„Der wär schon was für dich, der Sigi!“, erklärt er der Gucki. „Groß, blond, blauäugig: ein echter Arier! Und ein lustiger Teufel ist er auch: spielt Trompeten und Ziehharmonika – und trinken tut er auch gern was. Ein richtiger Mann halt!“ Und das der Leo, der normalerweise jeden Mann sofort heruntermacht, der für die Gucki eventuell in Frage kommen tät. Der normalerweise nichts dagegen hat, wenn ihm mit seinen sechzig Jahren ein Techtelmechtel mit der Gucki nachgesagt wird. Wenn die Gucki und der Turrini wieder einmal bei ihm in St. Moritz übernachten müssen, weil sie in Frankys Bar abgestürzt sind.
Macht sich die Gucki natürlich so ihre Gedanken: „Bist du jetzt ins Heiratsvermittlungsgeschäft eingestiegen, mein lieber Leo, oder willst du mich als Nutten an den Schellhammer verschachern?“
„Geh, Gucki! Dich bring ich doch nicht einmal an, wenn ich noch eine SS-Uniform samt Stiefel drauflege!“, gibt ihr der Leo prompt Kontra. Bestellt aber einen Whiskey für seine liebe Gucki. Praktisch zur Versöhnung. Oder doch nicht? Weil er ja schon wieder goschert ist: „Trink dir lieber ein bisserl eine Schneid an, sonst vernascht dich der Sigi mit Haut und Haar!“
Wird die Gucki wirklich schön langsam neugierig auf diesen Sigi. Aber nicht, weil er ein Mann ist. Männer gibt es genug. Halt nicht die richtigen. Zumindest nicht für die Gucki. Ist vielleicht doch ein bisserl zu heikel? Ich mein: Ich will ja nichts sagen, aber wenn du die Männer in drei Kategorien einteilst – Deppen, Zniachtln und nette Spezln, mit denen du gern was trinkst, aber nicht ins Bett hupfst, dann bleibt halt nicht mehr viel über. Genau genommen: gar nix. Und so schaut der Gucki ihr Liebesleben auch aus: rein gar nix!
Früher ist sie wenigstens so ein-, zweimal im Monat nach Wien gefahren. Und hat ihre ehemalige Schulfreundin besucht. Die Danninger Sybille. Die hat dort Medizin studiert. Zumindest offiziell. Inoffiziell hat sie ausschließlich Männer studiert. Die hat sich mit Männern so gut ausgekannt, dass die Gucki sogar den Verdacht gehabt hat, sie würde die ganzen Männer nicht nur studieren, sondern auch noch sezieren. Auf jeden Fall hat die Sybille der Gucki immer wieder interessante Männerbekanntschaften vermittelt. Wobei sich das interessant mitunter schon als leicht pathologisch herausgestellt hat.
Ich will da jetzt nichts ausplaudern, aber der Hofrat aus dem Innenministerium, der Stempelmarken gesammelt hat und die Gucki von Kopf bis Fuß abgeschleckt und mit seinen Marken verziert hat, der war wirklich nicht ganz dicht. Oder der Nationalratsabgeordnete aus dem Innviertel, der darauf bestanden hat, dass sie mitten unterm Schnackseln zweistimmig die oberösterreichische Landeshymne singen – und dann grad halt einmal bis zur zweiten Strophe gekommen ist. Der war auch nicht ohne! Oder der steirische Verleger, der …. Halt! Nein! Was mach ich denn da? Das geht ja kein Schwein was an, was die Gucki in ihrer Freizeit so treibt!
Was ich eigentlich sagen will, ist nur, dass es mit der Gucki ihrem Sexualleben traurig ausschaut, seit die Sybille vor einem Jahr mit dem Studium fertig geworden ist. Das hat die Gucki schon überrascht. Weil sie es ja nie für möglich gehalten hätte, dass die Sybille neben den ganzen Männergeschichten auch noch studiert hat. Hat eh 32 Semester gebraucht. Ist dann aber leider ausgerechnet im Landeskrankenhaus Freistadt als Turnusärztin gelandet. Und in Freistadt ist die Auswahl an Männern so klein, dass die Frau Dr. Sybille Danninger der Gucki beim besten Willen keinen mehr überlassen hat können. Sie hat ja schon selber nicht genug gekriegt und wird früher oder später noch vor dem Richter landen, wenn sie sich weiterhin an minderjährige Gymnasiasten heranmacht.
Was ist denn nur los mit mir? Jetzt bin ich schon wieder vom Thema abgekommen! Um das Puff in St. Moritz geht es ja! Obwohl: Eigentlich gehört das alles eh irgendwie zusammen. Weil wenn das mit dem Sexualleben nicht so schwierig wär, täten ja die ganzen Bordelle nicht so ein Geschäft machen. Muss man direkt froh sein, wenn man ein Mann ist. Was soll denn eine Frau tun, wenn es sie überkommt?
Jetzt aber interessant: Hat doch die Gucki in dem Moment genau denselben Gedanken! „Wenn es ein Puff für Frauen geben tät, hab ich eh nix dagegen!“, schreit sie energisch gegen die laute Musik an. Weil der Franky gerade Ganz in Weiß aufgelegt hat. Das ist so ein uralter Schlager. Vom Roy Black. Wo das Heiraten recht romantisch geschildert wird. Das macht der Franky natürlich der Gucki zu Fleiß. Weil der Leo und seine Spießgesellen schon die ganze Zeit nur mehr darüber reden, was das für eine schöne Hochzeit wird, wenn der Sigi und die Gucki heiraten.
Hätte die Gucki lieber nicht sagen sollen. Das mit dem Puff für Frauen. Weil sie jetzt natürlich von allen anwesenden Herren die verlockendsten Angebote kriegt: von hundert Euro abwärts bis hin zu einer Eierspeis. Eh günstig. Aber der Leo unterbietet alle anderen noch im Preis: „Bei mir genügt ein einfaches Danke, Herr Sturmbannführer!“ Da reicht es der Gucki aber wirklich. Jetzt knöpft sie sich auf der Stelle diesen Sigi vor – und in einer Stunde ist sie zurück und demonstriert dann diesen geilen, alten Deppen mithilfe von ihrem Tonband, wie man einem Bordellbesitzer den Arsch aufreißt!
„Leck Arsch eini!“ hat mit dem Arschlecken an sich nichts zu tun. Eigentlich ist es nur ein Ausruf des Erstaunens. Oder besser gesagt: des Überrascht-Seins. Aber schon des völligen Überrascht-Seins. Weil wenn man nur ein bisserl überrascht ist, sagt man bei uns: „Geh leck!“
Muss die Gucki schon ziemlich überrascht sein, sonst tät sie jetzt nicht „Leck Arsch eini!“ sagen. Und nicht auf ihrem Arsch sitzen. Auf dem Boden. Mitten in der ehemaligen Gaststube vom Mariabrunn. Während der Sonnenuntergang sein Bestes gibt und den ganzen Raum in ein Inferno aus Rot und Gold verwandelt.
War das wirklich der Teufel oder hat sie nur ein bisserl zu viel getrunken? Zwei Bier in der Arbeit, drei beim Franky und einen Whiskey. Kann man da Halluzinationen kriegen? Nein, das war auf keinen Fall der Teufel! Den gibt’s ja gar nicht! Ein Drache war’s. Genau: ein feuerspeiender Drache! Was tun? Alle möglichen Heldensagen, in denen Drachen vorkommen, huschen der Gucki durch den Kopf. Aber leider Gottes haben alle Drachentöter immer ein riesiges Schwert bei der Hand, während die Gucki nur das kleine Taschenmesser vom Opa eingesteckt hat. Bleibt ihr nur eine Alternative: die Rolle der schönen Jungfrau übernehmen und auf den Helden warten, der sie rettet.
Funktioniert ja! Schon hat er lautlos die Bühne betreten. Und als er ihr mit einem sanften, ja zärtlichen Händedruck auf die Beine geholfen hat, blickt sie in die blauesten Augen ihres Lebens. Ein Blau so eisig wie ein Gebirgsbach! Ihr Herz klopft so laut, dass es eigentlich schon eine Lärmbelästigung ist.
„Na, Frau Magister, haben wir leicht ein bisserl zu viel Heilwasser erwischt?“
Ihr Held kann auch reden. Nur: Was redet er da daher? Eigentlich müsste er sie doch jetzt in die Arme nehmen und küssen? Ihre Hand hat er auch ausgelassen? Und so was will ein Held sein? Das ist doch nur ein ganz gewöhnlicher Mann! Wie alle anderen auch. Aber nein! Noch blöder: Das ist niemand anderer als der Bordellbesitzer! Dieser geschissene Sigi mit seiner arroganten E-Mail!
„Haben Sie zufällig einen Drachen als Haustier?“ Das ist der Gucki mehr so herausgerutscht. Weil sie vor lauter Verlegenheit und vor lauter Zorn nicht mehr denken kann. Und Luft kriegt sie auch keine. Drum zündet sie sich schnell einmal eine Zigarette an und bläst diesem Arschloch gleich einmal den Rauch mitten ins Gesicht. Vielleicht hilft das, dass sie nicht ununterbrochen in diese sinnlos blauen Augen starren muss?
„Wer Gauloises filterlos raucht, frisst auch kleine Kinder!“, bemerkt der Sigi trocken. Ist aber offensichtlich anerkennend gemeint. „Spendierst du mir auch eine?“
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