Patricia Pearson
Blick ins Jenseits
Außersinnliche Wahrnehmungen
an der Schwelle des Todes
Wichtiger Hinweis
Die im Buch veröffentlichten Empfehlungen wurden von Verfasserin und Verlag sorgfältig erarbeitet und geprüft. Eine Garantie kann dennoch nicht übernommen werden. Ebenso ist die Haftung der Verfasserin bzw. des Verlages und seiner Beauftragten für Personen-, Sach- und Vermögensschäden ausgeschlossen.
Aus dem Englischen von Nayoma de Haën
Titel der Originalausgabe:
Opening Heaven’s Door .
Random House Canada
Copyright © 2014 by Patricia Pearson
Published by Arrangement with Patricia Pearson
Dieses Werk wurde vermittelt durch die Literarische Agentur
Thomas Schlück GmbH, Garbsen
Deutsche Ausgabe:
© 2015 KOHA-Verlag GmbH Burgrain
Alle Rechte vorbehalten
Grafik S. 7 u.a.: Shutterstock
Lektorat: Traudel Reiss
Covergestaltung: Sabine Dunst/Guter Punkt, München
unter Verwendung eines Motivs von © illustrart/Thinkstock
ebook-Herstellung und Auslieferung
Brockhaus Commission, Kornwestheim
www.brocom.de
ISBN 978-3-86728-744-9
Inhalt
1 |
Eine erstaunliche Vision |
2 |
Was die Sterbenden sehen |
|
Das Phänomen des Nahtod-Bewusstseins |
3 |
Signale und Wellen |
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Seltsame Erfahrungen im Augenblick des Todes |
4 |
Ein astraler Vater |
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Das Phänomen der spürbaren Präsenz |
5 |
Sei still |
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Wie die Sterbenden Frieden finden |
6 |
Tiefer |
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Was uns Nahtoderfahrungen darüber sagen, wohin die Sterbenden gehen |
7 |
Entlang der magischen Grenze |
Danksagung
Anmerkungen
Quellenangaben und Bibliografie
Index
Kommentare zu »Blick ins Jenseits«
Über die Autorin
Für meine Familie
und für die Gemeinschaft
»Gesegnet seien die Trauernden«
1
Eine erstaunliche Vision
Mein Vater starb in seinem blau gestreiften Schlafanzug in einem weichen Bett in einem stillen Haus. Er war nicht krank. Irgendwann gegen drei bis vier Uhr morgens seufzte er so vernehmlich, dass meine Mutter aufwachte. Ein Seufzen, ein Stöhnen, ein letzter Atemzug. Noch halb schlafend nahm meine Mutter an, er hätte einen schweren Traum, lehnte sich hinüber, um ihm über den Rücken zu streichen, und zog sich dann wieder in die Geborgenheit ihres unbewussten Dämmerzustands zurück. Als einige Stunden später das blasse Licht eines nördlichen Märzmorgens heraufzog, erhob sie sich und ging um den ausgestreckten Körper des Mannes, mit dem sie seit 54 Jahren verheiratet war, herum ins Badezimmer.
Sie stieg die Treppe hinab und widmete sich den üblichen Küchenritualen. Kaffee aufsetzen, die Muffinhälften in den Toaster stecken, Radio hören. Ich wurde gerade zu einem nagelneuen Buch interviewt. Da war also das jüngste ihrer fünf Kinder im Radio und plauderte mit eindrucksvoller Autorität über das Gerichtsverfahren eines Mannes, der eine tote Fliege in seiner Wasserflasche gefunden und deshalb einen unermesslich hohen psychologischen Schaden davongetragen hatte.
»War es berechtigt?«, fragte mich der Moderator. War es möglich, dass der Anblick einer toten Fliege ein ganzes Leben erschüttern konnte?
Meine Mutter strich sich Marmelade auf ihren Muffin und dachte über den kommenden Tag nach. Ein paar Verabredungen, ein Mittagessen, ein Bummel mit ihrer Enkelin Rachel, die die Frühjahrsferien bei ihr verbrachte. Sie fragte sich nicht, warum Geoffrey, mein Vater, noch im Bett lag. Es gab keinen Grund zur Sorge um diesen gesunden Mann, der gerade 80 geworden war.
Familien neigen dazu, ihre Aufmerksamkeit auf bestimmte Krisen hin auszurichten, und im Frühjahr 2008 waren wir alle auf meine Schwester Katharine fokussiert. Sie war es, der das Sterben drohte, nicht mein Vater. Die quicklebendige Katharine, eine ungewöhnlich liebenswerte Frau, Mutter, Schwester und Geliebte, litt unter den sich wild ausbreitenden Brandherden eines metastasierenden Brustkrebses. Katharines Schicksal war für unsere Familie zu der »extremen Wirklichkeit« geworden, wie Virginia Woolf es mal bezeichnete.
Mein Vater spielte seine Rolle ganz unvermutet.
»Rachel«, sagte meine Mutter und schüttelte sanft die Schulter ihrer Enkelin, die in dem Gästezimmer im Dachgeschoss schlief. »Rachel.« Meine Nichte öffnete blinzelnd die Augen, doch der Ausdruck meiner Mutter – rohe, unverstellte Verletzlichkeit im Gesicht der Matriarchin – machte sie sofort hellwach.
»Opa wird nicht mehr aufwachen.«
An jenem Morgen erhielten wir alle den Anruf mit der Was-um-Himmels-willen-redest-du-da-Neuigkeit, die meine Mutter mit Unterstützung einer noch ganz verwirrten Rachel in der Familie verbreitete. Doch meine 160 Kilometer östlich von meinen Eltern lebende Schwester Katharine nahm die Nachricht anders auf.
»In der Nacht, in der mein Vater starb«, erzählte sie ein paar Wochen später auf der Trauerfeier, »hatte ich eine außergewöhnliche spirituelle Erfahrung.« Dazu muss man wissen, dass meine Schwester keine Neigung zu spirituellen Erfahrungen hatte. Als alleinerziehende Mutter zweier jugendlicher Söhne war sie mit Stress vertraut, sie lachte gerne, und sie war äußerst sportlich. Sie verfügte über einen fantastischen Intellekt und beherrschte drei Sprachen fließend. Doch auf Gott hatte sie bei alldem eher wenig geachtet.
»Es war am frühen Morgen, ungefähr um halb fünf«, berichtete sie den Trauergästen, »und ich konnte mal wieder nicht schlafen, als ich plötzlich anfing, diese erstaunliche spirituelle Erfahrung zu machen. Zwei Stunden lang spürte ich nichts als Freude und Heilung.« Während sie dies erzählte, war sie von einer Art Licht umhüllt, einem Strahlen, und die Melodie ihrer Stimme berührte alle, die in der Kirche saßen, Gläubige, Atheisten und Agnostiker. Sie hielt sich am Podium fest, entschlossen, trotz der Gleichgewichtsstörungen durch ihre unheilbare Krankheit die Schönheit des Augenblicks zu wahren. »Ich spürte Hände auf meinem Kopf und erlebte in einer Vision nach der anderen eine glückliche Zukunft.«
Als sie ihren älteren Sohn an jenem Morgen noch vor dem Telefonanruf zur Schule fuhr, hatte sie ihm von dieser merkwürdigen, wundervollen Erfahrung in den frühen Morgenstunden erzählt. In ihrem Tagebuch hatte sie geschrieben: »Ich dachte, vielleicht kommt es daher, dass Menschen für mich beten? Und dann dachte ich an Dad, wie er seine Augenbraue hochzieht und mich wegen meiner Überheblichkeit aufzieht.« Erst am nächsten Vormittag begriff sie, was es mit dieser machtvollen Welle der Energie und Freude auf sich gehabt hatte.
»Ich weiß jetzt, dass es mein Vater war«, sprach sie zu den Trauergästen. Sie sagte es einfach so, ohne die üblichen Demutsbezeugungen in Richtung Wissenschaft und Vernunft, ohne Floskeln wie: »Sie mögen mich vielleicht für verrückt halten, aber …« – nichts davon. »Ich fühle mich voller Demut, zutiefst gesegnet und geliebt«, ergänzte sie schlicht und setzte sich. Ein astraler Vater. Da und doch nicht da. Liebe aus dem Unsichtbaren. Eine Art segensreicher Begleiter, dessen lichtvolle Zuwendung zutiefst bewegt.
Geistererfahrungen sind in unserer Familie nicht üblich. Als ich am 19. März, am Tag nach dem Tod meines Vaters, im Haus meiner Eltern ankam und von Katharines Vision hörte, brach ich in dem mit Teppich ausgelegten Flur zusammen. Mit einem hysterischen Lachanfall kämpfend, kroch ich an der Garderobe vorbei. Meine Reaktion war nicht verächtlich, sondern eher ein Ausdruck meiner kompletten Hingabe an das Unglaubliche. Die Wirklichkeit befand sich in Schwingung, sie oszillierte und schien kurz vor dem Zerbersten.
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