Nieselregen auf dem Berge LU und wilde Wellen auf dem Che-chiang.
Solange Du nicht dort gewesen,
wirst Du Dich darum grämen.
Warst Du erst dort
und wendest wieder heim den Schritt,
wie nüchtern sehen dann die Dinge aus:
Nieselregen auf dem Berge LU
und wilde Wellen auf dem Che-chiang.
SU TUNG-P’O
Puh Ruh, das Wissende
Ein Meditationsmeister aus Nordostthailand wurde einst
gefragt: „Wenn es aus buddhistischer Sicht kein ‚Selbst‘
und kein ‚Ich‘ gibt, wer oder was ist es dann, das diese
Erfahrungen macht und darüber Kenntnis hat?“
Seine Antwort war: „Puh Ruh, es ist die Qualität in uns,
die weiß!“
Ganz egal, in welchen geistigen oder gefühlsmäßigen Zuständen Sie sind, es gibt immer etwas in Ihnen, das diese Zustände kennt. Egal, welches Gefühl, welcher Gedanke, es gibt immer eine gewisse Bewusstheit oder ein Gewahrsein über dieses Gefühl oder jenen Gedanken.
Sie wissen, dass Sie jetzt gerade dasitzen und das hier lesen. Das wissen Sie einfach.
Vielleicht wissen Sie ein Sekunde später, dass eine Tür zuschlägt.
Die Erfahrung ist eine andere, das Wissen an sich ist immer gleich.
Was auch immer Sie erleben oder erfahren, es gibt immer ein Wissen über das, was Sie gerade erleben. Egal, ob es angenehme oder unangenehme Empfindungen sind, Sie wissen was Sie gerade fühlen. Das Wissen ist wie ein Raum und das Erlebte und Gefühlte ist wie die Einrichtung des Raumes. Das trifft auch auf alle anderen geistigen Zustände zu.
Es gibt jemand, der weiß oder Kenntnis über etwas hat: Es ist das, was weiß .
Also, egal in welchem Zustand Sie sich befinden, es gibt immer einen Wissenden, einen Kenner dieses Zustandes. Das Wissen an sich oder die Wissensfähigkeit ändert sich überhaupt nicht. Ein Raum ändert sich auch nicht, nur weil Sie andere Möbel reinstellen. Der Raum an sich bleibt.
Egal, welche Erfahrungen gemacht werden, es gibt immer ein Wissen über diese Erfahrung. Das Wissen an sich ist niemals durch die Erfahrung bedingt, es ist einfach nur ein Wissen, eine Kenntnis einer Erfahrung. Andere Worte dafür sind Gewahrsein, Bewusstheit, Aufmerksamkeit oder Achtsamkeit. Das reine, klare Wissen, das bei jeder Erfahrung anwesend ist, ist nicht verursacht durch diese Erfahrung!
Wissensfähigkeit wird weder verändert noch zurechtgerückt, weder zerstört noch durch irgendeine Erfahrung verbessert. Die reine Kenntnis einer Wahrnehmung wird nicht durch die Wahrnehmung verändert. Die Wissensfähigkeit, egal, in welcher Situation, ist immer anwesend, ist aber niemals bedingt. Das reine Wissen ist immer da.
Wenn Sie erkennen, dass Sie der Wissende sind, erkennen Sie, dass sich der Wissende nie verändert. Es sind die Dinge, die der Wissende erlebt und wahrnimmt, die sich verändern.
Dieses Wissen an sich hat keine Substanz und keine Form. Es ist einfach nur bewusstes Wissen.
„Das ist das, was du bist. Das ist deine letztendliche Essenz“, behaupten manche Weisen.
Wenn Sie sich bewusst sind, dass Sie immer dieser Wissende sind, dann ist das perfekte Achtsamkeit, die irgendwann in Weisheit mündet und die Dinge sieht, wie sie wirklich sind.
Raum und Geist
Ich vergleiche Raum mit unserem Geist, was mit der Betrachtung über den Puh Ruh korrespondiert. Raum bewegt sich nie irgendwohin! Raum ist einfach nur. (Das Wissende ist auch einfach nur.) Raum hat die Qualität von Räumlichkeit, ist empfangsbereit. Nie bewegt sich Raum an sich.
Aber Dinge bewegen sich durch den Raum. Menschen, Tiere, Gegenstände bewegen sich durch den Raum. Der Wind bläst durch den Raum. Manchmal trägt er Blätter herein, Licht und Schatten, Helligkeit und Dunkelheit. Für all das stellt der Raum seine Räumlichkeit zur Verfügung, aber der Raum an sich bleibt immer unbewegt.
Wir haben diese Redensart, dass wir unseren Geist, den geistigen Raum, ruhig und still machen wollen. Aber wie kann ich etwas ruhig machen, was eigentlich schon ruhig ist?
Es sind die Bewegungen, die da stattfinden und einen meinen lassen, der Geist sei nicht ruhig.
Wenn im Geist viel Bewegung ist, habe ich das Gefühl, der Raum sei stark bewegt.
Aber es sind nur diese verschiedenen Gedanken, Gefühle, Vorstellungen, Meinungen, die sich da bewegen.
Dann gibt es noch all diese Dinge, die wir über unsere Sinne wahrnehmen. Sie sammeln sich in unserem Geist und dieser nimmt eine bestimmte Haltung zu dem Wahrgenommenen ein.
Wir beziehen uns in der Regel immer zuerst auf das Offensichtliche.
Wenn ich einen Raum betrete, beziehe ich mich meist auf das, was offensichtlich ist: die Menschen darin, die Einrichtung, die Größe, die Form und Farbe des Raumes. Sehr selten beziehe ich mich auf die Räumlichkeit des Raums an sich. Denn sie hat weder Farbe noch Form usw. und doch ist ohne die Räumlichkeit ein Empfangen aller anderen Dinge nicht möglich.
Ähnlich ist es mit unserem geistigen Raum.
Wenn ich meine Aufmerksamkeit von meinen Gedanken, diesen ‚Bewegungen‘ abziehe, kann ich den Raum an sich erleben. Wie komme ich aber in den Raum zwischen den Gedanken? In den Zwischenraum von Gefühlen, Meinungen, Vorstellungen usw.?
Der erste Schritt könnte sein, diese Behauptung über Raum/ Geist für sich selbst zu erforschen, sie zu untersuchen und damit zu experimentieren.
Hier kommt Meditation ins Spiel: die Fähigkeit des Geistes, Achtsamkeit auf eine Sache zu lenken und sie dort zu halten. Wenn mir das für eine Weile gelingt, werde ich feststellen, dass andere Bewegungen für diese kurze Zeitpanne nicht mehr da oder weit in den Hintergrund gerückt sind. Gedanken, Gefühle oder Geschichten finden dann keine Eintrittslücke mehr, um den Geist zu bewegen. Deswegen fühlt sich Meditation so entspannend an, wenn nur noch eine Sache, wie zum Beispiel der ruhige Atem, im Vordergrund steht.
Der geistige Raum übernimmt diese Qualität des Atems. Manchmal übernimmt er auch die Qualität eines Konfliktes, der Angst, der Sorge oder der Depression.
Ich habe also die Möglichkeit, die Einrichtung meines geistigen Raums zu gestalten.
Dem Raum selbst ist das alles egal. Er bleibt letztendlich unberührt.
Denn Raum ist nur räumlich mit Qualitäten von Empfänglichkeit, Stille und Leere.
Ich kann auch während der Meditation einen Gedanken deutlich denken, wie zum Beispiel: ‚Ich bin ein Mensch‘. Und nach jedem Wort eine Pause machen, mich in die Lücke zwischen zwei Wörtern begeben und dort verharren und bemerke, wie sich ein nächster Gedanke hereindrängt. Vielleicht kann ich mich in der Lücke eine Weile ausruhen und diese Lücken größer und weiter werden lassen.
NICHTS SEIN UND SOMIT ALLES SEIN
Sich nicht einschränken auf eine Identität.
Freiheit, sich zu bewegen.
Wenn alles geht, bleibt doch noch etwas.
Es hat keinen Namen und es hat keine Form.
Es ist unwandelbar.
Es kann gefüllt werden, aber auch wieder geleert.
Die Leere bleibt, ‚Füllungen‘ gehen.
Wer bin ich?
Leere und unbesetzter Raum.
Alles gehen lassen, was den Tod in sich birgt,
alles, was geboren wurde, muss sterben.
Jeder Gedanke, jedes Gefühl,
jede Vorstellung und jede Geschichte.
Hier bin ich.
Davor alles nur Geschichten
Danach alles nur Geschichten.
Dazwischen Freiheit und leerer Raum.
Es gibt nichts hinzuzufügen.
Gehenlassen – Gehenlassen – Gehenlassen …
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