt einen Risikofaktor für die Entwicklung von Prostatakrebs dar, denn ein hoher Verzehr von Milchprodukten führt u. a. zu erhöhten Blutspiegeln des Wachstumsfaktors IGF-1 und zu einer hohen Calciumaufnahme. Nicht nur die EPIC-Studie belegte, dass ein hoher Verzehr von Milchprotein und Calcium aus Milchprodukten und hohe Serumkonzentrationen an IGF-1 mit einem deutlich erhöhten Prostatakrebsrisiko einhergehen.
Vor allem die Kombination von tierischem Protein mit schnell im Blut anflutenden Kohlenhydraten wie Zucker und Weißmehl führt zu hohen Insulinausschüttungen, während gesättigte Fettsäuren eine Leberverfettung und Insulinresistenz fördern. Durch die Verfettung der Eingeweide und Leber entstehen Stoffwechselstörungen, die zu chronisch erhöhten Blutzucker-, Cholesterin-, Hormon-, Blutfett- und Aminosäurekonzentrationen, chronisch erhöhtem Insulin und IGF-1 und damit einer insgesamt proentzündlichen und tumorfördernden Stoffwechsellage führen.
Die Ergebnisse der Studien zu Fisch, Fischöl und Prostatakrebs sind widersprüchlich und erlauben keine klare Schlussfolgerung. Entscheidende Punkte für diese Widersprüchlichkeit sind die individuell unterschiedliche Stoffwechsellage, das gesamte Ernährungsmuster sowie die Zubereitung. Omega-3-Fettsäuren können zu erhöhten Serumkonzentrationen dieser Fettsäuren, einer Reduktion der antioxidativen Kapazität und einer vermehrten Oxidation der empfindlichen Omega-3-Fettsäuren selbst führen. Daher sind Kurzzeitstudien meist erfolgreich, während Langzeitergebnisse eher enttäuschen. Im Blutkreislauf unter Anwesenheit von Hämoglobin, Eisen, Kupfer und freien Radikalen bei Überernährung, Übergewicht und Rauchen sind die empfindlichen Fettsäuren im besonderen Maße der Oxidation ausgesetzt. Unser Körper braucht zwar Omega-3-Fettsäuren, doch wenn die körpereigenen Antioxidantienpools erschöpft sind und Omega-3-Fettsäuren oxidieren oder sie falsch zubereitet werden (Räuchern, Braten, Grillen, langes Erhitzen), verlieren sie nicht nur ihren Nutzen, sondern werden stattdessen gesundheitsschädlich. Omega-3-Fettsäuren wirken vor allem im Rahmen einer sehr fettarmen Ernährung antientzündlich, weil die gleichzeitige Aufnahme von proentzündlichen Fettsäuren wie Arachidonsäure oder Omega-6-Fettsäuren antagonistisch wirkt. Auch die reichliche Aufnahme gesättigter Fettsäuren (Hauptquelle Milch- und Fleischerzeugnisse) fördert die Entstehung des Prostatakrebses.
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