Die gesellschaftliche und politische Verunsicherung, der massive Rückgang der Geburten, die Konkurrenzsituation auf dem Arbeitsmarkt und die 1929 einsetzende Weltwirtschaftskrise zogen eine Polarisierung und Radikalisierung der Bevölkerung nach sich, nicht zuletzt auch im Land und in der Stadt Salzburg. An das allgegenwärtige Krisengefühl konnten die Nationalsozialist*innen der ersten Stunde leicht anknüpfen. Sie versprachen Lösungen für die schier hoffnungslose Situation: So würden sie die demütigenden Folgen des Ersten Weltkrieges bereinigen, das „deutsche Volk“ aus der Wirtschaftskrise herausführen und die traditionellen Rollenbilder wiederherstellen. Mit Ankündigungen dieser Art konnten sie eine breite Anhänger*innenschaft, besonders innerhalb der bürgerlichen Schichten, für sich gewinnen. Ähnliche Konzeptionen der Christlichsozialen Partei (CSP) und des christlichen Lagers galten vielen aus dem bürgerlichen Lager als zu klerikal. Charakteristisch für den Aufstieg der NSDAP war aber, dass sie Ideen und Anhänger*innen aus nahezu allen Bereichen vereinnahmen konnte.
Seit der zuvor erwähnten Einführung des Frauenwahlrechts 1918 gingen die österreichischen Parteien, egal ob sie nun katholisch, sozialistisch oder nationalistisch orientiert waren, auf Stimmenfang in der weiblichen Wählerschaft. Trotz des offensiv männerbündischen Charakters fanden sich rasch zahlreiche Anhängerinnen für die erstarkende NS-Bewegung. Vor allem viele Österreicherinnen empfanden den Nationalsozialismus nach der vorhergehenden Entrechtung im austrofaschistischen Ständestaat (1934–1938) als modern und befreiend. Die frauendiskriminierenden Gesetze der Zwischenkriegszeit spielten dem Nationalsozialismus geradezu in die Hände – wobei im Zuge der Machtergreifung Hitlers im „Dritten Reich“ ebensolche diskriminierenden Gesetze erlassen wurden.
In der Zwischenkriegszeit illustriert die sozialdemokratische Monatsschrift Die Frau die „Verdrängung der Frauenarbeit“ mit Zeichnungen wie diesen.
Zahlreiche „weibliche Verbündete“ kamen aus dem großdeutschen beziehungsweise völkischen Lager. Als gedankliche Brücke diente die Vorstellung eines „deutschen Volkes“, einer verbindenden und zunehmend als „Blutsgemeinschaft“ verstandenen „Volksgemeinschaft“. Diese totalitäre Idee einte Frauen aus den unterschiedlichsten Bereichen. Die frühen Nationalsozialist*innen bedienten sich für ihre konkreten Versprechungen bei vorhandenen Versatzstücken – man denke an die Aufwertung der Mutterschaft, die bereits ein zentrales Element der bürgerlichen Frauenbewegung war – und fügten sie in ihre rassistische Weltanschauung ein. Diese wiederum war von Ambivalenzen geprägt. So war etwa die von den Frauenbewegungen angestrebte Aufwertung der „Mütterlichkeit“ nur bedingt mit nationalsozialistischen Vorstellungen vereinbar, wurde doch weibliche „Gefühlsduselei“ und mütterliche Fürsorge, die jeglichem (auch „unwertem“) Leben galt, abgelehnt. Auf jeden Fall aber vereinfachte diese bunte Vermischung verschiedenster Aspekte den Übergang in die nationalsozialistische Frauenwelt. So konnten selbst Frauen, die zunächst nicht direkt mit dem Nationalsozialismus in Verbindung standen, jedoch ähnliche Ziele, Wertvorstellungen oder Vorurteile teilten, in der NS-Bewegung aufgehen. Die Vorstellung, Frauenrechtlerinnen seien ausschließlich Gegnerinnen des Nationalsozialismus gewesen, ist in diesem Zusammenhang übrigens verzerrt: Frauen, die mit feministischen Ideen sympathisierten und die Forderungen der Frauenbewegungen teilten, konnten sich aus Gründen wie Antisemitismus, Nationalismus, völkischem Mystizismus oder der Abneigung gegen den Bolschewismus der nationalsozialistischen Bewegung anschließen. Daraus erklärt sich auch die Tatsache, dass die Nationalsozialistinnen selbst die NS-Ideologie zuweilen grundlegend unterschiedlich interpretierten. Da sich die Männer zudem anfänglich nicht für ihre Mitstreiterinnen interessierten, konnten die Frauen ganz eigene Konzepte des Nationalsozialismus entwerfen.
Obwohl die NS-Ideologie insgesamt eine betont männliche und antifeministische war und blieb, fanden sich also von Beginn an begeisterte Anhängerinnen, die auch eigene NS-Frauenorganisationen gründeten. 18Der erste dokumentierte Versuch in Österreich Frauen nationalsozialistisch zu organisieren, war der Deutsche nationalsoziale Frauenverein für Österreich , dessen Gründung 1918 angedacht war, aber aus unbekannten Gründen ausblieb. Die früheste nachweisbare nationalsozialistisch orientierte Frauengruppe war die Völkische Frauen- und Mädchengruppe , die erstmals 1925 in Linz auftrat. Der Name zeigt die Absicht, Mitglieder aus dem weiteren völkischen Milieu zu rekrutieren. Ab 1927 hieß die Vereinigung Völkische Frauen- und Mädchengruppe der NSDAP (Hitlerbewegung) . Als Obfrau agierte Maria Werbik, die seit 1923 Mitglied der nationalsozialistischen Partei war und später offizielle österreichische NS-Frauenschaftsleiterin wurde. Als NS-Frauenverein trat seit 1926 der Bund nationalsozialistischer (deutscher) Frauen Wiens auf. Ebenfalls in Wien wurde im selben Jahr die Arbeitsgemeinschaft Deutscher Frauenklub gegründet, in deren Satzungen als Zweck „der Dienst am Wohle der arischen Mitmenschen“ festgehalten wurde. 19Der Frauenklub blieb im austrofaschistischen Ständestaat auch nach dem Verbot aller NS-Aktivitäten 1933 bestehen (allerdings nur bis Ende des Jahres), da er aufgrund seines unverfänglichen Namens harmlos erschien. Auch der Bund nationalsozialistischer deutscher Frauen durfte fortbestehen, da er als Dollfuß-loyal galt. Zwar strich man 1934 die Beifügung „nationalsozialistisch“ aus dem Namen, doch blieb der Verein bis 1938 für die illegale NS-Bewegung aktiv.
Die frühen nationalsozialistischen Frauengruppen in Österreich blieben weitgehend lokal beschränkt. Jene Frauen, die sich in dieser Phase engagierten, taten dies, obwohl sich in der Partei niemand besonders um sie bemühte. Das änderte sich in Österreich erst mit dem Aufstieg der NSDAP in Deutschland. Schon in der Entstehungsphase der NSDAP gab es verschiedenste nationalsozialistisch und völkisch orientierte Frauengruppen, die regional sehr unterschiedlich verteilt waren, außerdem kaum zusammenarbeiteten, sondern miteinander konkurrierten. Eine dieser NS-Frauengruppen war die unmittelbare Vorläuferin der späteren und auch für die Belange der Frauen in der Stadt und im Land Salzburg relevanten NS-Frauenschaft: der Deutsche Frauenorden (DFO). Diesen gründete Elsbeth Zander 1923 in Berlin. Zander selbst trat erst 1926 der NSDAP bei, engagierte sich aber schon vor dem Hitlerputsch für die NS-Bewegung und rekrutierte als überzeugende Rednerin zahlreiche Frauen. Obwohl Adolf Hitler den Frauenorden offiziell als Organisation der NSDAP anerkannte, führte der DFO in der Riege der NS-Organisationen ein Schattendasein. Mit der Zusatzbezeichnung Rotes Hakenkreuz brachte man die politische Zugehörigkeit des DFO zum Ausdruck. Die Mitglieder wurden dazu verpflichtet, der Partei beizutreten. Im Vordergrund stand die vaterländische, „rassenbewusste“ Erziehung der Frauen. Nicht politisches Engagement, sondern Mutterschaft und Pflege der deutschen Kultur wurden als weibliche Aufgaben definiert. Der Leitspruch des Frauenordens war „Glaube, Hoffnung, Liebe“. 20Ende der 1920er-Jahre soll der DFO rund 13 000 Anhängerinnen gezählt haben.
Weichenstellung in der Ersten Republik, breite Umsetzung nach dem „Anschluss“: Öffentlichkeitswirksame Darstellung von „Mütterlichkeit“ im Salzburger Wochenblatt der Landesbauernschaft Alpenland: „Mütter und Kinder aus Großarl, dem kinderreichsten Dorf Großdeutschlands; 299 Bergbäuerinnen des Dorfes tragen das Ehrenkreuz der deutschen Mutter.“
Читать дальше